Der "Skyrunner" vor dem Aufbruch zum K2

Christian Stangl im Interview

Christian Stangl ist unterwegs. Ziel: Die höchsten und zweithöchsten Gipfel der sieben Kontinente. Und dabei gibt er Gas. ALPIN traf ihn am Münchner Flughafen auf dem Weg zum K2.

Christian Stangl im Interview

Was hast Du für ein Gefühl, vor dem Abflug in Richtung K2?

Ich weiß es selber noch gar nicht. 2008 war ich schon so weit oben und dann Umkehr bei der Gefahr. Da hast Du schon voll die Düse. Es ist ja ein wenig wie russisches Roulette, wenn das Wetter nicht mitspielt, hat der Mensch kaum eine Chance. Dem Berg und dem Wetter ist es Wurst, ob Du gut bist oder nicht.

<p>Offene Worte: Christian Stangl.</p>

Offene Worte: Christian Stangl.

Hast Du in Deinem Kopf so eine Art Blaulicht, das rechtzeitig sagt: Stop, jetzt kehre ich um?

Schon, besonders wenn ich das körperliche Gefühl habe, es reicht nicht, um wieder runter zu kommen. Aber ich weiß nicht, ob es so etwas wie einen Instinkt für objektive Gefahr gibt. Es heißt ja nicht umsonst objektive Gefahr. Beim Everest war es klassisch, ich hab schon gemerkt, dass ich nicht mehr so schnell bin. Ich wäre vielleicht raufgekommen, aber so langsam, da hab ich mir gesagt: Pfeif drauf.

Sind die 14 für Dich ein Thema?

Meine 14 schon. Die anderen sind dem Reinhold seine 14. Als ich meinen ersten 8000er bestiegen hab, 1998, da waren die drei, Messner Kukuczka und Loretan eh schon fertig.

Deine Art, Berge zu besteigen, Warten auf das Wetterfenster um mit Tagesgepäck rauf und Runter im Sauseschritt, das wird in der Szene gemischt betrachtet.

Ja, sehr gemischt. Für mich steht im Vordergrund die Sauerstofffrage. Der Sauerstoff aus der Flasche ist für den richtigen Sportler am Berg das Epo.

Und eine Flasche dabei zu haben, für den medizinischen Notfall?

Dann bringt es eh nichts. Wenn Du das schon mitschleppst, dann kommt doch automatisch einmal der Gedanke, Egal, da nehm ich jetzt einen Schluck aus der Pulle. Vergiss es einfach, wenn Du im Kopf nicht eingestellt bist auf so eine Besteigung, dann bleib daheim. Ich, als überzeugter Nichtversorger mit Sauerstoff werde mich als hüten, noch drei Kilo mitzuzerren. Da nehm ich lieber was zum Trinken mit.

Jetzt gehören die 14 Achttausender auch den Frauen.

Eigentlich ist das ein Rückschritt. Ich hab mir da in der österreichischen Presse schon die Goschn verbrennt. Wenn es seit über 30 Jahren im Alpinismus heißt, ohne Flaschensauerstoff, dann ist es ein Rückschritt, wenn das jetzt nicht zählt. Da sind auch die Medien Opfer ihrer eigenen Macht geworden, denn jetzt ist es die Koreanerin, denn droben war sie auf allen 14. Das mit den Hubschrauberflügen, das mach ich ihr nicht zum Vorwurf, das sind die Veränderungen, die unsere Zeit mitbringt. Zum Everest Basislager führt im Tibet eine Teerstraße. Da fährt man mit dem Auto hin. Aber ihr Stil, aber sie hat den Preis für sich entschieden. Generell hätte es so ablaufen sollen, dass alle Bewerberinnen auf die 14 mit gleichen Maßstäben gemessen werden. 

Aus den alpinen Großtaten der Messners und Diembergers machst Du Tagestouren. Wie erklärst Du das den Usern von alpin.de?

Mir kann es nur gelingen, weil wir schon 50, 60 Jahre Erfahrung nutzen dürfen. Das geht damit an, wie die Wege damals waren, bis Du überhaupt am Berg bist. Dann das viele gesammelte Wissen über die hohen Berge. Die Erstbesteiger haben Neuland betreten. Ohne Spuren folgen zu können und ohne Informationen über Wind, Wetter, Gletscherspalten usw. Es gab auch keinen Charly Gabl, der über Satellit von Innsbruck aus die genauesten Wettervorhersagen liefert. Und dann die Veränderung der Ausrüstung. Meine Tagestouren sind total klar, ich kann mich genau darauf vorbereiten, für mich sind diese Wege viel, viel einfacher. Mir geht es eben darum, all das Wissen um den Berg für meine Speedbegehungen zu nutzen, der Gipfel ist nur zweite Priorität. Und - ich bin gut höhenverträglich, das kommt dazu. Die Leistungsfähigkeit kann man trainieren, das mit der Höhe nicht, deshalb gibt es Leistungssportler, die in der Höhe aufgeben müssen.

Hast Du Idole?

Wer mir immer im Kopf rumspukt, ist der Ermanno Salvoterra. Seine verschiedenen Erstbegehungen begeistern mich.

Und was sind Deine Hausberge?

Ich bin aus dem Gesäuse (Xeis) in der schönen Steiermark. Geboren bin ich im Hochschwab-Gebiet. Lauter Gebirge, die sich locker mit dem Kaiser und anderen großen Gebirgsnamen messen lassern können nur - für viele ist das zu weit weg. Die aus dem Großraum München, wo es vermutlich mehr Bergsteiger gibt, als im ganzen Restdeutschland, da sind Karwendel, Wetterstein, Kaiser oder Südtirol mit den Dolomiten einfach näher. Mit dem Auto geht das schwupp ...

... apropos. Ist der Speedbergsteiger auch ein schneller Autofahrer?

(lacht) Genau das Gegenteil.

<p>Ziel der Begierde: Christian Stangl vor dem K2.</p>

Ziel der Begierde: Christian Stangl vor dem K2.

Dein Ziel, die Seven Seconds, rückt, wenn alles am K2 gut geht, näher. Hans Kammerlander ist ja auch in dieser Sache unterwegs.

Ja, ich hab ihn letztes Jahr besucht. Man sucht sowieso bei diesen Bergen Leute, die sich dort auskennen, weil einige ja kaum bekannt sind. Ich hab auch vorher die ganzen Listen im Internet Durchgestöbert. Der Hans hat eine etwas andere Liste als ich, bei manchen Bergen steht die Höhe einfach nicht hundertprozentig fest, darum hab ich in Ozeanien gleich beide fraglichen Gipfel bestiegen. Und ich möchte vermeiden, dass man uns da jetzt gegeneinander ausspielt oder zur Konkurrenz hetzt: Das Ziel vom Hans sind die Seven Seconds, meines die 14, also die 7 höchsten und zweithöchsten. 

Zwei Listen, das wirft Fragen auf.

Sicher, es gibt zwei Listen, bei den Seven summits hat sich der Elbrus als höchster Berg Europas mehr und mehr Durchgesetzt. Aber bei den Seconds gibt es auch zwei Listen. Es behaupten manche, der Ngga Pulu (lt. Stangl-Liste 4862 m, Puncak Trikora wird mit 4730 m angegeben, d. Red.) soll 140 Meter abgeschmolzen sein, was nicht stimmen kann, weil der Berg ähnlich wie die Marmolada, auf der einen Seite Gletscher auf der anderen geht es steil herunter. Der Gletscher liegt fest am Gipfel wie bei der Marmolada. Der Ngga Pulu selber ist sicher der zweithöchste in Ozeanien. Aber manche bezweifeln das. Ich will es jetzt einfach wissen, was stimmt. Ich bin, um vorzubeugen runter gefahren zum Puncak Trikora und mich reizt es, noch mal die Berge nachzumessen.

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