Vor dem Hintergund des verheerenden Lawinenwochenendes Anfang Februar 2023, als in Österreich, Italien und der Schweiz durch Lawinen elf Personen getötet wurden, sagte Peter Ladstätter, Chef der Bergrettung Osttirol, in der ORF-Sendung Tirol heute am 23.02.: "Ich fordere, dass bei Lawinenwarnstufe 4 keine Skitouren unternommen werden und keine Varianten gefahren werden. Ganz klar, bei Lawinenwarnstufe 4 steht die Ampel auf Rot und der gesicherte Skiraum ist nicht zu verlassen. [...] Das betrifft in einem Winter ungefähr zwei Prozent der Skitage, also einen Verzicht von zwei bis drei Tagen auf das Skivergnügen im freien Skiraum. Das muss drin sein, ein Leben ist unbezahlbar. Das ist eine Botschaft setzen, die für alle gleich ist."
Differenzierende Meinungen ließen nicht lange auf sich warten. Bergführer befürchten, dass erfahrene Expert:innen durch ein Verbot stark eingeschränkt würden. Bergführer Franz Holzer sagte in dem ORF-Beitrag: "Als Bergführer bist du natürlich zweigeteilt [...] Wenn du eine Rundtour machst, wenn du auf einer Hütte bist und sich in der Nacht alles ändert. Dann musst du aus der Not heraus noch etwas machen."
Skitourenverbot bei Lawinengefahrenstufe 4? Die Position des ÖKAS@(zwischenHeadlineTag)>
Peter Paal, Präsident des Österreichischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit ÖKAS, betont als Reaktion auf den Beitrag in einer Stellungnahme die Eigenverantwortung auf Tour:
"Wichtig ist, dass Menschen, die den ungesicherten alpinen Raum betreten, Wissen über die potenziellen Gefahren haben und damit eigenverantwortlich entscheiden können, welches Risiko für sie akzeptabel ist. Entsprechend sollte die Routenwahl erfolgen. Risikoabschätzung und Wahl des persönlich akzeptablen Risikoniveaus ist Teil unseres Lebens, nicht nur am Berg. Verbote sind in einer aufgeklärten, demokratischen und liberalen Gesellschaft das allerletzte Mittel, um einen großen Schaden für die Bevölkerung zu vermeiden und für den alpinen Raum mit ganz wenigen Ausnahmen nicht zielführend. Sinnvoll und nachhaltig ist die Sensibilisierung und Aufklärung der im alpinen Raum agierenden Menschen."
Der Österreichische Bergrettungsdienst (ÖBRD) sieht von einer Positionierung in der Diskussion ab. Der Verband verweist auf das offiziell bestehende Vorgehen bei Notfällen im alpinen Gelände und betont seine Unterstützung präventiver Maßnahmen, z. B. der Bergrettung und alpiner Vereine. "Als Organisation wird aber davon Abstand genommen, Forderungen für rechtliche Änderungen zu erheben", so die Pressemitteilung im Wortlaut.
Skitouren bei Lawinengefahrenstufe 4? Mehr Fragen als Antworten@(zwischenHeadlineTag)>
Der ORF-Beitrag greift eine vieldiskutierte Frage auf. Bisher setzten alpine Verbände auf Information und Prävention. Dies reicht der Osttiroler Bergrettung und ihrem Vorsitzenden offensichtlich nicht mehr aus. Allerdings wirft die Forderung Fragen auf: Wäre sie nicht erst dann wirksam, wenn sie nicht "nur" Forderung bliebe, sondern ein tatsächliches "Verbot" nach sich zöge? Aber wäre ein solches Verbot überhaupt rechtlich und in der Praxis umsetzbar? Wie sollte es überwacht und sanktioniert werden? Verändert sich die Versicherungsleistung im Falle einer Rettung bei hoher Gefahrenstufe?
Klar scheint, rechtliche Vorgaben könnten eine Rettung für Tourengeher teuer werden lassen. Denn ein Einsatz mit Rettungskräften und Heli kostet schnell mehrere tausend Euro. Wer wann zahlt und wie der aktuelle Stand in Deutschland ist, haben wir hier für euch zusammengefasst.
Was meint Ihr zu der Forderung eines generellen Verzichts auf Touren im freien Skigelände bei Lawinengefahrenstufe vier? Schreibt es in die Kommentare unter diesen Artikel.
9 Kommentare
Kommentar schreibenIch halte es für angebracht, ab Stufe 4 Skitouren zu verbieten. Wer bei dieser Gefahrenstufe gerettet werden muss, bringt Rettungskräfte mit in Gefahr. Wer bei Stufe 4 unterwegs ist und eine Lawine auslöst, müsste offiziell bestraft werden können!
In einer heute reizüberfluteten, selbstverliebten,nicht eigenverantwortlichen Sportwelt wäre so ein Verbot sicherlich angebracht allein um die Rettungskräfte und auch die durch Lawinen beeinträchtigte Natur, zu schonen. Nur wohin soll dieses Verbot führen? Der Freizeit-Alpenraum ist schon voller Verbote und auch Gebote. Nein für's Verbot
ein Verbot kann man als deren Vorgesetzter durchaus für die organisierte Rettung aussprechen. Das würde den Rettungskräften einen Leitfaden an die Hand geben und ihnen zumindest bei LWS 4 die Entscheidung abnehmen, noch auszurücken obwohl bspw. die Hänge um den Unfallort noch Risiken bergen. Die Wintersportler kann man nur sehr schwer davon überzeugen, nicht rauszugehen, wenn ein 4er ist. Die Alpenvereine, Magazine und Sportartikelhändler /-hersteller tun in den letzten Jahren schon extrem viel, um die Leute gescheit aufzuklären. Ich denke, ein gesetzliches Eingreifen braucht's da nicht mehr. Die meisten werden sich bei solchen Bedingungen ähnlich entscheiden wie ich und die Tourenauswahl stark einschränken, bzw. etwas anderes machen. So ein 4er-Tag lässt sich ja auch gut auf der Piste verbringen, um die Technik für die nächste Skitour zu verfeinern.
Selbstverantwortung sollte man voraussetzen, jedoch zeigen die Statistiken leider ein anderes Bild. Und wegen selbstauslösung, muss nicht mal selbst ausgelöst werden, es kann so schnell gehen wenn die richtigen Faktoren zusammenspielen und man hat keine eigene Schuld daran. Jedoch bei LWS 4 muss ich mir dessen bewusst sein und Lawinenwarndienst und Bergrettung appellieren ja nicht umsonst dass man bei dieser Stufe zuhause bleiben sollte. Wenn ich dann in eine gefahren situation komme und die Rettung brauche bin ich trotzdem selbst schuld, ich weiß es besser. Unwissenheit schützt vor Strafe nicht
Eigenverantwortung ist und bleibt für mich beim Bergsteigen und Skitouren das höchste Gut. Klares Nein zu solch eine Regelung.
Ich persönlich halte gar nichts von Verboten und Bevormundung unter dem fadenscheinigen Deckmantel „Leben retten, koste es was es wolle“. Das Leben ist nun mal gefährlich und endet mit dem Tod. Wo soll das enden? Bei einer Impfpflicht für unfolgsame Freizeitsportler? Eigenverantwortung ist gefragt und gefordert. So nebenbei, was haben Verbote in der Vergangenheit gebracht? Nichtsdestotrotz greife ich mir bei manchen Ereignissen tatsächlich auf den Kopf. Individuelle Entscheidungen, die zu einem Unglück geführt haben, sind nicht immer nachvollziehbar. Aber im Nachhinein ist man immer klüger. Verurteilungen sind hier fehl am Platz. Im übrigen bin ich immer wieder erstaunt, dass gerade das Skitourengehen derart polarisiert. Insbesondere Menschen aus urbanen Räumen fühlen sich sehr angesprochen, obwohl sie das Thema nur aus den Medien kennen. Niemand käme auf die Idee, den Alpinsportlern das Skifahren zu verbieten, obwohl bei dieser Sportart ebenso Tote und Verletzte zu verzeichnen sind. In dieser Saison mussten bereits 13 Tote bei Skiunfällen verzeichnet werden.
Bei einem Lawinen-Vierer können die Rettungskosten dem Opfer egal sein, denn meistens überlebt man den Abgang nicht. Von einem Bergretter habe ich mal gelesen, dass er 9 Tote ausgegraben hat, bevor er den ersten Überlebenden retten konnte. Oder waren es 12 Tote? Ich erinnere mich nicht mehr ganz genau. Und zum Thema Kameradenrettung ist bekannt, dass sie in weniger als einem Drittel der Komplettverschüttungen gelingt. Ein Pauschalverbot kann kaum durchgesetzt werden, das ist klar. Aber die Statistiken zum Thema Lawinensicherheit sind erschütternd und mahnen zur Vorsicht.
Verbote sind Quatsch, kontrollieren kann es eh keiner! Und ganz ehrlich, jeder der schon länger Skitouren geht, weiß, dass es Touren gibt, die Du auch bei einem 4er gutgehen kannst.
In diesem Artikel wird der Bergretter (im Gegensatz zu anderen Artikeln im Netz) korrekt zitiert, er spricht nicht von einem Verbot, sondern letztlich von einem "Gebot". Das ist ein gewaltiger Unterschied. Bei einem Vierer ist es jedem "normalen" Tourengeher geboten, auf irgend lawinengefährliche Unternehmungen zu verzichten. Verbieten aber wird man das nicht können.