Nach oben zu kommen, war nicht das Problem. "Beim Aufsteigen hatte ich keine Schmerzen", erinnert sich Heiner B. "Bergab allerdings war es die Hölle."
Nicht ganz so drastisch wie der 62-jährige Bayer, aber mit deutlichen Worten schildern viele Menschen die Schmerzen, die sie plagen, wenn es nach unten geht. – Heiner: "Anfangs habe ich mir noch mit Stöcken beholfen, aber zuletzt ging auch das nicht mehr. Bei der letzten Tour bin ich nur noch mit Hilfe meiner Kameraden runter gekommen." Unseren Artikel "So gehen Sie richtig" finden Sie hier Verschleiß (med. Arthrose) macht sich häufig zunächst am Knie bemerkbar. Denn dort ist der Knorpel, der alle Gelenkflächen des menschlichen Körpers überzieht, besonderen Belastungen ausgesetzt.
Dr. Michael Ziegler, Orthopäde und Chirurg am Klinikum München- Harlaching, erklärt: "Die Kniegelenke, genau wie die Hüften, tragen das Körpergewicht, so dass sich der Knorpel im Lauf des Lebens gewissermaßen abnutzt."
Der Knorpel hat die Aufgabe, bei Bewegungen ein möglichst reibungsfreies Gleiten der Oberflächen zu ermöglichen. Doch die glatte Schicht verschleißt über die Jahre und wird immer dünner. Schmerzhaft wird es dann, wenn die Oberfläche Risse oder Löcher aufweist. Die Reibung beim Bewegen erhöht sich – und der Verschleiß beschleunigt sich.
Anfangs spüren die Betroffenen dies vor allem bei starken Belastungen. Beim Bergabgehen beispielsweise, denn auf dem Weg nach unten nimmt der Druck im Knie und hinter der Kniescheibe zu. Ziegler: "Typisch ist auch ein Anlaufschmerz am Morgen, der erst verschwindet, wenn das Gelenk in wenig bewegt wird." Setzt sich der Knorpelverlust fort und reibt eines Tages Knochen auf Knochen, schmerzt es dauerhaft und es treten häufiger Entzündungen mit Schwellungen des Gelenks auf.
Drei-Säulen-Therapie gegen Arthrose
Leider ist die Arthrose keine Krankheit, die sich heilen lässt. Doch zum Glück lässt sich gegen die Beschwerden etwas unternehmen: Die richtigen Maßnahmen helfen, das Fortschreiten zu bremsen und die Lebensqualität zu bessern. "Letztlich basiert die Therapie vor allem auf drei Säulen", sagt Ziegler, "auf Bewegung, dem Einsatz von Medikamenten und dem künstlichen Gelenkersatz"
Es mutet zwar wie ein Widerspruch an, doch in der Tat hilft gegen Arthrose vor allem Bewegung. Sollte das Gelenk nicht besser geschont und in Ruhe gelassen werden? Die Antwort lautet "Nein" – mit einer Einschränkung: Bei akut entzündeten Gelenken ist Schonung angesagt. Ansonsten aber gilt: Wer rastet, der rostet. "Die Knorpelzellen werden ausschließlich über die Flüssigkeit im Inneren des Gelenks versorgt. Diese produziert die Schleimhaut umso besser, je mehr das Gelenk bewegt wird", sagt Ziegler.
Da sich die Flüssigkeit bei Bewegung zudem besser verteilt, wird der Knorpel insgesamt widerstandsfähiger. Weiterer Vorteil der Aktivität: Die Beinmuskulatur wird trainiert, was Knie sowie Hüften entlastet und die Beschwerden lindert.
Doch Vorsicht: Denn nicht jede Bewegung tut den angeschlagenen Gelenken gut. Ideal ist, mit einem Physiotherapeuten ein spezielles Kräftigungs- und Übungsprogramm für die Beine zu erarbeiten und dieses regelmäßig durchzuführen. Zudem empfehlen Mediziner sanfte Sportarten. "Damit sind Aktivitäten gemeint, bei denen die Gelenke bewegt, aber wenig belastet werden", erklärt Ziegler. Radfahren, Schwimmen, Wandern auf ebenem Terrain – das tut dem Gelenk gut.
Als ergänzende Maßnahmen zu moderater körperlicher Aktivität eignen sich Strombehandlung und Bäderanwendungen: Dabei werden die Muskeln gelockert, die Durchblutung angeregt und die Schmerzen gelindert. Um Letzteres zu erreichen, greifen viele Patienten zudem auf Medikamente zurück (siehe Bild).
Mit diesem Bündel an Maßnahmen gelingt es den meisten Patienten, trotz Arthrose gut zu leben. Wenn die Krankheit allerdings fortschreitet, beeinträchtigt sie die Lebensqualität immer stärker. Helfen kann dann meist nur ein künstliches Gelenk. "Entscheidend für die Operationsentscheidung ist, wie stark eingeschränkt der Betroffene seine Lebensqualität empfindet", bestätigt Ziegler. "Für einen kann der Punkt erreicht sein, wenn er nicht mehr wandern kann, für einen anderen, wenn er nachts wegen der Schmerzen nicht mehr schläft."
Mehr als 300 000 Menschen lassen sich in Deutschland jedes Jahr eine Knie- oder Hüftprothese implantieren. Meist ist bereits nach einigen Wochen eine volle Belastung des neuen Gelenks möglich – nach zwei Monaten auch wieder kleinere sportliche Aktivitäten.
Bergsteigen ist die große Leidenschaft von Heiner B. Als das nicht mehr ging, weil das Knie zu sehr schmerzte, hat er sich für eine Knieprothese entschieden. 15 Jahre oder länger haben ihm die Ärzte versprochen, könne das neue Gelenk halten: "Wenn ich pfleglich damit umgehe, haben sie mir gesagt." Die ersten Spaziergänge konnte der Wanderfreund schon zwei Monate nach dem Eingriff machen, wenig später auch schon kleinere Wanderungen. Seit langem mal wieder ohne Schmerzen.