Erika Dürr: "Resonanz kann man nicht erzwingen"
Erika Dürr ist Autorin, Bloggerin, Podcasterin ... und unsere ALPIN-Kolumnistin! Im Wechselspiel mit unserem zweiten Kolumnisten, David Göttler, dem Bergführer und einem der erfolgreichsten Höhenbergsteiger Deutschlands, besprechen die beiden aktuelle Themen des Bergsports. In der neunten Ausgabe von "Ehrlich gesagt ..." beschäftigen sie sich mit dem Thema Resonanz am Berg.
Inhaltsverzeichnis
Erikas Meinung zum Thema Resonanz@(zwischenHeadlineTag)>
Ehrlich gesagt... streifte mich kürzlich ein Gedanke, als ich Ralf Gantzhorns Bilderbibel „Himmelsleitern“ durchblätterte. Er fiel wie ein zarter Sonnenstrahl diffus durch den Nebel – vage und unklar: Jeder einzelne Berg in diesem bildstarken Buch sieht nach einem einzigartigen, intensiven Erlebnis aus. Von jener Sorte, bei der man danach ins Tal zurückkehrt und noch Wochen oder gar Monate davon zehrt.
Demgegenüber stehen die Leistungen, die dieses Jahr an den Viertausendern vollbracht wurden. Chrigel Maurer und Peter von Känel erledigten per Gleitschirm alle Viertausender innerhalb von 52 Tagen, Kilian Jornet brauchte sogar nur 19, die Distanzen dazwischen rannte er oder fuhr sie mit dem Rad. Das sind allesamt Leistungen, bei denen man nicht genügend Hüte hat, um sie zu ziehen, keine Frage.
Aber wie viel bleibt dabei noch vom einzelnen Berg? Erinnert sich Chrigel noch an den Aufstieg am Alphubel? Oder Kilian an die Tour auf den Mönch? Und wie sieht es bei all den Nicht-Profis aus, die Ähnliches probieren? Sind diese Viertausender also heute überhaupt noch besondere Berge?
Der Soziologe Hartmut Rosa packt in seinem Buch „Beschleunigung und Entfremdung“ meine bislang eher diffusen Gedanken in treffende Worte. Wir machen uns die Dinge verfügbar, wir wollen nicht nur einen Viertausender, wir wollen sie alle. Jetzt und schnell, einfach, weil wir es heute können. Was auf der Strecke bleibt, ist die „Resonanz“, wie es Rosa nennt: Wenn uns etwas tief berührt, zu uns spricht.
Wir alle kennen diese ganz besonderen Erfahrungen und wollen – so beobachte ich es zumindest an mir – sie mit immer schnellerem Tempo sammeln. Dazu sind wir auch dank Fitness, Geld und Jobmodel schlichtweg oft in der Lage. Resonanz kann man aber nicht erzwingen (und vielleicht auch nicht hochskalieren?). Je intensiver wir es jedoch versuchen, umso eher schaffen wir nur noch reihenweise „episodische Erlebnisse“, die uns in der Rückschau irgendwie kalt lassen.
Was der vage Sonnenstrahl in mir sagen wollte, war: Im Grunde sind für viele von uns alle möglichen Erfahrungen verfügbar. Die Crux ist, ihnen wieder Besonderheit zu geben! Demut. Aufmerksamkeit und Resonanz. Man könnte auch argumentieren, der Anspruch, immer eine dieser ganz besonderen Erfahrungen zu erschaffen, sei schlichtweg zu hoch gegriffen. Vielleicht geht es ja nur ums Tun. Wenn wir uns aber ein Jahr danach nicht mal mehr an die Tour erinnern, wird das der Magie der Berge dann überhaupt noch gerecht? Könnten wir dann nicht auch einfach etwas vor der Haustüre unternehmen?
0 Kommentare
Kommentar schreiben