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Mein erster Besuch im Zillertal liegt viele Jahre zurück. Viel Ahnung hatte ich damals noch nicht vom Bouldern, aber das sollte sich genau dort ändern. Das Tal hat meine Liebe zu echten Felsen geweckt – trotz blutiger Finger, Topout-Verzweiflung, asthmaartiger Atemnot beim Zustieg und einem Erdloch, dass meine Käsesemmel verschlungen hat. Egal: Das Zillertal hat bei mir den Grundstein für eine große Leidenschaft gelegt. Einen Grundstein aus solidem Granit, der sich glatt und rau und wunderbar unter den Fingern anfühlt.
Besonders ein Gebiet hatte es mir angetan: Der Zillergrund Wald. Nicht etwa, weil ich dort viel bouldern konnte. Im Gegenteil: Dafür war hatte ich damals weder genug Eier noch Bizeps noch Hornhaut. Aber ich weiß noch genau, wie fasziniert ich durch diesen Wald gestolpert bin. Staunend. Atmend. Berauscht. Wie ich mich nicht sattsehen konnte an dieser wilden Melange aus Moos, Wurzeln, Bäumen, Pilzen, Spinnweben, Felsen, Ritzen und Spalten. Es ist eine geheimnisvolle grüngraubraune Zauberwelt, die jeden, der sie betritt, berührt und vereinnahmt.
Warum ist das Gebiet in Gefahr?@(zwischenHeadlineTag)>
Nun ist der Zillergrund in Gefahr. Bald schön könnte es den Wald in seiner jetzigen Form nicht mehr geben. Die Baufirma Hollaus Bau möchte ihren Granitabbau in der Region erweitern. Man kennt die schon: ihre Lastwägen, die ohrenbetäubenden Sprengungen, die Absperrungen. Die Firma ist schon eine ganze Weile in der Gegend aktiv, auf einer Fläche von etwa fünf Fußballfeldern. Bisher sind sich Baufirma und Boulderer dabei aber nicht allzu sehr in die Quere gekommen. Das ist nun anders. Das Unternehmen hat eine Erweiterung beantragt und will an das Herz des größten Bouldergebiets der Region: Die Granitblöcke im Zillergrund. Sie sollen gesprengt und verarbeitet werden. Zum Beispiel für private Bauvorhaben, den Hochwasser- oder Lawinenschutz – der Abbau sei also nötig, sagt die Firma.
Verena Steiner will das so nicht stehen lassen. Sie ist die Urheberin einer Petition, die bis zum heutigen Tag 22.260 Menschen unterzeichnet haben. "Wir haben hier im Zillertal alles andere als Ressourcenmangel. Es so darzustellen, als wäre der Abbau für den Katastrophenschutz nötig, ist wirklich dreist", sagt sie. Verena lebt im Zillertaltal und hat keine Lust, dass aus den Boulderblöcken bald Gartenmäuerchen werden und wieder ein Stück wertvolle Natur verschwindet. Für sie ist der Wald ein Rückzugsort und Erholungsgebiet – nicht nur für Boulderer, sondern für alle Menschen. Den Gesteinsabbau im Zillergrund sieht sie auch deshalb sehr kritisch, weil es sich um ein Quellschutzgebiet für die Trinkwasserversorgung der Gemeinde Brandberg handelt. Tatsächlich hat sich diese Sorge bei der mündlichen Verhandlung am 13. November bestätigt, vom Tisch war das Vorhaben damit aber nicht.
Über 180 Blöcke mit über 300 verzeichneten Linien würden verloren gehen, wenn das Gebiet verschwindet. Was vielen Beteiligten dabei nicht klar ist: Man kann nicht an allen Felsen kraxeln. Es hat durchaus seinen Grund, warum das Zillertal die Kletterelite aus aller Welt anzieht: Blöcke von der Qualität wie jener im Zillergrund Wald sind rar. "Solche Natursteine wachsen nicht wie Schwammerl aus dem Boden", sagt Gerhard Hörhager, einer der wichtigsten Köpfe der Kletterszene im Zillertal
Andererseits geht es nicht nur um ein bisschen Boulderspaß – auch wenn es Jammerschade um die Blöcke wäre. Das entscheidende Thema heißt Naturschutz. Wie viele andere auch habe ich absolut kein Verständnis dafür, dass derart einzigartige Landschaften unwiederbringlich zerstört werden. Das ist auf eine sehr viel grundlegendere Art und Weise frustrierend, als nur einen Boulder-Spielplatz zu verlieren. Es ist unerträglich und irre ermüdend ständig zu erleben, wie wirtschaftliche Interessen an nahezu allen Stellen über Naturschutz gestellt werden. Dass es am Ende immer nur ums Geld und kurzfristige Gewinnmaximierung geht. Auf Kosten der Natur und der Gemeinschaft. Es ist ja nicht so, dass Europa voll von unberührter Natur wäre. Wie kann es sein, dass überhaupt zur Debatte steht, diesen Ort zu zerstören? Letztlich ist er nur ein weiteres Symbol dafür, was Profitgier, Maßlosigkeit und Ignoranz anrichten können.
Und noch etwas macht mich wütend: Wieso passiert das ausgerechnet in Tirol? Dem Bundesland, das so stolz auf seine Natur ist und so gerne damit wirbt, ja fast prahlt? Das mit dem Bouldern sogar Werbung macht? Das sich bei der Kletter-WM in Innsbruck als Hotspot des Klettersports inszeniert hat? Hallo Tiroler Landesregierung, geht’s noch?!?! Es ist verlogen und heuchlerisch, einerseits von der Kletterszene profitieren zu wollen und andererseits eines der besten Gebiete in Europa plattzumachen. Und so ein bisschen mischt sich das mit dem Verdacht, dass man die Boulderer vielleicht gar nicht im Tal haben will. Weil sie lieber in Bussen auf Parkplätzen übernachten als in den Ferienhäusern und Hotels. Weil sie keine großen Geldsummen dort lassen, sondern nur Chalkspuren auf den Felsen und ja, manchmal auch Müll (auch nicht cool, aber ein anderes Thema).
Das Bauvorhaben wurde lange hinter verschlossenen Türen vorbereitet. Als die Klettergemeinde Mitte November davon erfahren hat, ist sie sofort aktiv geworden und hat die Gefahr für das Gebiet publik gemacht. Verena Steiner hat eine Petition ins Leben gerufen, die an den Tiroler Landtag übergeben wurde. Die Stonemonkeys Zillertal informieren auf allen Kanälen über das Vorhaben und haben zur Verhandlung in Brandberg im Zillertal eine kleine Demonstration organisiert. Unterstützung bekommen die Locals von der internationalen Kletterszene und prominenten Köpfen wie Anna Stöhr, Alex Megos, Bernd Zangerl oder Jakob Schubert. Auch viele Lokalpolitiker und Interessenvertreter haben sich dem Protest mittlerweile angeschlossen.
Einige Gruppen haben sich mittlerweile mit den Kletterern solidarisiert: Naturschützer, die Fraktion der Grünen, der Tourismusverband und der Österreichische Alpenverein etwa. Es gibt also durchaus starke Stimmen, die sich gegen das Projekt stemmen. Ob das etwas bringt, muss sich noch zeigen. Noch ist keine Entscheidung gefallen, alle Gutachten liegen derzeit bei den Behörden. Aktuell warten alle auf das Urteil der Bezirkshauptmannschaft Schwaz.
Die nächste wichtige Anhörung ist am 24. Januar 2019 angesetzt. "Wir hoffen auf ein klare Entscheidung", sagt Verena Steiner. Was heißt das? "Der Abbau soll untersagt und die Natur geschützt werden. Und der Zillergrund Wald muss dringend in das Kletterkonzept aufgenommen werden. Dann wären die Nutzung als Klettergebiet und der Schutz der Natur gesichert." Wie stehen die Chancen dafür? "Das kann derzeit niemand sagen. Aber wir machen uns große Sorgen, dass die Politik das Thema einfach solange vertagt und verschiebt, bis sie es hinter geschlossenen Türen zu einem späteren Zeitpunkt durchdrücken kann. Das Zittern um das Gebiet könnte sich in diesem Fall noch sehr, sehr lange hinziehen", so Steiner.
Was kannst Du tun, um das Gebiet zu retten?@(zwischenHeadlineTag)>
Unterschreib die Petition. Bis zum 24. Januar 2019 müssen so viele Unterschriften wir möglich zusammenkommen. Dann nämlich findet eine wichtige Anhörung im Gemeinderat statt. Verena Steiner darf ihr Anliegen dort vorstellen und mit Anna Stöhr und Gerhard Hörhager zwei Unterstützer mitnehmen.
Bei den Stonemonkeys Zillertal könnt ihr euch über den aktuellen Stand der Dinge informieren. Wenn es Demonstrationen oder andere Aktionen vor Ort gibt, erfahrt ihr dort davon.
Ob Klettern, Skitouren, Bergsteigen oder Wandern, Nina ist, wie die anderen drei Macher des Blogs - Elmar, Simon und Lisa -, verliebt ins Vertikale und veröffentlicht auf ihrer Seite www.hochmut.de alles, was "Berg-Normalos wie wir", deren Leidenschaft dicker ist als der Bizeps und die keine Lust auf Selbstdarstellerei haben, gerne lese. Dabei kommt auch der Humor nicht zu kurz.
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