Sebastian Nachbar bei der Arbeit

Arbeiten am Berg: Rundfunkmacher

Der Wahl-Chiemgauer Sebastian Nachbar lebt und liebt die Berge. Als Journalist ist er unglaublich dankbar für das „Privileg, dass ich auch beruflich am Berg unterwegs sein darf.“ ALPIN hat ihn bei der Arbeit im BR-Funkhaus in München getroffen und ein Stück begleitet.

Pssst, Aufnahme! Konzentriertes Einsprechen von Texten.
© ALPIN - Andreas E rkens

Arbeiten am Berg: Journalist und Rundfunkmacher Sebastian Nachbar

Aus den Boxen tönt dramatische Musik. Im Hintergrund hört man Schritte über ­Geröll, der Sprecher sagt: „Es ist der 30.6.1970. Reinhold Messner irrt seit drei Tagen den Nanga Parbat runter …“ Der Sprecher heißt Sebastian Nachbar und was man hier hört – im Aufnahme­studio des Bayerischen Rundfunks, ist Teil des neuen BR-Podcasts ­„Messner – ein extremes Leben“.

Nachbar blickt auf den Bildschirm mit dem Schnitt-Programm und der offenen Datei der dritten Folge. Er erklärt: „Insgesamt gibt es vier Folgen. Alle sind so aufwendig produziert wie ein Hörspiel.“ Nachbar ergänzt: „So viele Spuren haben unsere Podcasts sonst nicht.“ Kein Wunder – schließlich geht es hier nicht um irgendwas, sondern um eine Produktion zum 80. Geburtstag des wohl berühmtesten Bergsteigers der Welt. Und des wohl streitbarsten. „An Konzeption und Umsetzung habe ich ein halbes Jahr gefeilt“, sagt der Hörfunkmacher mit einem Hauch Stolz.

Ein guter Erzähler

Als Redakteur beim Bayerischen Rundfunk in der Redaktion Bayern und Berge erzählt Nachbar von Berufs wegen gerne Geschichten. Interessante Geschichten. Aus den Bergen und über sie. Geschichten von Menschen und ihrer Leidenschaft. Und auch solche Geschichten, die der ein oder die andere vielleicht lieber nicht hören möchte. „Journalismus besteht manchmal auch darin, Konflikte auszutragen und sie auszuhalten“, findet Nachbar. Er ist ­kritisch und schaut genau hin. Das macht für ihn gute Journalisten aus. Und eben gute Geschichten. Ihm ist klar: Dass er für seine Messner-Podcast-Idee so viel Zeit und Ressourcen hatte, ist nicht selbstverständlich. Denn „wir sind eine kleine Redaktion.“ Unter der Leitung von Julia Zöller gibt es neben ihm noch eine weitere Redakteurin für den Bereich Berge und einen Redakteur für ­Bayern-Themen. Zahlreiche freie Mitarbeiter helfen bei redaktionellen Diensten: Sendebetrieb, Chef vom Dienst, Moderation und Produktion.

<p>Nachbar bespricht die Inhalte für die kommende Sendung des Rucksack­radios mit Reporterin Barbara Weiß und Moderatorin Andrea Zinnecker (r.)</p>

Nachbar bespricht die Inhalte für die kommende Sendung des Rucksack­radios mit Reporterin Barbara Weiß und Moderatorin Andrea Zinnecker (r.)

© ALPIN - Andreas Erkens

Für die Erstellung der eigenen Formate wie dem „Rucksackradio“ (Bayern 2, samstags 6 – 8 Uhr) oder der aktuellen Strecke „BR24 für Bergsteiger“, die auch als Podcast erscheint, gibt es einen Dienstplan. „Aus dem war ich für den Zeitraum der Konzeption und Produktion des Podcasts gestrichen“, erklärt Nachbar. Julia Zöller und ihr Team müssen sich also sehr genau überlegen, wo und wie sie ihre Ressourcen einsetzen. Und ob, beziehungsweise wie Zusatz-­Projekte wie jener Messner-­Podcast realisiert werden. Denn neben den eigenen Sendeformaten liefert das Team Hintergrund und Einordnung für Bergthemen in die gesamte ARD. „Der Bayerische Rundfunk unterhält als einzige Anstalt der ARD eine Redaktion für Berg­themen“, weiß Nachbar. Auch „die Bergfreundinnen wohnen bei uns“, fährt er fort. Er meint den gleichnamigen ­Podcast. „Mittlerweile sind wir mit der Marke in den sozialen Medien sehr aktiv und im Video-Bereich. Zudem spielen wir Inhalte ­daraus ins lineare Fernsehprogramm.“

RUCKSACKRADIO

  • Das Rucksackradio, das Generationen von Bergsteigern samstagmorgens beim Weg ins Gebirge begleitet hat, ist so etwas wie das Urgestein des Hörfunks – zumindest was Bayern betrifft. Denn es ist älter als der BR und lief (unter anderem Namen) bereits auf Radio München, dem Nachkriegs-Sender der US-amerikanischen Militärregierung. Mittlerweile ist die Sendung, die in den Anfängen von Bruno Erath und später von Ernst Vogt geleitet und moderiert wurde, bei Bayern 2 zu Hause. Geblieben sind die Themen und der Stamm-Sendeplatz am Samstagmorgen um 6 Uhr. br.de/berge

<p>Das Rucksackradio gab es schon vor Gründung des BR unter anderem Namen auf Radio München.</p>

Das Rucksackradio gab es schon vor Gründung des BR unter anderem Namen auf Radio München.

© ALPIN - Andreas Erkens

Alles anders als Früher

Im Verhältnis zu seinen Vorgängern in der Redaktion hat sich die inhaltliche Arbeit zwar einerseits nicht geändert, denn der Auftrag des BR als beitragsfinanzierter öffentlich-rechtlicher Sender sei immer noch der, „alle gesellschaftlich relevanten Schichten anzusprechen“, so Nachbar. Anders sind heute aber die Ausspielwege im Vergleich zu vor zwanzig Jahren. Und damit auch die Ansprache des ­Publikums, das Publikum selbst sowie die Formate.

Der Spaß an der Sache

Neben dem linearen Hörfunk spielen die digitalen Ausspielformen wie Podcasts und soziale Medien eine immer größere Rolle. „Mehr als 50 Prozent meiner Arbeitszeit gehen auch im Normalbetrieb ins Digitale“, sagt der 43-Jährige. Und das mache es für ihn auch so spannend. Die jeweils erreichten Zielgruppen seien ganz unterschiedlich: von der weiblichen Community bei den Bergfreundinnen, „wo wir junge Frauen empowern können, was ich total wichtig und cool finde, und wo in den sozialen Medien ein wohlwollender, bereichernder und direkter Austausch entsteht“, bis hin zu den traditionellen älteren Stammhörern des Rucksackradios. 

BERGE IM BR

  • Die Redaktion Bayern und Berge des BR unter der Leitung von Julia Zöller produziert weitaus mehr als das Rucksackradio (s. Kasten oben). Es liefert Hintergründe und Berg-Themen für die gesamte ARD. Zudem arbeitet es täglich eng zusammen mit Bergauf Bergab, dem bekanntesten Berge-­Produkt des BR. Außerdem entstehen Blogs, Inhalte für soziale Medien und Podcasts. Der neueste ist ein Podcast zu Reinhold Messners 80. Geburtstag. Ann-Kathrin Wetter und ­Sebastian Nachbar erzählen darin vom Aufstieg des streitbaren Helden und seinem Leben als alpiner Superstar. Sie zeigen aber auch Konflikte in der Familie und seltene Seiten von Reinhold Messner.

  • Hier geht‘s zum neuen Podcast „Messner – ein extremes Leben“: alpin.de/messnerbr

<p>Teil von Nachbars Arbeit als Redakteur: Interviews mit prominenten Alpinisten wie Reinhold Messner.</p>

Teil von Nachbars Arbeit als Redakteur: Interviews mit prominenten Alpinisten wie Reinhold Messner.

© Archiv Nachbar

Nachbar liebt seinen Beruf „weil er so abwechslungsreich ist – nicht nur in den Zielgruppen, auch in den Zeithorizonten und Themen.“ Die ­Redaktion arbeitet einerseits tagesaktuell, andererseits aber auch semiaktuell und langfristig strategisch. Als Redakteur hat Nachbar hier neben dem Alltagsbetrieb mit ein Auge auf Planung und inhaltliche Weiterentwicklung. Obendrein ist das Team auch mit Hörerinnen und Hörern unterwegs oder auf Events im Einsatz. „So viele verschiedene Tätigkeiten zu haben, ist schon mega-cool“, summiert der Familienvater zweier Töchter und freut sich: „Nirgendwo sonst wird ein Thema über alle Ressorts hinweggezogen. Berge findet man in Wirtschaft, Politik, Kultur, Lokalem, Spitzensport – das ist einzigartig.“

<p>Besprechung im Aufnahme­studio zur ­Produktion des Messner-Podcasts.</p>

Besprechung im Aufnahme­studio zur ­Produktion des Messner-Podcasts.

© ALPIN - Andreas Erkens

Selbst aktiv am Berg

Natürlich sei es eine wichtige Grundlage für den Beruf, dass die Redaktion selbst aktiv in die Berge gehe. „Alle hier haben ihre eigenen Bergprofile, ihre Nische, was sie gerne machen,“ verrät der aktive Berg­retter, der ehrenamtlich auch als Einsatzleiter in Ruhpolding arbeitet. Für ihn sei es immer wichtig gewesen, in die Berge zu gehen: Bergsteigen, Klettern und Skitouren­gehen waren und sind seine ­Leidenschaft. „Ich hatte einfach immer Bock darauf. Und dann stellt man sich natürlich die Frage, ob man Beruf und Hobby verbinden kann.“ ­Empfehlen, sagt Nachbar, könne er das jetzt nicht jedem. Denn es sei auch nicht immer so, wie man es sich vorstelle. „Aber für mich war irgendwann klar: Mein Fachbereich im Journalismus werden die Berge.“

<p>Bergsport ist Sebastian Nachbars Leidenschaft. Gern geht er zum Klettern oder auf Skitour – hier 2017 im Chiemgau für ALPIN.</p>

Bergsport ist Sebastian Nachbars Leidenschaft. Gern geht er zum Klettern oder auf Skitour – hier 2017 im Chiemgau für ALPIN.

© ALPIN - Andreas Erkens

Wie wird man Rundfunkredakteur?

Indem man ein Aufnahmegerät, eine Kamera oder einen Block in die Hand nimmt und loslegt! Einen geregelten Zugang in den Beruf gibt es nämlich nicht. Aber viele Ausbildungen oder Studiengänge ermöglichen den Einstieg. Nachbar lernte sein Handwerk in der Deutschen Journalistenschule in München, arbeitete später als freier Mitarbeiter, auch für ALPIN, produzierte Reportagen und Beiträge. So kam er schließlich zum BR – zunächst für den Jugendbereich PULS, später für Bayern 2, wo er blieb. Sein Beispiel zeigt: Wenn man will, führen alle Wege in die Berge …

Und jetzt, pssst, Ruhe bitte: Aufnahme!

<p>Aufnahmestudio beim BR</p>

Aufnahmestudio beim BR

© ALPIN - Andreas Erkens

Text von Andreas Erkens

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