"Da gab es Leute, die noch nie auf der Frontzacke ihrer Steigeisen gestanden haben"

Rückzug vom Manaslu: Ralf Dujmovits über seine Expedition

Der deutsche Höhenbergsteiger Ralf Dujmovits wagte sich ein weiteres Mal an die Besteigung des Manaslu (8163 m). Ohne den Einsatz von Flaschensauerstoff wollte der 60-Jährige den achthöchsten Berg der Erde besteigen. Nach drei gescheiterten Gipfelversuchen und infolge mehrerer Lawinenunglücke vor Ort brach der erfahrene Alpinist die Expedition ab.

Bis zu Lager 4 auf etwa 7400 Meter schaffte es Ralf Dujmovits.
© Ralf Dujmovits

Wie der gut informierte Stefan Nestler auf seinem Blog abenteuer-berg.de berichtet, kehrte Dujmovits "enttäuscht, traurig und müde" nach Deutschland zurück. Enttäuschung aufgrund der drei gescheiterten Gipfelversuche wegen schlechtem Wetter. Traurig über die Lawinenunglücke mit Toten und Verletzten. Müde wegen des kräftezehrenden Abstiegs bei höchster Lawinengefahr.

"Es hat den ganzen Tag ums herum gezischt. Hier ein Anriss, dort ein Anriss, große Schneebretter wurden ausgelöst. Der Abstiegstag war ein Horror. Deshalb bin ich immer noch so erledigt," so der Bergsteiger im Gespräch mit Nestler.

Manaslu-Expedition: Das Ziel nicht erreicht

Dujmovits plante, den "True Summit" des Manaslu auf 8163 Metern ohne Flaschensauerstoff zu erreichen. Über Lager 4 auf etwa 7400 Metern gelangte er nach Nestlers Angaben (hier geht es zum ganzen Artikel auf abenteuer-berg.de) nicht. "Natürlich hat es mich gewurmt“, so Dujmovits. "Ich hatte mich körperlich wirklich gut vorbereitet. Und wenn du dann so viel Zeit und Aufwand investiert hast, bist du enttäuscht und traurig. Aber es war noch viel anderes drumherum, was es mir kaum möglich gemacht hat, mich vollständig zu fokussieren."

Lawinenunglücke beschleunigten Entscheidung zur Umkehr

Zwei Teammitglieder mussten wohl mit Dengue-Fieber ausgeflogen werden. Hinzu kamen tragische Lawinenunglücke, bei denen unter anderem die amerikanische Skibergsteigerin Hilaree Nelson ums Leben kam. Dutzende weitere Bergsteiger wurden verletzt . "Ich bin nicht so abgebrüht, dass es mir nicht nahe geht, wenn Sherpas, mit denen ich unterwegs war oder die ich kenne, verletzt werden oder sogar sterben", äußerte der 60-Jährige im Interview mit Nestler.

Steigeisenkenntnisse? Fehlanzeige!

Laut Nestlers Angaben befanden sich mehrere hundert Bergsteiger:innen zeitgleich zu Dujmovits am achthöchsten Berg der Erde. An schwierigeren Passagen habe es wohl mal "Stau" gegeben, dort wurden allerdings weitere, parallel verlaufende Fixseile befestigt. "Teilweise habe ich in solchen Passagen 20 bis 30 Leute überholt," so Dujmovits' Bericht.

Den Kopf schüttelte der Höhenbergsteiger wohl über so manche Gipfelaspiranten: "Ich finde es fragwürdig, mit welcher Einstellung manche an den Berg gehen. Da gab es Leute, die noch nie auf der Frontzacke ihrer Steigeisen gestanden haben. Sich einen Achttausender auszusuchen, um den ersten Versuch auf der Frontzacke zu machen, empfinde ich als Unverschämtheit gegenüber den anderen. Zudem waren Leute dort, die dem Berg konditionell bei weitem nicht gewachsen waren.“

<p>"Manaslu" ist Sanskrit und bedeutet "Berg der Seele".</p>

"Manaslu" ist Sanskrit und bedeutet "Berg der Seele".

© IMAGO / agefotostock

Dujmovits beobachtete einen erfahrenen Sherpa, der eine liegende chinesische Kundin eine Bergkuppe hinunterzog. Die Frau hatte offenkundig keine Kraft mehr zum Laufen. "Das waren Dinge, die mich gefrustet haben. Ich habe mich gefragt: Was machen diese Leute hier? Wenn du nicht die minimalen Voraussetzungen mitbringst, um ein einigermaßen angemessenes Tempo zu gehen, bringst du andere Leute in Gefahr. Das ist einfach nur unvernünftig. Diese Leute denken nur an sich. Für ihren Egoismus fehlt mir jegliches Verständnis," resümmiert Dujmovits.

Gruppenkuscheln im Zwei-Mann-Zelt

Auch einiges Skurrile ereignete sich laut Nestlers Bericht: Während Dujmovits auf Lager 4 mit zwei Teamgefährten auf das Abflauen des starken Windes wartete, drängten sich in ihrem Zelt statt der vorgesehenen zwei Personen plötzlich zehn. Viele von ihnen wollten mit Flaschensauerstoff von Lager 3 direkt zum Gipfel steigen, seien dann aber, so Dujmovits, vom Wind gestoppt worden.

"Solche Sachen gehen einfach nicht," kommentiert Dujmovits. "Ich muss autark sein am Berg. Diese Eigenverantwortung geht fast jedem dort oben ab.“ Der Bergsteiger wurde selbst von einem Sherpa des Imagine-Nepal-Teams begleitet.

Dujmovits' Rückkehr nach Deutschland verlief im Gegensatz zur Expedition völlig problemlos. Vier Tage nach seinem gescheiterten Gipfelversuch saß der 60-Jährige bereits wieder in seinem Haus in Bühl am Rande des Schwarzwalds. Seine Bilanz: "Ich muss das erstmal sacken lassen."

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1 Kommentar

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Thomas

In dem Abschnitt „ Steigeisenkenntnisse? Fehlanzeige!“ erklärt er passend was man mittlerweile überall in den Bergen erlebt - einfach nur traurig!