Stell’ dir vor, eines Abends klingelt kein geringerer als David Lama an deiner Tür und nimmt Platz. In deinem Wohnzimmer, auf deiner Couch. Der 27-jährige Kletterstar aus Tirol hockt einfach so in deiner Butze! Einen Abend lang
Als Max und Andy vom Gewinn der ersten GORE-TEX (R) Athletencouch mit David Lama erfuhren, waren die beiden 28-jährigen studierten Informatiker aus München erstmal völlig aus dem Häuschen. "Wir waren die einzige Bewerbung ohne Foto aus den Bergen und konnten unsere Chancen daher schwer einschätzen", erklärt Max, der sich kurz vor Start der Veranstaltung erstaunlich gelassen zeigt. Wobei: Ganz so ist es wohl nicht.
Die WG im Münchner Norden ist picco bello aufgeräumt. Im Wohnzimmer hat man vorsorglich im Halbkreis ein paar Stühle aufgestellt. Schließlich darf man diesen Abend mit seinen Freunden teilen. Drei Kisten Bier, sponsored by Gore, sind auf dem Balkon kaltgestellt. Knabbergebäck steht auf kleinen Tischen. Im Hintergrund wird in der Küche noch schnell ein feines Curry zubereitet. Für den Fall, dass Lama Hunger hat. Einer der Freunde hat sogar an Red Bull gedacht und ein paar Dosen mitgebracht. Man weiß ja nicht, ob David, der mit dem Auto aus Innsbruck kommt, überhaupt ein Tegernseer trinken kann.
Nach und nach trudeln ab 18 Uhr die geladenen zehn Freunde ein. Einer ist extra für diesen Abend aus der Stadt Salzburg angereist. Was sie alle verbindet? Die Uni und natürlich das Klettern bzw. Bergsteigen. Über eine entsprechende WhatsApp-Gruppe hätte sich die Nachricht vom hohen Besuch rasch verbreitet und alle sagten zu. Dass Max und Andy würdige Preisträger sind, sieht man schon im Eingang. Sportjacken hängen in der Garderobe.
Unzählige Outdoor-Schuhe stapeln sich im Flur. An der Wand haben sich Besucher mit Unterschriften und diversen Sprüchen verewigt. Unter anderem liest man da etwa "Don’t push this button" oder "Auffi muas i". Ein Besucher hat sich mit einer gemalten Bergkette verewigt. Im Wohnzimmer hängen keine Bilder, sondern Gitarren, Eisgeräte und ein Kletterseil an der Wand. In einer Ecke ist ein Paar Ski geparkt.
Der "Star" des Abends ist pünktlich, bringt gute Laune mit und präsentiert sich leger, ganz so wie man den sympathischen Alpinisten aus Tirol eben kennt. In Jeans, T-Shirt und gelber Daunenjacke des neuen Ausrüsters steht David Lama bei wildfremden Menschen im Wohnzimmer und gibt erst einmal anständig jedem Anwesenden die Hand. Der linke Mittelfinger ist verbunden. Was ist passiert? "Beim Speckschneiden verletzt", sagt der Tiroler grinsend, hockt sich aufs Sofa und schon geht’s los.
Völlig unverkrampft und lässig werden nach und nach viele Fragen gestellt, die David wohlüberlegt beantwortet. Lama erzählt zum Auftakt ein paar Details von seinem jüngsten Erfolg, der Erstbegehung der Sagzahn-Verschneidung im Valsertal, die er nach vier Anläufen gemeinsam mit einem Schulfreund aus Salzburg realisiert hat. Später spricht er von großen alpinistischen Herausforderungen, denen er sich – bisher noch – ohne finalen Erfolg gestellt hat.
Die großen Wände der Welt reizen ihn ungebrochen. "Touren des Jahrhunderts" wird er sie im Laufe des Abends einmal nennen. Die Besteigung der Nord-Ost-Wand am Masherbrum ist und bleibt weiterhin so ein Traumprojekt. Ebenso stehen der 6.905 Meter hohe, noch unbestiegene Lunag Ri in Nepal und die bisher ungekletterte Süd-Ost-Kante der Annapurna III nach wie vor auf Lamas To-do-Liste. Trotz gescheiterter Versuche.
Derart große, extrem schwierige Projekte klappen selten im ersten Anlauf, gibt Lama zu verstehen: "Viele Komponenten müssen da zusammen passen." Er möchte weitere Versuche starten.
Das Gespräch nimmt launig Fahrt auf, die Anwesenden durchlöchern den Gast mit unzähligen Fragen. Risiko und seine Minimierung ist u.a. ein großes Thema. Dabei fällt ein Satz, der hängenbleibt: "Ich will nicht von Glück abhängig sein." Was als nächstes Projekt ansteht? "Im April geht’s nach Alaska, an den Mount Logan." Später sind Sponsoren ein Thema. David war gerade einmal 11 Jahre alt, als er den ersten Vertrag unterschrieb. Über die optimale Teamgröße wird gesprochen, über Produktentwicklung, Training, Filmproduktionen, Eltern, Freunde, Schule, Social Media, über den Reiz schöner Linien, das Kreative beim Klettern und Bergsteigen ...
Ganze drei Stunden dauert die Plauderei, in der man auch erfährt, dass David bisher Glück hatte und von großen Verletzungen verschont blieb. Lediglich sein Knie zwickt manchmal wegen seiner – wie er selbst sagt – O-Haxn, was aber nicht weiter schlimm sei. Beim Thema Angst unterscheidet Lama sehr präzise zwischen Respekt, Angst bzw. Panik und erklärt verständlich an Hand von Beispielen, was es damit auf sich hat. Wie er, "wenn’s um die Wurscht geht", sein Bewusstsein schärft bzw. wie es ihm gelingt, sich auf produktives Denken zu fokussieren.
Außerdem erfährt man, dass der Tiroler kein Freund von Alternativen ist: "Ich bin kein Fan von Plan B und widme mich lieber mit voller Konzentration Plan A." Irgendwann landet man thematisch sogar bei Landsmann, Skistar Marcel Hirscher, der wohl eine ähnlich fokussierte Herangehensweise wie David hat. Dieser outet sich – sofern die Bedingungen optimal sind – als leidenschaftlicher Pistenheizer. Dass er Skitourengänger und Steilwandfahrer ist, weiß man hier im Raum. Zwei- bis dreimal pro Woche zieht es Lama auch im Winter in die Berge. Mit Kollegen, gerne auch mal solo.
Natürlich landet man thematisch auch irgendwann bei Olympia und Klettern. Wirklich viel scheint Lama, der selbst große Erfolge im Hallen-Wettkampfklettern aufweisen kann, zwar davon nicht zu halten "mit Klettern im ursprünglichen Sinn hat das nicht mehr viel zu tun, viel eher mit Akrobatik", aber er (ver)urteilt nicht. Auch wenn es z.B. um andere Bergsportler oder Gipfelstau bzw. Fixseile am Everest geht, bleibt der 27-Jährige tolerant und offen: "Jeder so wie er mag."
Nicht selten dreht Lama den Spieß aber auch um und richtet Fragen an die Gruppe. Ein Beispiel: "Hat von euch schon mal eine/r eine Erstbegehung realisiert?" Und siehe da, es gibt da ein, zwei Herrschaften. Zu vorgerückter Stunde wird die Atmosphäre natürlich immer lockerer. Und so plaudert man auch über die beste Kaspressknödel-Suppe, die natürlich Mama Lama zubereitet und darf auch fragen, was eigentlich mit den vielen tollen Mammut-Klamotten passiert. Jetzt, wo Lama bei TNF unter Vertrag ist? "Ich habe sie in meinem Freundeskreis verteilt, unter der Bedingung, dass ich im Tausch von jedem ein gutes Stück aus seiner Garderobe erhalte." Die so gesammelten Klamotten schickt David allesamt als Kleiderspende nach Nepal.
Als sich gegen 22 Uhr der launige Gesprächsabend (Beginn: 18.30 Uhr!) dem Ende zu neigt, muss David, der am gleichen Abend zurück nach Innsbruck muss, natürlich noch für Selfies herhalten, Eisgeräte bzw. Bilder signieren und sich final auf der "Wall of Fame" im Flur verewigen.
Preisträger Max und Andy schreiben wir einen Tag später an und frage nach Selfies mit David, die wir eventuell auf ALPIN veröffentlichen dürfen. Die Antwort: "Wir beide haben in der Aufregung total vergessen, selbst Fotos zu schießen." Also doch! Ihre Nervosität haben die Burschen vor Ort wahrlich souverän überspielt. PS.: Was wir über E-Mail außerdem erfahren: Max’ Freundin war just an diesem Tag verhindert und hat sich nach Erzählungen vom inspirierenden Abend mit David "sauber in den Arsch gebissen!"
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