"Eine Berghütte ist kein Hotel"

Zu viele Insta-Touris: Hüttenwirtin in der Schweiz gibt auf

Sie hat keine Kraft mehr: Claudia Freitag, Wirtin der Muttseehütte, gibt zum Saisonende auf. Zu hohe Forderungen der Gäste, mangelhafte Ausrüstung und deren Suche nach dem perfekten Insta-Foto nahmen ihr dem Spaß am Bergberuf. Der SAC wird deshalb für die Saison 2025 neue Hüttenwirte suchen müssen.

Noch-Hüttenwirtin Claudia Freitag. 
© Facebook/Muttseehütte SAC

Zu viele Insta-Touris: Hüttenwirtin in der Schweiz gibt auf

An sieben Tagen die Woche arbeitet Claudia Freitag derzeit rund 15 Stunden. "Viel Energie, die ich nicht wieder zurückholen kann", sagte die Hüttenwirtin in einem Beitrag der "Glarner Nachrichten". Deshalb gibt sie zum Saisonende die Pacht des beliebten Stützpunkts in den Glarner Alpen ab. Einer der Gründe, weshalb sich die Wirtin für das Ende ihres Engagements entschied, sind die zahlreichen "Insta-Touris".

Der hüttennahe Limmerensee zieht immer mehr wenig bergaffines Publikum an, das den Weg mit der nahegelegenen Seilbahn abkürzt. Mangelhafte Ausrüstung, schlechtes Schuhwerk und das Fehlen von Verständnis und Respekt für Hüttenbetrieb und Natur erschweren den Betrieb seit Jahren. Dem stimmt auch der SAC, Eigentümer des Schutzhauses zu. Gerade leicht per Seilbahn erreichbare Stützpunkte sind zunehmend mit Gästen konfrontiert, die die Erwartungen aus dem Tal ins Hochalpine mitbringen.

"Viele von ihnen erwarten, dass es A-la-carte-Menus am Abend gibt, Doppelzimmer mit täglichem Wechsel der Bettwäsche, eine Dusche und öffentliches WLAN", zitiert blick.ch Bruno Lüthi, den SAC-Fachleiter Hüttenbetrieb. Der Wunsch des alpinen Vereins sei es, dass sich die Gäste an die Infrastruktur und fehlende Ressourcen in den Bergen anpassen und nicht umgekehrt. "SAC-Hütten sind keine Berghotels", bezieht Lüthi klar Stellung.

No Shows, Abfälle und fehlendes Verständnis

Dieser Ansatz treffe jedoch nicht bei allen Gästen auf Verständnis, betont auch Freitag. Zunehmend habe sie sich wegen bestimmter Speisen, Wasser sparen etc. rechtfertigen müssen. Hinzu kommt die Belastung durch viele "No Shows", wo Übernachtungsgäste einfach nicht erscheinen. Das ist für alle Beteiligten ein Ärgernis, da es die Planung weiter erschwert. Um die Angestellten zu entlasten und Übernachtungsgäste ausreichend versorgen zu können, beschlossen Freitag und ihr Team, warme Küche für Tagesgäste nur bis 16 Uhr anzubieten. 

Ein weiteres, sich ewig wiederholendes Thema sind zurückgelassene Abfälle. Diese müssen kostenaufwendig per Heli ins Tal geflogen werden. Dennoch nehmen nicht alle Besucher ihre Hinterlassenschaften mit zurück. Einheimische Gäste, die oftmals Verständnis für das Leben und die Verhältnisse am Berg haben, bleiben den gut erreichbaren Hütten zunehmend fern, schildern Wirtin und SAC. Kein Wunder: Bis zu zwei Stunden Wartezeit musste man zuletzt an der Seilbahn einplanen. 

Aus diesen Gründen entschied sich Claudia Freitag zur Auflösung des Pachtvertrags zum Saisonende mit dem Ziel, sich erst einmal zu erholen. 

Mit diesem Hüttenknigge seid ihr auf der sicheren Seite:

43 Kommentare

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Flunni

"Du startest klein... und machst Fehlern aus denen du lernst." So war das einmal...

Heute bekommt man für alles so viel Erleichterung, dass in Vergessenheit gerät, was die Anfänge für Kraft gekostet haben.

Ich wünsche den folgenden Generationen mehr Zeit in der Reality ohne Smart- phone, Watch, Home und Car... das echte Leben erfordert eigenes Denken. Dann kommt der Respekt zurück.

Ich verstehe die Wirtin.

Herlinde

Ich verstehe die Wirtin voll und ganz. Natürlich hat jeder das Recht, in die Berge zu gehen - aber bitte nicht in Flip-Flops und mangelhafter Ausrüstung!! Wer sich immer nur auf sein Recht bezieht, sollte auch bedenken, dass es auch PFLICHTEN gibt. Und wenn ich mit meinem Verhalten die Umwelt und Natur schädige, wenn ich womöglich auch andere ( zB Bergretter) in Lebensgefahr bringe, hört sich für mich der Spaß auf!

Stemi

Die Geister die ich rief...

Timo

Ein gesundschrumpfen der alpinen Infrastruktur würde allen Beteiligten ein Stück weit gut tun. Einserseits braucht es eine gewisse Infrastruktur (Wegen, Hütten, Seilbahnen) um einen gelenkten und damit naturverträglicheren Tourismus in den Alpen zu ermöglichen. Andererseits braucht es z.B. nicht auf jeden 3000er einen markierten Trampelpfad . Ein Rückbau der meisten Hütten auf Schutzkategorie I würde das falsche Publikum automatisch aussortieren und neue Besucher auch viel stärker sensibilisieren. Aber gerade an der heiligen Cash Cow "Alpenvereinshütte" sieht man auch, wer hier die Geister gerufen hat. Der Kreis wird sich vermutlich erst schließen, wenn der erste Brauereikonzern einen der Alpenvereine aufkauft und dann zusammen mit SANIFAIR die Hütten betreibt.

Uwe Eichfelder

Jedermannsrecht (*frau)
Die Situation der Wirtin verstehe ich voll und ganz. Als Gastronom plant und kalkuliert man seinen Betrieb. Für Gäste braucht es Verpflegung, die muss in ausreichender Menge gekauft und hinaufgeflogen werden, der Müll muss wieder hinunter geflogen werden. Ein Flug ist teuer, nicht immer möglich, verursacht Lärm und CO2. Verdorbene Lebensmittel wieder hinunterfliegen ist eine Katastrophe für die Wirtin, vor allem, wenn ein Teil durch No Shows entstanden ist.
Aber das Geschehen hat sich nunmal so entwickelt. Früher las man Bücher, Magazine, geschrieben von Menschen, die sich damit auskannten. Nachahmer waren Bergsteiger und solche, die es werden wollten.
Heute sind es Facebook, Instagram, TicToc und so weiter, ein Algorithmus zeigt den Nutzern die Bilder ohne weitere Infos, es lässt sich leicht googeln und per Seilbahn nacherleben und auch ein Foto machen und veröffentlichen um Likes zu erhalten.
Das versteht der Bergsteiger nicht, wie es eben anders herum der selbsternannte Influencer nicht versteht, warum man nicht die Seilbahn nimmt, das Glutenhaltige Essen und den Laktoseverseuchten Filterkaffee akzeptiert um in muffeligen Betten auf ungeheizten Mehrbettzimmern mit fremden eine unruhige Nacht ohne WLAN zu verbringen. Das muss doch besser gehen!
Aber, das ganze wurde mal angefangen mit der Schutzhütte. Die wurde ausgebaut, modernisiert, besser erschlossen, man kann online reservieren, es gibt Strom auf der Hütte zum Laden der Elektronik. Man kommt mit dem Rad hin, besser noch eMTB, eine Seilbahn steht in unmittelbarer Nähe. Das Thema Berg ist grad voll angesagt und das wird überall so kommuniziert und zieht immer mehr nach sich. Das ist noch lange nicht das Maximum, irgendwann wirds dann zu viel. Wann das so ist, empfindet jeder anders. Der Anwohner im Tal, der Hüttenwirt, die Tier- und Pflanzenwelt, der um Likes konkurrierende Instagramer.
Aber, wer in aller Welt unterscheidet zwischen dem der das „Recht“ hat auf eine Hütte zu gehen und wer nicht? Ab wann bin ich ein Bergsteiger und bis wann nicht? Hab ich nicht auch mal als Unwissender angefangen, mit Turnschuhen was hochgekraxelt, ein Bild von einem Gipfelkreuz gemacht und anderen ungefragt gezeigt?
Es ist leicht, auf andere zu zeigen, schwer dagegen, das Erlebte für sich zu behalten.
Ich hab meine Taktik für die Berge, passe sie mit der Zeit an und bewerte oder verurteile niemanden, der am Berg wie auch immer unterwegs ist. Ich helfe gern, geb Ratschlag wenn gewünscht und manchmal fotografiere ich auch, wenn nett gefragt wird.
Hüttenreservierungen sollte Geld kosten bei Buchung und immer eine Storno Gebühr beinhalten. Siehe Hörnlihütte als Beispiel. Auf diese Art wären auch an Wochenenden wieder Betten im Matratzenlager zu haben, das wäre mal was.
Und wer seinen Müll nicht wieder ins Tal zurück bringt oder gar in der Natur liegen lässt, ist ein Schwein und wird von mir auch direkt so angesprochen, denn da hörts auch bei mir auf.

Aschi

Die beste methode ist voraus bezahlung Dann spielt es eine rolle ob sie kommen oder nicht twint geht am schnellsten

Majatour

Ich bin sehr oft unterwegs in den Bergen und beobachte seit der Coronnakrise die Veränderung im Tourismus und speziell auch in den Alpen. Diese Morphose ist aber ein gesamt gesellschaftliches Problem. Es wird immer weniger Respekt vor der Natur, den Tieren und den Menschen gezeigt. Der vortschreitende Egoismus verlangt vom Gegenüber viel Geduld und Aufopferung. Die Wirtin ist hier ein Exemplarisches Beispiel Die Arroganz von Gästen bzw von Touristen zwingt sie immer mehr zu leisten. Demut gegenüber der Natur und ihren Menschen ist für sehr viele ein Fremdwort.

Wie viele Restaurants,Pensionen usw müssen aufgeben weil Sie die vielen gestiegen Kosten bzw Ansprüche nicht mehr stemmen können.

Wenn jeder seine Ansprüche ein bisschen reduzieren würde wäre die Welt nicht so radikal geworden

Berner Oberländer

Mir sind die Orte am liebsten, bei denen man gutes Schuhwerk, Trittsicherheit >4h wanderzeit, gute Ausdauer benönigt und schlecht oder garnicht über Transportmittel erreichbar sind.

Sobald man sich wirklich anstrengen muss, sind dort auch weniger Touristen mit Turnschuhen, Schiggimiggi-Bekleidung und Selfie-Sticks.

Man trifft an solchen Orten auch eher Leute an, die die Natur respektieren und die kleinsten Dinge wertschätzen (einen Platz zum Sitzen, schutz vor Witterung, ein Plumpsklo, Sonnenevhein bei frischer Bergbriese).

Gleichgesinnter

Ihr habt alle keine Ahnung wie es ist Kleinunternehmer zu sein.
Seit der Pandemie stimmt etwas mit den Leuten nicht mehr und der Anstand fehlt komplett. Alle sind nur noch unzufrieden und haben absurde Erwartungen. Aber selber können sie gar nichts ausser Atemluft verschwenden. Weil Sie alles zu Tode diskutieren müssen und im Internet nachlesen müssen weil sie gar keine eigene Meinung haben. Das einzige was dir Leute im Kopf haben sind Soziale Medien und den ganzen Zusammenhängenden Blödsinn. Darum verzichtet auf Insta etc. und tut der Welt was gutes.

Aber ihr wisst ja sowieso alles und noch besser.

Andy Y

Genau ?? Alles verständlich...Aber es gibt die nunmal und es sollte doch egal sein ob ich in Turnschuhen komme oder nicht...Hmmh irgendwie sollte es doch möglich sein den Unterschied einer Berghütte zu einem Hotel zu kommunizieren? So nach dem Motto: Bitte denkt dran hier ist nix, nicht mal Essen nach 18.00 Uhr.....? Ich mag Berge, muss aber sagen das jeder doch irgendwie das Recht hat, sich zu tummeln oder? Oder dürfen das nur Leute die der Berg ruft? Und wie andere schon schreiben: Wenn da ne Seilbahn ist kommen halt Leute...Ist ja erstmal gut da das ja auch finanziell wichtig ist...Wenn da nur 3 Leute am Tag fahren lohnt es sich ja nicht...Und nicht jeder versteht wie kalt es werden kann...Man kann ja draus lernen...Hmmh schwieriges Thema, vor allem da es immer mehr Touristen, Instagram Halbnackt toll aussehen vor Bergen gibt. Aber die haben doch dasselbe Recht da zu sein? Oder nicht? Das es schwer ist glaube ich, das sagt halt viel über die Erwartungen und Nachhaltigkeit aus...Schade aber zu erwarten.

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