Nicht gut ist allerdings die Kombination dieser wunderbaren Fakten mit dem derzeitigen Corona-Lockdown und Reise-Auflagen. Denn damit herrscht Stress in den Bergen – mehr als sonst: Stress für diejenigen, die dort wohnen und regelmäßig "überrollt" werden von den Blechlawinen aus den Großstädten. Stress für die Großstädter, einen der begehrten Parkplätze an den Startpunkten der Touren zu ergattern. Stress für alle, nur ja zeitig zu starten, um noch vor den erwarteten Massen unterwegs sein zu können.
Schon im bzw. sofort nach dem ersten Lockdown im März waren Stimmen in den bayerischen Berg-Landkreisen laut geworden, die am liebsten alle "Auswärtigen" an den Landkreis- und Ortsgrenzen zurückgewiesen hätten. "Wegen Überfüllung geschlossen" hätte man damals schon titeln können.
Der Sommer kam, die Beschränkungen gingen, das Problem schien vertagt. Gelöst aber war es noch längst nicht. Nun im zweiten Lockdown, tritt der Frust der Menschen noch stärker hervor. Ein "Eingesperrt-Sein-Gefühl“ scheint sich breit zu machen. Zu viel Zeit, zu wenig Frischluft, zu viel Frust, zu wenig Freiheit. Die Folgen? "Übersprungshandlungen" nehmen zu, mit denen die Frustration kompensiert werden soll:
Die einen werden zu Wutbürgern und schimpfen gegen die Missachtung ihrer Grundrechte und den Verfall der Demokratie. Andere mutieren zu Hilfs-Sheriffs und wollen Recht und Ordnung am liebsten gleich selbst in die Hand nehmen oder zumindest dozieren und ihre Mitbürger in entsprechenden Kommentaren auf einschlägigen Bergsport-Seiten und –Profilen belehren.
Hatten viele Mitmenschen zu Beginn der Corona-Pandemie noch die Hoffnung, das alles führte vielleicht zu etwas größerer Rücksicht aufeinander, sehen sich die meisten dieser Optimisten heute enttäuscht. Egoismus scheint das Schlagwort des Jahres 2020 zu heißen: "Mir doch egal, was die andern denken, wollen und tun. Ich poche auf mein Recht und mache was ich will."
Meine Meinung: Andreas Erkens, ALPIN-Redakteur aus Schongau@(zwischenHeadlineTag)>
Wo kämen wir denn dahin? In den Bergen zu wohnen und sie dann nicht zu nutzen zur Erholung? Auf keinen Fall! Doch nicht auf jede Art und Weise und nicht rücksichtslos. Sondern mit Hirn und Verstand. Heißt für mich: Nicht dahin, wo alle hinfahren. Oder nicht dann, wenn alle kommen. Es gibt doch genug Ecken, in denen es noch ruhig ist. Genug Ziele, bei denen der zu betreibende Aufwand etwas größer ist und es dafür weniger voll ist. Gut für die Umwelt, gut für die Einwohner, gut für mich! Und im Zweifelsfall verzichte ich eben auch einmal auf den neuesten Neuschnee. Denn auch das ist eine Möglichkeit. Eines ist ganz klar: Jeder hat das gleiche Recht, in die Berge zu gehen. Egal, ob er in Schwabing in einer 2-Zimmer-Wohnung lebt oder in einem Einfamilienhaus direkt unter der Zugspitze. Die Berge gehören allen! Und so lange man sich an die Regeln hält und die Etikette wahrt, wird sich auch niemand daran stören, wenn man als Gast zu Besuch kommt. Trotzdem gilt: Nicht alles was man kann, muss man auch machen! Rücksicht nehmen, Regeln einhalten und Hirn einschalten!
Und das stinkt den Alpen-Anrainer-Gemeinden. Weshalb - zwar unkorrekt und derb, aber in Teilen nachvollziehbar - in Miesbach an Sylvester das viel zitierte Schild am Ortseingang aufgestellt wurde, mit der Aufforderung "an alle Stoderer, bleibts dahoam..." Wie die Lage wohl ausgesehen hätte, wenn diese "Stoderer" über die letzten vier herrlichen Winterwochen viel Geld in Gastronomie, Übernachtung und Skigebieten im Landkreis Miesbach gelassen hätten? Man mag es sich ausmalen.
Anderes Beispiel: Jüngst musste Thomas Bucher, Pressesprecher des DAV, einen Shitstorm über sich ergehen lassen, weil er die Äußerung der Garmisch-Partenkirchner Bürgermeisterin Elisabeth Koch "Es herrscht Lebensgefahr, bitte bleiben Sie zu Hause!" wegen der großen Neuschneemenge kritisch hinterfragt und sie in Verbindung gebracht hatte zum geschlossenen Skigebiet, mit der Frage, ob Sie dann auch aufgerufen hätte, zuhause zu bleiben, wenn Skifahren und Tourismus möglich wären…
Unsere ALPIN-Redakteure Olaf Perwitzschky und Andreas Erkens waren am vergangenen Wochenende beide antizyklisch unterwegs. Der eine umging am Samstag im Graswangtal die Modetouren samt Straßensperre am Sägertalparkplatz auf seinem Weg zur Weitalpspitze und erlebte dabei die Lenkung durch Naturpark-Ranger, der andere zog mit Familie zum Wanderausflug ins Ostallgäu, bevor er am Sonntagabend noch aufs dann fast einsame Hörnle eilte.
Meine Meinung: Lu Schüller, ALPIN-Grafikerin aus München@(zwischenHeadlineTag)>
Alle wollen raus – das ist doch etwas sehr Positives! Frische Luft und Bewegung halten uns gesund. Und momentan kommt auch noch das Abstandhalten hinzu. Ich wohne in der Stadt mit dem M. Ich liebe die Natur und die Berge. Ich finde, sie haben genug Platz für uns alle. Denn auch ich will draußen mal etwas anderes sehen, als die vollen Stadtparks. Also fahre ich in die Berge. Natürlich ist dieser Konflikt zwischen Städtern und Ländlern nicht neu. Aber gegenseitiges Aufstacheln hilft niemandem. Und: Keiner wird gerne ausgesperrt. Ich käme auch nie auf die Idee, Menschen vom Land aus der Stadt auszusperren, obwohl mir das Herz blutet, wenn ich Kinder im Berufs-Pendelverkehr zur Schule radeln sehe, zwischen all den Autos hindurch, die unsere Straßen blockieren. Ich wünschte mir mehr Eigenverantwortung von beiden Seiten, mehr Respekt, mehr Toleranz und Verständnis für die Bedürfnisse der anderen: Denn es gibt nicht nur einen See oder einen Berg. Zahlreiche wunderbare, ruhige Plätze jenseits der Hotspots warten, wo ich mein Auto abstellen kann, ohne auf fremdem Grund und Boden zu stehen. Und auch für die Fahrt in die Stadt gibt es nicht nur Autos! Kommt uns besuchen, nutzt das pulsierende Angebot der Stadt, sobald es wieder aufmacht, aber kommt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, damit die Straßen unserer Stadt wieder ein bisschen freier sind.
Macht mit bei unserer Umfrage!@(zwischenHeadlineTag)>
Zurück zum Start: Dass es voll ist, in den gelockdownten bayerischen Bergen wissen mittlerweile alle – auch die Münchner, Augsburger, Rosenheimer, Ulmer und Co..
Aber wie damit umgehen? Welche Konsequenzen zieht man daraus? Zuhause bleiben als Städter – wegen eines schlechten Gewissens und der Vermeidung von Unfällen? Zuhause bleiben als Berg-Einheimischer wegen übervoller Berge und dem Wissen um volle Krankenhäuser und die angespannte Rettungssituation? Oder weiter wie bisher? Oder ganz anders?
17 Kommentare
Kommentar schreibenJa momentan ist es an vielen schönen Wochenenden in den Bergen sehr voll aufgrund fehlender Alternativen. Aber deswegen immer nur auf die Münchner zu schimpfen ist nicht die Lösung oder sollen die Münchner auch anfangen ihre Stadt abzuriegeln von all den Pendlern die Mo-Fr nach München rein fahren? Jeder Landkreise oder Gemeinde in den Bergen macht Werbung um noch mehr Touristen in ihre Hotelzimmer zu bekommen. Aber wenn Menschen kommen die gerade kein Geld bringen (auch wenn sie es gerne möchten z.B in Restaurants/Hütten) sind sie unerwünscht. Verbote und Anschuldigungen lösen nicht das Problem sondern vergrößern nur den Graben. Wenn ich sehe wie viele Gemeinde plötzlich anfangen die Parkgebühr zu erhöhen und einzuführen (ob begründet oder nicht) muss ich mich fragen wen diese Maßnahme treffen soll. Ganz sicher nicht den reichen Münchener mit seinem "SUV". Stattdessen bleiben Familien oder Leute mit weniger Geld auf der Strecke.
Die Natur sollte jedem frei zugänglich sein und keine Frage von Wohnort, Geld oder sonstigen Privileg sein.
Es sollte lieber über alternativen wie Sammelparkplätze vor Engstellen um von dort mit kleinen Shuttlebusen/eBikes zum Ausgangspunkt zu kommen oder auch bessere Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel nachgedacht und umgesetzt werden.
Toll, dass ihr das Thema ansprecht. Leider werden meist nur die die am Lautesten schreien, jammern und Ängste verbreiten gehört. Ich finde das Thema sollte sachlich und vernünftig disskutiert werden. Eine Verbotskultur ist da kontraproduktiv und schafft nur viel mehr neue Probleme. Eine Sensibilisierung beider Seiten, ein klares Benennen der Problempunkte und das finden von praxistauglichen Lösungen ohne eine Verbotskultur sollte das Ziel sein. Das hat sich im Bergsport schon einmal beim Thema Naturschutz bewährt.
Ich bin auf den Hügeln rund um mein Zuhause unterwegs oder unter der Woche in den Bergen (die für mich keine grosse Anreise bedeuten) an einsamen Orten, so ist's erträglich.
Ich bleib daheim, hauptsächlich weil zfui hampara in de Berg san.
Gehe prinzipiell unter der Woche und nur einsame Touren. Hatte bis jetzt Glück und traf fast keine Menschen auf meinen Touren
Die vollen Parkplätze täuschen, es müssen ja alle mit doppelt oder gar 3x soviel Autos fahren wegen der aktuellen Vorschriften.
Unsere Berge werden momentan regelrecht überlaufen. Da ist man zu Hause noch am besten aufgehoben
Bleibe zuhause, dort ist es auch schön. Schneit ja gerade überall in Bayern. Zudem ist mir das im Winter in den Bergen zu gefährlich (Lawinen, Ausrutschgefahr).
Ich geh gerne auf einfache bis mittlere Bergwanderungen, da sind kaum Leute unterwegs, ab und an sieht man welche. Versuche es unter der Woche einzurichten. Das einzige was mich immer wieder wundert ist der Müll. Aludosen, Taschentücher und Co findet man leider sehr häufig.
Im Frühling / Sommer wird sich zeigen, wie groß der Ansturm sein wird.
Andrea-Maria Knecht
Ich bleibe am Wochenende zuhause, da zuviele in die Berge gehen gerade. Überhaupt habe ich auch letztes Jahr im Sommer größtenteils verzichtet, auch während der Woche, da ich die Einsamkeit in den Bergen suche zur Erholung. Leider habe ich keine Ahnung, wo ich meinen Ausgleich zur Arbeit herbekommen soll, wenn es dieses Jahr wieder so zugeht. Klar, ich war auch an der Ostsee. Es war sehr sehr schön, aber es ersetzt keinen Bergurlaub. Meine heißgeliebten spontanen Etappendurchquerungen bestimmter Regionen (Transalp, Slowenien, Stoneman, Hüttentouren) entfielen in 2020 und für 2021 sieht es genauso aus. Wer will, dass die Menschen gesund bleiben, geistig, seelisch sowie physisch, der muss die Maßnahmen des LD dringend überdenken und ändern. Unsere Island Reise letztes Jahr hat uns 3500 Euro gekostet, da der Veranstalter insolvent ging... Ok, das ist vermutlich Jammern auf hohem Niveau und ich weiß auch, dass es Schlimmeres gibt. Trotzdem habe ich Monate dafür gearbeitet und es tut weh. So langsam geht einem die Luft aus