Stefan Glowacz' Meinung zum Einbohren von Routen@(zwischenHeadlineTag)>
"Die führenden Kletterer der Welt sind ständig auf der Suche danach, wie der Klettersport noch fairer, ehrlicher und die Sportlichkeit weiterentwickelt werden kann." Mit diesen Worten eröffnet Stefan Glowacz eine Diskussion um ungeschriebene Gesetze des Kletterns. Der Post traf in den sozialen Medien einen Nerv: Sowohl auf Facebook als auch Instagram kommentieren und Liken zahlreiche Kletterer das Gesagte.
Seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten stehen sich im Klettersport hinsichtich Ethik, Kommunikation und Stil unterschiedliche Positionen und Lager in teils hitziger Debatte gegenüber. Die Verwendung von Bohrhaken und der Einsatz von Kneepads oder Clipsticks sind nur einige Stichwörter, zu denen Expertinnen und Experten, oder solche die es sein wollen, meist eine dezidierte Meinung haben. Am freien Fels sind es die "Gentlemen's Agreements", wie Glowacz sie nennt, die einen sauberen Stil definieren.
Ohne sie "würde es keinen sportlichen Vergleich und Weiterentwicklung im Klettersport geben", bringt es Profi Glowacz auf den Punkt. "Bei Routen im alpinen Bereich, die in der Regel mehrere Seillängen aufweisen ist es Usus, dass diese im Vorstieg erstbegangen werden. Dadurch definiert sich die sportliche Herausforderung für die Erstbegeher und so erhalten diese Mehrseillängen Routen ihren Charakter", führt er weiter aus.
Kritik am Bohren von oben am Riffelkopf@(zwischenHeadlineTag)>
Konkret richtet sich Glowacz' Empörung gegen das Erschließen einer Neutour am Riffelkopf (zunächst schrieb er fälschlicherweise "Schwarze Wand" im Höllental, wo er ein eigenes Langzeitprojekt hat) durch Dörte Pietron und Daniel Gebel. Beide sind erfahrene Alpinisten: Pietron ist Leiterin des weiblichen DAV-Expeditionskader, Gebel arbeitet als Entwickler beim Hersteller Edelrid.
Die erfahrenen Alpinisten haben "eine Route komplett von oben eingebohrt, während führende Erschließer wie Nico Favresse, eine aufwändige Grönlandexpedition abbricht, weil er eine 40-Meter-Platte an einer Big Wall nicht im Vorstieg ohne Bohrhaken bezwingen kann", kritisiert Glowacz. Sie seien als Vorbilder junger Alpinisten in der Verantwortung, auf einen solchen "Stilbruch" im Zugspitzgebiet zu verzichten:
"In meinen Augen ist mit dem Einbohren von oben in alpinen Routen eine Grenze überschritten, die das gesamte Gebilde der ungeschriebenen Regeln im Klettersport ins Wanken bringt und ich meinen Mund deshalb nicht halten kann", wettert Glowacz gegen das Duo, das der Route den Namen "Profiempörer" gab und dabei vielleicht die Reaktion Glowacz bewusst vorwegnahm.
Reaktionen aus der Szene @(zwischenHeadlineTag)>
Unter Glowacz' Posts auf Instagram und Facebook meldeten sich neben zahlreichen Laien auch viele Bergführer und "Bergprominente" zu Wort. Während Michi Wohlleben nur mit "Noooo way…" kommentiert, verfassen andere ganze Manifeste. Das Südtiroler Kletterurgestein Christoph Hainz etwa schreibt: "Es handelt sich hier ja nicht um eine 500 oder 1000 m Wand, sondern um eine 300 m Wand. So eine Wand von oben Einzubohren finde ich einfach beschämend und in meinen Augen reine Faulheit von den Erstbegehern."
Nicht alle sind dabei mit Glowacz' Standpunkt einverstanden. Ein User schreibt etwa: "Meiner Meinung nach wird das hier zu eng gesehen, fast schon ideologisch. Warum sollte man hier allen Kletterern Vorschriften machen und sie in ein Korsett pressen, welches sicher vielen, aber eben nicht allen passt." Ein weiterer schreibt: "Bei allem Respekt, das kann man gut oder schlecht finden - in Wirklichkeit bleibt es dem/der Erstbegeher.in überlassen welcher Stil gewählt wird."
Das sagen Dörte Pietron und Daniel Gebel@(zwischenHeadlineTag)>
Gegenüber Lacrux legten die beiden "Beschuldigten", Dörte Pietron und Daniel Gebel, den Grund für ihre Entscheidung dar:
"Wir wollten die optimale Linie mit möglichst homogenen Schwierigkeiten finden. Nicht zuletzt wollten wir auch mal die Erfahrung machen, so eine Tour von oben einzurichten, um die Hypothese zu prüfen, dass man so ein besseres Ergebnis erzielt. Wir haben für uns festgestellt – das Erschliessen von unten ist mehr Spass, mehr Abenteuer für die Erstbegeher ist. Das allein wäre aber eine sehr egoistische Betrachtung", zitiert das Portal die beiden Kletterer.
Den beiden gehe es nicht um den "Ego-Moment" des perfekten Stils, sondern um das beste Endergebnis:
"Uns geht es weniger darum, ob von oben oder von unten, sondern eher um den Paradigmenwechsel klientelorientierte Routen, Verpflichtung gegenüber den Wiederholern, schonender Umgang mit der Ressource, perfektes Hakenmaterial vs. der Erstbegeher hat jedes Recht an seiner Linie, der heroische Akt der Erstbesteigung von unten, je tödlicher desto mehr Ruhm …", argumentieren Pietron und Gebel.
Einschätzung von ALPIN-Testchef und Bergführer Olaf Perwitzschky@(zwischenHeadlineTag)>
Aus dem ALPIN-Team ist Bergführer und ALPIN-Testchef Olaf Perwitzschky der Experte für alpines Klettern und stilistische Fragen hierzu. Seine Einschätzung:
"Ehrlichkeit und Fairness sind im Klettersport die Basics. Stimmt hier schon etwas nicht, braucht man über Technik nicht mehr zu sprechen. Das Ziel einer sauber eingerichteten Route sollte immer sein, sie von unten einzubohren. Ist das (warum auch immer) nicht möglich, sollten die betreffenden Kletterer die Gründe für ihre Entscheidung klar kommunizieren. Das gibt die Möglichkeit zur Reaktion der Community vor Ort oder online. Die Akteure sollte sich im Idealfall untereinander kurzschließen um unterschiedliche Vorstellungen oder Ansätze zu diskutieren."
Mehr über Stefan Glowacz lest ihr in unserer Bildergalerie:
Uns interessiert eure Meinung@(zwischenHeadlineTag)>
Empört sich Stefan Glowacz zu Recht? Oder ist er (wie er selbst fragt) "einfach nur Old School und müsste sich "mal etwas locker machen"? Schreibt uns eure Meinung!
Übrigens: Zwischenzeitlich bedankte sich der Kletterer per Reel für die rege und faire Diskussion, um die wir auch auf unseren Kanälen bitten.
9 Kommentare
Kommentar schreibenViele Kletterprofis wie Glowacz oder auch Messner können sich eine elitäre Haltung leisten. Wichtig ist dass die Route optimal eingerichtet ist. Stil ist nur wichtig in Prestigeprojekten im Wettbewerb unter den besten.
Eine Tour habe ich von oben eingebohrt ( Royal Flash- Lachfeldkopf Zustieg von unten sehr beschwerlich ) ich schäme mich dafür sehr sehr sehr !!!!!
Und alle Erschließer sollen sich auch schämen für Ihre unehrenhaften Erschließungen von oben .
Da gehört kein Mut dazu !!!
Das ist nur ein sehr unsportliches Verhalten .
Schämt IHR euch nicht !!!
Wir , meine Kletterfreunde und sitzen gerade zusammen auf ein Bier und schmunzeln
Die Aussage ist klar ! Einfach Weicheier die sich
nicht akzeptables Denkmal setzen wollen . Vergleichbar 8000er mit Flaschensauerstoff oder Tour de France mit Ebike .
Warmduscher bleibt bei euren Leisten ! Wennst koane Eier habt !!!!!
Eieiei.
Wie gut, dass es jemanden gibt, der vom Olymp aufpasst, dass die guten alten Werte nicht verletzt werden.
Nicht auszudenken, was passieren könnte:ä.Eine Auswahl: Dass jemand Erstbegehung mit Einrichtung verwechselt, am Ende eine schönere Linie entsteht, Klettern weniger elitär ist..
Ich werde den Eindruck nicht los, dass bei dieser Wortmeldung wieder einmal der egoistische und elitäre Subtext die eigentliche Botschaft ist.
Typisch Stefan könnte man jetzt sagen. Und hätte vermutlich recht.
Diese Diskussion halte ich für angemessen und wichtig. Für mich gibt es eine Kletterethik und Schlagwörter wie „Clean climbing“ sind für mich bedeutungsvoll auch wenn sie aus kommerziellen Gründen auch (miss-) gebraucht werden. Für mich beginnt der Aufbruch grundsätzlich von unten und die zwei Protagonisten klettern auf einem Niveau wo sie eine Begehung von oben eigentlich gar nicht nötig hätten. Aber die Diskussion müsste beim „bohren“ eigentlich fortgesetzt werden aber auch in der Kletterszene lösen sich meiner Meinung nach Werte auf bzw. werden neu definiert und das nicht immer zum besseren, leider …
Erstbegehungen von alpinen Routen werden ausschließlich „von unten“ ausgeführt. So steht es in der Tirol Deklaration, wollen wir diese endgültig in die Tonne treten? NEIN. Dass wir in den Klettergärten von oben bohren, hat zumindest in vielen Gebieten zwischenzeitlich Tradition und hier gilt auch der Anspruch, dass eine Route die bestmögliche Anforderungen des Einrichters erfüllt.
Ich persönlich befürworte den Anspruch, eine Mehrseillängentour von unten einzubohren, musste aber auch selbst schonmal so ein Projekt abbrechen weil es lebensgefährlich war. Uns begegneten unverhofft riesige lose Platten und es blieb nur der Rückzug. Ein Jahr später entschieden wir uns, das Projekt nochmal von oben anzugehen und es hat sich zu 1000% gelohnt. Auch von oben her gab es noch genug Gefahren, da die Route in einem der größten Canyons in Mexiko liegt. Wir hatten keinen Telefonempfang und eine Bergrettung gab es auch keine. Uns begegneten Schlangen, Skorpione, Taranteln und riesige Nester wilder Bienen. Das reichte uns. Heute zieht sich eine herrliche 13 Pitch Route durch die Wand.
Finde di Meinung vom Stefan richtig. In einer sich zunehmend unbeständiger Zeit sollten, wenigstens im Bergsport, gewisse Regeln gelten. Diese helfen ein Leistung einordnen und bewerten zu können. Klar, der Zeitgeist sagt, Regeln sind Einschränkungen aber ist das wirklich so? Sollte nicht in manchen Bereichen das jeweilige Können die Grenzen setzen? Vielleicht ist das der richtige Zeitpunkt um sich darüber Gedanken zu machen. In einer sich immer schneller drehender Zeit...
Eine abgehobene Diskussion. Ziel einer Erstbegehung sollte eine schöne und angemessen abgesicherte Route sein. Ob von oben oder von unten interessiert nachher keinen Wiederholer. Und aus der Sicht muss man sagen, dass puristisch von unten gebohrt Routen meist nicht gut sind, mit ihren Runouts und obligatorischen Schlüsselstellen.
Lustig an der ganzen Geschichte ist, dass aus dem Glashaus mit Steinen geworfen wird. Es gibt da jemand, der mal mit dem Hubschrauber nach oben flog und sich zum letzten Highpoint abgeseilt hat. In Farbe und auf Film, leugnen ist zwecklos