"Ein zurückgelassener Schlafsack steht in keinem Verhältnis zu Leben und Gesundheit von Menschen!"

Watzmann: Rettungseinsatz am winterlichen Grat

Zwei Bergsteiger begingen am Pfingstsonntag (28. Mai 2023) nach einer Übernachtung im Watzmannhaus den noch verschneiten Watzmann-Grat. Aufgrund der winterlichen Verhältnisse waren die beiden zwischen Mittel- und Südgipfel so erschöpft, dass sie den Notruf wählten. In einem aufwendigen Einsatz konnten beide Personen schließlich vom Berg gerettet werden. Für Unverständnis bei den Rettern sorgte das undankbare Verhalten der Urlauber.

Watzmann: Rettungseinsatz am winterlichen Grat
© Bergwacht Ramsau

Ungünstiges Wetter erschwert Rettungsaktion am winterlichen Watzmanngrat

Kurz nach 14 Uhr setzten der 37-Jährige und seine 29-jährige Tourenpartnerin aus Nordrhein-Westfalen den Notruf ab, da sie sich laut Mitteilung der Bergwacht Ramsau bei der noch immer winterlichen Watzmann-Überschreitung zwischen Mittel- und Südspitze verstiegen hatten und in Bergnot geraten waren.

Eine zügige Rettung wurde durch ungünstige Wetterbedingungen erschwert: Trotz der sehr guten Prognose lagen die höheren Gipfel am Sonntag überwiegend in den Wolken, darunter die Einsatzstelle am Watzmanngrat auf etwa 2.400 Metern. Die Heli-Besatzungen flogen laut Bergwacht-Mitteilung deshalb im Shuttle-Verkehr mehrere Einsatzkräfte mit umfangreicher Ausrüstung bis zum Watzmannhaus.

Von dort begannen die Retter den Aufstieg zu Fuß übers Hocheck und den Grat bis zu den Urlaubern. Die unverletzten Verstiegenen hatten einen sicheren Stand, waren aber lediglich mit dünnen Hüttenschlafsäcken ausgerüstet. Da beide zu erschöpft waren, konnten sie den Rettern nicht mehr in Richtung Mittelspitze entgegengehen.

Einsatz am Watzmanngrat bis in die Nacht geplant

Die Rettungskräfte stellten sich wegen des anhaltenden Nebels mit nur wenigen Metern Sichtweite auf einen langen und komplexen Einsatz bis weit in die Nacht hinein ein. Ziel war es, die Verstiegenen bis zum Sonnenuntergang in die Schutzhütte am Hocheck zu bringen. Diese fanden die fünf Retter mit offener Tür und vermüllt vor. Von der Hütte stiegen die Einsatzkräfte mit Sicherungsmaterial, Ausrüstung zum Wärmeerhalt und Energieriegeln in den Grat ein.

Ab der Hochstiege lag eine zwar geschlossene, jedoch zunehmend stärkere und rutschige Altschneedecke, die laut Pressemitteilung zu weich und stellenweise auch zu dünn für Steigeisen war. Die Retter konnten zudem keinen Ruf- und Sichtkontakt zu den Urlaubern herstellen noch die Einsatzstelle aus der Luft lokalisieren, da der Grat wolkenumhüllt blieb.

<p>Bild vom Einsatz am vernebelten und hochwinterlichen Grat.</p>

Bild vom Einsatz am vernebelten und hochwinterlichen Grat.

© Bergwacht Ramsau

Vier weitere Einsatzkräfte warteten unterdessen am Hocheck mit zusätzlichen Seilen; zwei weitere Retter rückten nach. Der Einsatzleiter ließ währenddessen am Wimbachschloss ein Gateway zur besseren Kommunikation aufbauen, orderte den Kerosin-Anhänger aus Berchtesgaden zum Nachtanken der Helis und forderte einen Notarzt der Bergwacht Ruhpolding an. Somit war während der riskanten Rettungsaktion medizinische Hilfe zumindest innerhalb weniger Stunden verfügbar.

Wetterfenster ermöglicht Flugrettung am Watzmanngrat

Die Besatzung des Polizeihubschraubers blieb konstant in der Luft und kreiste über dem Wimbachgries, um bei einem Wetterfenster ohne Zeitverlust die Einsatzstelle anfliegen zu können. Kurz nach 17.30 Uhr riss es so weit auf, so dass die Heli-Crew die Verstiegenen erstmals in rund 2.600 Metern Höhe zwischen der Mittel- und der Südspitze sehen konnte. Zwei Bergretter arbeiteten sich im Anschluss schnellstmöglich über den rutschigen Grat vor. 

Währenddessen klarte es kurz auf, wodurch ein kurzer Anflug auf Sicht möglich wurde. Da die Zeit drängte, forderten die Retter die Verstiegenen laut eigenen Angaben "sehr direkt" zum zügigen Einpacken ihrer Biwak-Ausrüstung auf. "Angesichts der Alternative eines langen und riskanten Rückstiegs über den winterlichen Grat zum Hocheck und einer kalten Nacht am Watzmann, waren die Leute schnell kooperativ und ließen ihre Ausrüstung am Berg zurück", so der Post der Bergwacht im Wortlaut. 

Die drei zurückgebliebenen Retter mussten im Bereich der Mittelspitze etwa eine Stunde lang warten, bis sie in einer weiteren Wolkenlücke ausgeflogen werden konnten. Die für den aufwendigen Einsatz ausgerüsteten fünf Retter am Hocheck stiegen bis zum Hochstieg ab und eine weitere Einsatzkraft unterhalb drehte zum Watzmannhaus um, so dass der Heli alle unterhalb des Nebels abholen konnte.

Retter irritiert durch Reaktion der Verstiegenen

Es war etwa 17.55 Uhr, als die Urlauber sowie die beiden Bergretter abgeholt und ins Tal zur Wache geflogen werden konnten, wo sie um 18 Uhr wohlbehalten landeten. Nach der erfolgten Rettung reagierten die Geretteten laut Bergwacht jedoch eher "missmutig" und äußerten, "dass sie als Patienten noch nie so schlecht behandelt worden seien, woraufhin sie auch sofort verschwanden."

"Wir müssen in derart hoch dynamischen Einsatzlagen oft sehr schnell Entscheidungen treffen und auch mal recht direkt mit Betroffenen sprechen, die nicht immer sofort die Brisanz der Lage und das hohe Risiko für alle Beteiligten realistisch einschätzen können; ein zurückgelassener Schlafsack steht in keinem Verhältnis zu Leben und Gesundheit von Menschen!", erklärt Bergwacht-Sprecher Michael Renner dazu.

"Wir sind zunehmend verwundert über die gefährliche Erwartungshaltung, die sich scheinbar mehr und mehr zu etablieren scheint, dass die Rettung im Hochgebirge bei Wind und Wetter sowohl eine garantierte als auch eine unkritische Sache wäre – auch wenn manche Bergsteiger das vielleicht nicht so gut einschätzen können und anders reagieren als jemand, der tatsächlich weiß, auf was er sich bei einer winterlichen Grat-Überschreitung einlässt. Auch für uns war der Einsatz im rutschigen und schwer einzuschätzenden Altschnee im Absturz-Gelände riskant", so Renner weiter.

Insgesamt waren 16 Bergretter und zwei Helis bis zu sieben Stunden lang gefordert.

Bei jeder Bergtour darf ein Biwaksack für den Notfall im Gepäck nicht fehlen. Welche Modelle wir empfehlen, lest ihr hier:

9 Kommentare

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Daniela

Ich bin selbst viel in den Bergen und habe schon einiges,für mich unverständliches Verhalten am Berg miterlebt.
Ich habe die Bergrettung Gott sei dank noch nie selbst gebraucht,aber es ist gut zu wissen daß es diese Menschen gibt,die einfach ihr Leben für andere riskieren
Also ein großes Danke an alle die sich für andere einsetzen
Ihr macht einen großartigen Job,ihr hab meinen größten Respekt

Catweazle

Ich kann das nicht nachempfinden ich bin selber viel im Berg unterwegs wenn mir was zu extrem z.b.schnee, Gewitter u.s.w dann Dreh ich um ich höre auf meinen Körper.Für meinen Geschmack war das grob fahrlässig.Meinen höchsten Respekt an die Bergretter super das es euch gibt ihr macht einen super Job

Soso

Die Frage und Formulierung "Bergsteiger" vs "Urlauber" ist hier wirklich kritisch.
Auch Bergsteiger überschätzen sich.
Die Wettervorhersage war wohl sehr gut, sie hatten wohl Ausrüstung....
Ich frage mich, wann wer als Urlauber in kurzen Hosen diffamiert wird und wann eine Seilschaft "gerettet" wird.
Anscheinend wir wird das im Nachgang an der "Dankbarkeit" entschieden..

Andreas

Für alle die jetzt entrüstet fordern, dass der Einsatz in Rechnung gestellt werden soll: da die Geretteten keine medizinische Hilfe gebraucht haben, handelt es sich um eine Bergung. Krankenkasse und Unfallversicherung zahlen also nicht. Wenn die Geretteten keine DAV-Mitglieder sind, geht Euer Wunsch also in Erfüllung.

Jonas

Warum müssen es eigentlich meistens/immer deutsche sein die so ein Verhalten an den Tag legen. Für mich als deutscher Bergsteiger einfach nur purer Fremdscham... Wenn man so eine Einstellung an den Tag legt sollte man einfach daheim im Flachland bleiben...

Oliver

Unglaublich , lassen sich retten und beschweren sich hinterher noch ?.In so einer Situation kann man nicht erst ein Kaffeekränzchen abhalten wie es denn weitergeht., da muss auch schon mal eine Ansage kommen. Solchen Leuten sollte man die Rechnung des Einsatzes bezahlen lassen. Die meinen wirklich es gibt eine Vollkasko am Berg. Es fehlt jetzt nur noch das die Bergwacht aufgefordert wird das Equipment vom Berg zu holen und denen nach Hause zu schicken. Es wird vergessen das fast alle diesen Job Ehrenamtlich machen und sich sehr oft selber in Gefahr begeben.

Nose

In dem Artikel ist immer von „Urlaubern“ die Rede. Später bei Aussagen der Bergwacht, spricht diese von „Bergsteigern“. Ein Bergsteiger weiß um die Gefahr und das oft witterungsbedingt immense Risiko bei einer Rettungsaktion. Von daher passt die Bezeichnung „Urlauber“. Für die respektlose Undankbarkeit sollten sie alleine mal 2000 Euro pro Person bezahlen …

Thomas

So Leuten gehört auf Lebenszeit das Recht auf betreten der Berge verboten!
Die Bergretter riskieren dabei ihr Leben und es ist absolut unverschämt, sich an der Stelle auch noch zu echauffieren, dass man in einer solch selbst verschuldeten Situation, die durch Selbstüberschätzung und/oder Inkompetenz verursacht wurde, einen etwas harscheren Tonfall erfährt, da es dabei um Minuten geht. Unglaublich!

nedsowichtig

Bitte den Touristen, bei dem Verhalten, die komplette Bergung und 100% Breissnaufschlag in Rechnung stellen.