Die 5 Ws sind so oft der Beginn einer jeden Abhandlung zum Thema Erste Hilfe. Wo? Was? Wann? Welche Verletzung? Wie viele? Das mag irgendwann bekannt sein und die immer wiederkehrende Erwähnung einem deshalb als unnötig erscheinen. Doch ist die Umsetzung in der Praxis oft ein ganz anderer Schritt.
"Die ständige Wiederholung und Einprägung der wichtigen Grundpfeiler, gerade in der Ersten Hilfe, ist die Grundlage für die Tätigkeit eines jeden Retters", erklärt Stephan Wagner, Bereitschaftsleiter der Bergwacht Oberammergau. Der langjährige Bergretter führt die Thematik weiter aus: "In der Notsituation ist nur das abrufbar, was wirklich stark eingeprägt ist. Viele andere, vorher gedanklich sicher verankert geglaubte Fakten, sind nicht mehr abrufbar."
Länderspezifische Notrufnummern
Österreich: 140 (Alpin-Notruf)
Schweiz: 144 (Bergrettung) / 1414 (zentraler Notruf)
Italien: 118 (zentraler Notruf)
Frankreich: 15 (zentraler Notruf)
In der Stresssituation eines Unfalls oder anderweitigen Notfalls ist das strukturierte Handeln aber mehr als notwendig. Dazu zählt, gerade aus Sicht des Bergretters, unter anderem die richtige Informationsweitergabe und das korrekte Verhalten beim Warten auf das Rettungsteam. Bei Notruf (112) werden vom Mitarbeiter der Dienststelle (hier in der Funktion des Disponenten) die genannten W-Fragen gestellt.
Sind diese ausreichend beantwortet, wird der Notruf an die entsprechende Einrichtung weitergegeben. Zum Rettungsdienst zählen der Landrettungsdienst (z. B. das Bayerische Rote Kreuz) und die Bergrettung.
Einsatz der Bergrettung@(zwischenHeadlineTag)>
Ist der Verletzte nicht durch einen gewöhnlichen Rettungswagen zu erreichen, kommt die Bergrettung ins Spiel. Sie ist mit verschiedenen Fahrzeugen mobil. Dazu zählen ein Bergrettungsfahrzeug, ein ATV (kurz für: All Terrain Vehicle) und natürlich der Hubschrauber.
"Oft hilft uns aber keines dieser Fahrzeuge. Dann müssen wir ab einem bestimmten Punkt irgendwie zu Fuß zum Verletzten oder Hilflosen gelangen", ergänzt Wagner. "Dazu ist vor allem Kondition und alpine Erfahrung von Nöten, um sich dabei nicht selbst in Gefahr zu bringen."
Ein weiterer Unterschied zur Landrettung ist die Situation des Hilflosen. "Der Hilflose ist nicht per se verletzt, sondern kommt nicht mehr von Ort und Stelle", definiert der gebürtige Oberammergauer diesen Sonderfall. Beispiele sind Personen, die sich bei weiterem Voranschreiten selbst in Gefahr bringen würden oder jede Orientierung verloren haben. Der Disponent in der Rettungsleitstelle muss anhand der telefonischen Angaben entscheiden, ob er die Bergwacht alarmiert und übermittelt die Informationen.
Ortungsdienste einschalten!@(zwischenHeadlineTag)>
Der nächste, sehr wichtige Schritt ist, dass der Einsatzleiter der Bergwacht sich dann beim Verunfallten, Hilflosen oder unverletzten Begleiter (Melder) über die vorher angegebene Telefonnummer rückmeldet. Dies dient der besseren Einschätzung der Situation und vor allem der genauen Lokalisierung.
Wagner erläutert dazu einen wichtigen Aspekt: "In der heutigen Zeit der Smartphones, haben wir deutlich mehr Möglichkeiten, einen verunfallten oder hilflosen Bergsteiger zu orten." Leider klappt es aber nicht immer so reibungslos. Wagner dazu: "Sind die Ortungsdienste des Mobiltelefons ausgeschaltet, haben wir keine Chance, auf die Funktion der Koordinatenübertragung zurückzugreifen. Dann hilft das neueste Gerät nichts."
Deshalb sollte jeder Bergsteiger mit Smartphone vor Tourbeginn daran denken, seinen Ortungsdienst einzuschalten, um im Notfall auf diese wichtige und vielleicht lebensrettende Funktion zurückgreifen zu können. Denn das einfache Telefongespräch zur genaueren Lokalisierung kann wegen mangelnder Ortskenntnisse zur wirklichen Herausforderung werden. Es geht einfacher.
Fotogalerie: Sechs Notrufsysteme im Vergleich.
Regeln für den Melder@(zwischenHeadlineTag)>
Setzt jemand einen Notruf ab, ohne selbst in Gefahr zu sein, also zum Beispiel der unverletzte Kamerad, sollte dieser im Notfall auf bestimmte Dinge achten. Dazu zählt das Wissen, dass nach dem Notruf der Rückruf der Bergwacht folgt. "Wichtig ist, dass der Melder nach dem Notruf nicht wild herumtelefoniert. Sonst können wir ihn nicht erreichen und der Akku seines Telefons wird leerer", betont Wagner.
Des Weiteren ist die Handy-Netz-Situation in den Bergen oft schwierig. "Ist man zu zweit beim Verletzten, kann man sich aufteilen. Der eine bleibt erreichbar, der andere kümmert sich um den Verletzten", schlägt der erfahrene Bergretter vor. Er stellt jedoch klar: "Ist man allerdings als einziger unverletzt, gilt vornehmlich die Versorgung und Betreuung des Verunfallten als Prämisse. Die Erreichbarkeit ist dann zweitrangig, kann aber mit den Bergrettern kommuniziert werden."
Alternative Helikopter@(zwischenHeadlineTag)>
Ist die Anfahrt unmöglich oder zu umständlich, liegt ein zeitkritischer Notfall (z. B. kardiologischer Notfall) vor, besteht Absturzgefahr eines Hilflosen oder muss schnell ein Arzt herbeigeholt werden, kann auf die alternative Transportmöglichkeit Helikopter zurückgegriffen werden. Die Besatzung des Helikopters variiert von der Art der Maschine oder des Einsatzes.
Ist es ein Rettungshubschrauber, sind neben dem Piloten zumindest Notarzt und Rettungsassistent an Bord. Wird eine Bergevorrichtung wie eine Winde benötigt, ist des Weiteren ein Bordtechniker dabei. Je nach Anforderung, Wetterlage und Tankfüllung sind auch Bergretter Teil der Helikopter-Crew. Polizeihubschrauber, die zum Beispiel bei der Suche nach Vermissten eingesetzt werden, sind dagegen oft nur mit zwei Personen besetzt.
Manchmal werden die verschiedenen Mitglieder der Rettungsmannschaft auch in zwei Abschnitten angeflogen. "Das ist hilfreich, wenn wir als Bergretter vor Ort zuerst die Bedingungen für die weitere Rettung, im Sinne einer Absturzsicherung schaffen müssen", nennt der Bereitschaftsleiter ein Beispiel für diese Vorgehensweise. Dazu fliegt der Hubschrauber zuerst die Rettungswache an.
"Von Murnau braucht er zu uns nach Oberammergau vier Minuten, von Reutte/Tirol oder München dauert es zehn bis 20 Minuten", nennt Wagner die zeitlichen Rahmenbedingungen. Zuerst wird die Wache der Bergrettung angeflogen und die benötigten Einsatzkräfte werden in den Helikopter eingeladen.
Der Switch muss klappen!@(zwischenHeadlineTag)>
Doch was macht einen Einsatz selbst für einen erfahrenen Bergretter, wie Stephan Wagner es zweifelsohne ist, besonders? "Die erste Hürde für uns ist der Switch vom Alltag in den Einsatzmodus." Beeinflusst wird dies durch Faktoren wie Tagesform, persönliche Belastung, Fitnesszustand und berufliche Situation in dem Moment.
"Wir sitzen ja als Ehrenamtliche nicht auf der Couch und warten auf den Einsatz, sondern sind selbst privat und auch beruflich eingespannt", ergänzt Wagner. Aber auch andere, situationsbezogene Einflüsse lassen einen Einsatz vor allem zu einer über die Norm anstrengenden Unternehmung werden. Dazu zählen natürlich schwere Verletzungen und Tod, aber auch ein schwer kalkulierbares Risiko.
"Das Wetter sowie die Tages- und Jahreszeit können einen weniger aufwendig erscheinenden Einsatz zu einer stundenlangen Aktion unter großer psychischer und physischer Belastung werden lassen", beschreibt Wagner seine Erfahrungen. "Schlimm ist es, wenn man als Retter selbst irgendwie hilflos ist. Das entsteht oft durch falsche oder zu wenige Informationen oder eine im ersten Augenblick aussichtslose Lage." Als Wagner das erzählt, wird er nachdenklich. "Natürlich kommt auch manchmal hinzu, dass man selbst das Opfer kennt. Das ist schwierig."
Komplizierter wird die Rettungssituation auch dann, wenn Kinder betroffen sind. Nicht nur, dass die Kinder selbst oft ganz anders behandelt werden müssen als Erwachsene, meist sind zusätzlich die Eltern vor Ort.
"Die kritische Beobachtung der Eltern und ihre Nachfrage sind mehr als verständlich", versichert der Oberammergauer, ergänzt jedoch: "Manchmal macht es das Handeln aber auch ungemein schwerer für uns."
Die Erste Hilfe bleibt für jeden Bergsportler, ob Laie oder Experte, das wichtigste Instrument zur Handlung und sogar zur Rettung von Leben. "Eine gute Erste Hilfe ist Gold wert", fasst Wagner zusammen.
Grundregeln der Ersten Hilfe@(zwischenHeadlineTag)>
Übung macht den Meister
"Um die Grundkenntnisse der Ersten Hilfe zu beherrschen, ist das Auffrischen eines solchen Kurses und das Trainieren der Inhalte absolut sinnvoll", erklärt Dr. Peter Gutsfeld, Unfallchirurg und langjähriger Bergwachtarzt. Er meint weiter: "In einer Stresssituation funktioniert nur Eingeübtes wirklich verlässlich. Die Handgriffe müssen sitzen."
Selbstschutz geht vor
"Viel zu riskieren, um jemandem zu helfen, ist zwar verständlich, doch nicht immer vernünftig", stellt der Bergwachtarzt Gutsfeldfest. "Der Selbstschutz ist Regel Nummereins!" Denn ohne die eigene Unversehrtheit hilft man dem Notleidenden auch nicht und bringt damit beide in eine noch größere Gefahr. Zum Selbstschutz zählt zum Beispiel das Sperren der Ski-Piste mit dem Ski-Kreuz oder die Einschätzung des Geländes, um hier nicht unerwartet in Gefahr zu geraten.
Situation klären
Ganz unabhängig von Verletzungsausmaß oder Anzahl der Verletzten sollte jeder einzelne erstmal nach einem festen Algorithmus beurteilt werden. Dies dient der Einschätzung der Kreislaufsituation und der Priorisierung der Maßnahmen.
Dazu zählt, ob der Verletzte atmet. Hier kann das Hebendes Brustkorbs, aber auch das Atemgeräusch als Richtwert verwendet werden. Ein weiterer Parameter ist der Puls, der sowohl am Hals (nicht gleichzeitig auf beiden Seiten) oder am Handgelenk getastet werden kann.
"Das kann in der Stresssituation auch schiefgehen und man spürt den Puls aufgrund der eigenen Aufregung nicht", warnt Gutsfeld. Daher gilt die Atmung als wichtigster Parameter zur Ersteinschätzung. "Ist weder Atmung noch Puls nachweisbar, sollte sofort mit der Reanimation begonnen werden", fasst der Experte zusammen.
Auch wenn der Verletzte scheinbar stabil ist, sollte dies regelmäßig neu überprüft werden. "Manchmal ist jemand im einen Moment total klar und trübt dann schlagartig ein", mahnt Gutsfeld zur Vorsicht.
Eine der ersten Maßnahmen zur Versorgung eines Verletzten sollte der Wärme und Windschutz sein. Dazu zählen nicht nur wärmende Decken oder Lagerung, sondern auch die Einschätzung des Windes und das Vermeiden von kalter Flüssigkeit zum Trinken. "Das kostet den Körper viel Kraft, die er in diesem Moment für andere Dinge braucht."
Alpine Erste Hilfe
Reanimation: 30 : 2 (Verhältnis Drücken : Beatmen), 100 / Minute, mindestens 5 cm Drucktiefe.
Nie sich selbst in Gefahr bringen – z. B. durch nicht sicheres Absteigen zum Verletzten.
Starke Blutungen abbinden!
Temperaturmanagement: zudecken, Kissen, angenehmes Liegen.
Bei Hubschraubereinsatz: Dinge, die herumfliegen könnten, sichern.
Unfallstelle, wenn möglich, erkennbar machen, z. B. durch farbige Kleidung oder Zeichengebung.
Wunden und Brüche
Jede offene Wunde sollte zuerst nur oberflächlich gesäubert und dann steril verbunden werden. Um den Verband danach nicht erneut öffnen zu müssen, ist es hilfreich für die Bergrettung, wenn vor Verbandsanlage Fotos gemacht wurden oder zumindest eine genaue Beschreibung der Wunde gegeben werden kann, die das Ausmaß der Verletzungeinschätzen lässt.
Die Versorgung von Knochenbrüchen im Notfall folgt klaren Regeln. Zuerst sollte nach Hinweisen für eine Fraktur oder Luxation (ausgekugeltes Gelenk) gesucht werden. Offene Frakturen sind oft eindeutig. Hinweise für geschlossene Frakturen oder Luxationen sind eine Bewegungseinschränkung wegen Schmerzen oder Fehlstellungen.
Die wichtigste Akutmaßnahme ist dann die schmerzfreie Lagerung. Das bedeutet Stabilisierung – ob mit Ski- oder Tourenstock, Ast oder einer Armbandage mittels Pullover.
"Man sollte darauf achten, dass es dem Verletzten mit Schiene nicht mehr weh tut als vorher ohne und dass nichts abgeschnürt wird", meint der Experte und erklärt weiter: "Ein luxiertes Gelenk oder einen abstehenden Knochen wieder in die richtige Position zubringen, ist nicht die Aufgabe des Ersthelfers!"
Vor allen Regeln der Ersten Hilfe gilt aber: Nicht vor Erster Hilfe zurückschrecken!
Man sollte im Rahmen seiner Möglichkeiten handeln, diese aber auch richtig einschätzen können.
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