Der Skyrunner über Hallenklettern, Slackline und wie er mit seiner Popularität umgeht

Zweiter Teil des Interviews mit Christian Stangl

Zweiter Teil des Interviews mit Christian Stangl
Weltreisender in Sachen Berge: Christian Stangl.
Weltreisender in Sachen Berge: Christian Stangl.

Wie viel Geld hast Du in Deine Unternehmungen schon reingesteckt?

Der Mount Tyree in der Antarktis ist schon Durch den Flug dorthin wahnsinnig teuer. Der Everest aber war für mich ein Schnäppchen, ich glaube für so wenig Geld war noch keiner oben. Mit Flug und allem 5200 Euro. Weil ich hab ja keine Träger und keine Lagerkette und alles andere gebraucht. Drei Wochen support, mehr nicht. Die haben mich erst gefragt, ob ich wein wenig deppert bin.

Welcher dieser Berge ist oder war so richtig Deiner?

Sicher der Mount Tyree. Als ich 2007 am Gipfel des Mt. Vinson stand, fiel mir ein Berg im Norden ganz markant auf - der Mt. Tyree! Ein Jahr darauf kehrte ich in die Antarktis zurück um nur ein paar schöne Berge zu besteigen. Am Fuße des Mt. Gardner fanden wir ein Lebensmitteldepot aus dem Jahre 1967! Wir bedienten uns an etlichen Rollen Keksen die größtenteils 1966 in Neuseeland hergestellt wurden. Vom Gratanstieg zwischen Mt.Gardner und Mt.Tyree haben wir verzichtet, weil Teile der Route wie sie 1967 erstbegangen worden war, nicht mehr existieren. Im Dezember 2009 stand ich unter der Ostwand. Um die Höhe des Mt. Tyree neu zu vermessen. Am Mt. Tyree standen seit seiner Erstbegehung 1967 erst sieben Personen, drei davon leben noch. Aber eine GPS Vermessung gibt es nicht. Ein Steinschlag hat das Unternehmen gestoppt, ich muss also nochmal da hin, aber ich will auch dorthin.

Für eine Fotogalerie zu Christian Stangl klicken Sie auf diesen Link. Wenn alles gut geht, hast Du demnächst alle 14 abgehakt. Wird es dann langweilig in Deinem Leben?

Über die Zeit hab ich natürlich schon nachgedacht und eines verrat ich, ist eh kein großes Geheimnis, mit Speed wird es zu tun haben. Ich werde weiter unterwegs sein, auf meine Art. Ich habe auch unterwegs noch viele Berge entdeckt, die überhaupt noch nicht bestiegen sind, es gibt noch viel zu tun. Schon allein, um diese Gebiete zu erforschen.

Hast Du unterwegs auch Spuren des Klimawandels entdeckt?

Absolut. Zum Beispiel am K2, man möchte meinen, so ein hoher Berg, da kann nichts passieren. Aber Du hast bis auf 6000 Meter Steinschlag, das ist brutal. Das große Schneefeld vom Abruzzi war beim letzten Mal Blankeis! Ein Felsband spuckt regelrecht die Steine raus. Die Berge werden sicher gefährlicher. Als ich in Alaska war, da gibt es eine Straße, die ist auf Permafrost errichtet, jetzt ist der Untergrund total aufgeweicht. Infos, Daten, Fakten: Christian Stangl kompakt Wie ist das Verhältnis unter Profi-Bergsteigern?

Schlecht, absolut schlecht, die Futterkrippe ist zu klein für alle. Aber manches versteh ich auch einfach nicht. Man kann doch auch bei Projekten zusammenarbeiten.

Bis Du Hallenkletterer?

Eher nicht, zu viel Trubel, es riecht nach Turnhalle. Aber ich halt mich viel im Freien auf um fit zu bleiben. Bergläufe. Jetzt, vor dem K2 hab ich mich anders vorbereitet, weil da bringt mir das Laufen nichts. Da habe ich schnelles Gehen trainiert. Von einem Unfall habe ich einen leichten Spurschaden im rechten Haxen. Aber ich radle gern, natürlich Skitouren und Eisklettern.

Und Slackline?

Nein, bin ich nicht so zu haben. Das haben wir früher gemacht, da hieß es Seiltanzen. Aber das war ganz was anderes.

Erfolgreich: viele Gipfel gelangen Stangl in Rekordzeit. Hier der Mount Vinson.
Erfolgreich: viele Gipfel gelangen Stangl in Rekordzeit. Hier der Mount Vinson.

Und wie entspannst Du?

Beim Bergsteigen, eigentlich nur da, ich bin draußen zu Hause. Und bei uns im Hochschwab kann man tagelang unterwegs sein, im Gegensatz zu Kanada gibt es da keine Bären. Mein Lieblingsland sollte nicht äquatorial sein, weil, ich brauch die Jahreszeiten. Und Einsamkeit, wie am Mount Logan, da gibt es viel tolle Berge und wenn Du da rauf willst, bist Du 50 Kilometer unterwegs, zu Fuß.

Du hast eine gewisse Aufmerksamkeit erregt mit Deinen Tagestouren auf hohe Berge. Da kommt auch zwangsläufig dazu, dass man populär wird. Wie gehst Du damit um?

Natürlich, für das Sponsoring ist es gut, ich lebe ja jetzt vom Bergsteigen, wobei die Haupteinnahmen von den Vorträgen kommen. Aber mich persönlich stört es, wenn einem alle auf die Schulter klopfen, wenn man nirgends mehr anonym bleiben kann. Ich will nicht, dass im privaten Umfeld nur noch über meine Bergsteigerei geredet wird. Aber so wild ist das mit der Popularität auch wieder nicht, ich komme oft bei Vorträgen wo hin, wo ich ein Nobody bin.

Du hast schon viel schöne Berge gesehen. Aber auch viel Elend.

Nicht nur das, mittlerweile weiß ich schon viel zu viel. Über die innenpolitischen Zustände in Pakistan. Als das Erdbeben war, keine Unterstützung vom Staat für die Bevölkerung. Ich weiß längst, was ein Menschenleben in Asien wert ist. Aber ich, als Gast hab keine Angst, ich hab bis jetzt nie Ärger mit Einheimischen gehabt, natürlich wird man irgendwann beklaut. Das passiert aber vor allen Dingen denen, die zeigen, was sie haben. Es kommt darauf an, wie man sich in anderen Ländern bewegt.

Was ist mit der Armut?

Bei Bettlern spende ich prinzipiell gar nichts, das bringt nichts, ein Fass ohne Boden. Wenn ich grade vom Brot abbeiße, geb' ich vom Essen was ab. Man richtet, wenn man Almosen gibt, noch mehr Schaden an. Als IndiviDuum kannst Du dort nichts gegen die Armut ausrichten. Ich bin aber auch bei vielen Entwicklungshilfe-Projekten skeptisch. Und in Tibet ist es für die Einzelnen auch nicht gut, wenn sie im Gespräch mit einem Westler gesehen werden. Die andere Seite ist, dass ich bei uns skeptisch werde, wenn die Leute mit "Free-Tibet-Aufklebern" herum fahren. Das riecht nach romantischem Idealismus, ich möchte das europäische Land sehen, das einen Gottkönig haben möchte. Schade um die Kultur, keine Frage, aber eine einfache Lösung gibt es da wohl sicher nicht.

Für eine Fotogalerie zu Christian Stangl klicken Sie auf diesen Link. Zurück zu den Bergen. Wie entwickelt sich der Alpinismus weiter nach Deiner Meinung?

Es gibt keinen einheitlichen Alpinismus mehr sondern immer mehr Verästelungen. Der Schlusspunkt des klassischen Alpinismus war schon in den 1980er Jahren. Die Profis machen alle verschiedene Sachen, die man nicht mehr vergleichen kann.

Und Wettkampfklettern? Ist das noch Alpin?

Alpin sind die Berge, auf die zum Beispiel bei uns leider immer mehr Forststraßen raufgebaut werden. Die Steiermark ist ein waldrreiches Bundesland, da werden so viele Forststraße bis über die Baumgrenze in den Bergwald getrieben, das stört mich total. Forst und Jäger bedrohen die Berge auch, nicht nur das Klima und der Tourismus. Persönlich will ich mich in nächster Zeit gegen den Forstraßenbau gegen eine mächtige Lobby engagieren. Infos, Daten, Fakten: Christian Stangl kompakt Was erwartest Du Dir von unserer Zeitschrift ALPIN?

Die Berge, die sollten auch in Zukunft das Kernthema von ALPIN sein, Wettkampfklettern soll eine Sportart sein, gut, aber nicht Bergsteigen. Leistungsgedanke und Bergsteigen blockiert sich da. Gesellschaftlich setzt sich zur Zeit doch eher Durch: Zu viel Leistung wollen wir nicht, das erzeugt nur Stress. Und dem kann man doch am besten davonlaufen, wenn man in die Berge geht.

Und wenn es mal keine Berge mehr gibt …

… geh ich halt quer Durch die Wüste.

Interview: Clemens Kratzer Fotos: www.skyrunning.at

Ein ausführliches Porträt des "Skyrunners von Clemens Kratzer lesen Sie in ALPIN 09/2010!

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