Michi, ihr habt den Gipfel des Jirishanca nicht erreicht. Wurmt dich das heute noch?
Michi Wohlleben: Heute nicht mehr. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, hat mich das Scheitern schon einige Wochen beschäftigt und auch geärgert. Der ganze Aufwand, den man betreibt, das macht einem schon auch zu schaffen, wenn der Erfolg dann ausbleibt. Ein bisschen frustriert muss man dann schon sein.
Du hast das Wort "Scheitern" verwendet. Klingt reichlich negativ.
Michi Wohlleben: Natürlich muss man bei so einer Unternehmung auch einplanen, dass es unter Umständen nicht klappt. Aber man setzt sich als Bergsteiger eben ein Ziel und will es dann auch erreichen. Obwohl wir es bis in eine Höhe von ca. 6.000 Metern geschafft hatten, die Wand eigentlich schon hinter uns lag, uns nur noch ein Firngrat vom Gipfel trennte, mussten wir umkehren. Lieber wäre ich natürlich ganz oben gestanden.
Sicherheit geht vor.
Michi Wohlleben: Absolut. Im Grunde genommen ist eine Expedition ja erst dann gescheitert, wenn sich einer aus dem Team schwer verletzt oder im schlimmsten Fall gar nicht mehr nach Hause kommt. Wie im aktuellen Fall am Broad Peak, wo nach der ersten erfolgreichen Winterbesteigung des Gipfels zwei polnische Bergsteiger im Abstieg verschollen sind. Da hilft dir auch kein Gipfel, wenn du nicht mehr heimkommst.
Wie fühlt sich das heute an, wenn du den Film zu deiner Expedition siehst?
Michi Wohlleben: Gut fühlt sich das an. Sehr sogar. Wir hatten ja auch eine gute Zeit dort. Das Team hat toll funktioniert. Aber es war schon auch krass. Ich war sehr froh wieder heil unten angekommen zu sein. Aber wenn ich jetzt die tollen Bilder sehe, stelle ich fest, dass mich dieser Berg und die Route immer noch faszinieren. Ich kann mir durchaus vorstellen, es noch einmal am Jirishanca zu versuchen. Wir sind ja jetzt um einige Erfahrungen reicher. Das wäre beim zweiten Versuch sicher ein Vorteil. Wenn ich ehrlich bin, bin ich bereits voll motiviert es noch einmal anzupacken.
Auf deiner Facebook Seite konnte ich sehen, dass du im Anschluss an die Expedition auch gleich wieder ziemlich aktiv warst. Seoul, Sizilien, Patagonien...
Michi Wohlleben: In Seoul war ich zur Salewa Rock Show, in Sizilien ist mir eine tolle Route (Hysterix 8a+ / 200m) in freier Kletterei gelungen. Das war gut. Patagonien danach verlief auch nicht wirklich rund. Da haben wir auch unser Lehrgeld bezahlt. Also dicke Erfolge konnte ich nicht einfahren in letzter Zeit. Richtig zufrieden kann ich damit nicht sein.
Spürst du mit deinen 22 Jahren schon Druck von den Sponsoren? Oder machst du dir den selbst bzw. erwartest du viel von dir selbst?
Michi Wohlleben: Ich spüre überhaupt keinen Druck von Sponsorenseite. Ich definiere meine Projekte selbst. Ich persönlich mache mir eigentlich auch keinen Druck. Ich habe eher Lust auf diese Projekte. Und wenn ich in Patagonien bin und mein Ziel der Gipfel des Cerro Torre ist, dann will ich da auch hoch. Das ist doch klar.
Medial lässt sich das Scheitern aber offensichtlich auch ganz gut aufbereiten. Der schöne Film zur Jirishanca Expedition beweist das.
Michi Wohlleben: Der Mensch ist an Misserfolgen durchaus auch interessiert, nicht nur an Erfolgsgeschichten. Man muss das Scheitern nur richtig aufbereiten. Aber klar ist auch: Ich gehe nicht in die Berge, um mediale Aufmerksamkeit zu erzeugen. Ich will in erster Linie meiner Leidenschaft nachgehen.
Interview: Johanna Stöckl
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