Alpen-Brauchtum oder Tierquälerei?

Tierschützer kämpfen weiter gegen Kuhglocken

Bereits seit einem Jahr setzt sich die Tierschützerin Nancy Holten für ein Verbot der Kuhglocken in der Schweiz ein. Nun ist die Debatte darüber neu entflammt. Für Touristiker und Bauern steht fest: Die Kuhglocken gehören zur Alpenwanderung wie Enzian und Edelweiß.

Für viele gehört das Glockengeläut der Kühe zu den Alpen wie der Enzian und Edelweiß.
© picture alliance / Arco Images

Doch was halten die angeblich so glücklichen Schweizer Kühe davon, dass ihnen ständig eine Glocke am Hals hängt? Leiden sie unter der Last und dem Gebimmel? Sind Almwiesen also Schauplätze von Tierquälerei?, fragt Tagesspiegel Online mit Verweis auf einen dpa-Bericht.

Die in der Schweiz lebende Holländerin Nancy Holten hat mit ihrer Forderung den Kuhglocken-Brauch zu verbieten eine Kontroverse ausgelöst. "Für Kühe sind die Glocken in etwa so laut, als wenn wir uns einen Presslufthammer ans Ohr halten würden", sagt die dreifache Mutter und Veganerin, die sich auch dagegen engagiert, dass Tiere im Zirkus auftreten.

Für viele gehört das Glockengeläut der Kühe zu den Alpen wie der Enzian und Edelweiß. Dabei variiert die Größe der Glocke durchaus (siehe Bild unten).
Für viele gehört das Glockengeläut der Kühe zu den Alpen wie der Enzian und Edelweiß. Dabei variiert die Größe der Glocke durchaus (siehe Bild unten).
© picture alliance / M.i.S.-Sportpressefoto

Eine Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich, die die Auswirkungen der Glocken auf die Kühe untersuchte, maß hingegen laut BR Online zwischen 90 und 110 Dezibel, was eher mit Motorsägen oder Martinshörnern vergleichbar ist. Beim Menschen führt eine solche Lärmbelastung auf Dauer zu Gehörschäden. Auch die Kühe zeigen Verhaltensveränderungen: "Sie liegen weniger, sie fressen und wiederkauen weniger und sie bewegen den Kopf weniger, als wenn sie keine Glocke tragen." sagt Dr. Edna Hillmann vom ETH.

Umstrittene Studie

Doch schon die Studie selbst ist umstritten. Einer der Vorwürfe: Die getesteten Glocken seien zu groß gewesen. Für die Studie wurden 5,5 kg schwere Exemplare verwendet. So ein Gewicht würde man den Tieren nur beim Almauftrieb oder -abtrieb umhängen, aber nicht den ganzen Sommer, erklärten die Bauern dem BR. Auch die Geschäftsstellen der Alm- und Alpwirtschaftlichen Vereine beziffern das Gewicht einer Kuhglocke für den Alltagsbetrieb zwischen 800 g und maximal 2 kg. Edna Hillmann führt dagegen ins Feld, dass es für die Größe keine Norm gibt, auch die großen Glocken werden auf den Almen eingesetzt.

Die Forscher der ETH-Studie schränken die Reichweite ihrer Ergebnisse ein. Bevor zuverlässig zu verallgemeinernde Aussagen über Art und Ausmaß einer Beeinträchtigung des Kuhwohlseins durch Glocken möglich wären, sind umfangreiche weitergehende Untersuchungen erforderlich, sagten sie dem Tagesspiegel Online. Die Studie sei lediglich ein erster Versuch gewesen, sich wissenschaftlich exakt mit möglichen Auswirkungen des Glockentragens für Kühe zu beschäftigen. (Hier finden Sie die Studie im Original.)

Im Gegensatz zu den großen Glocken für besondere Anlässe, liegt das Gewicht einer Kuhglocke für den Alltagsbetrieb zwischen 800 g und maximal 2 kg.
Im Gegensatz zu den großen Glocken für besondere Anlässe, liegt das Gewicht einer Kuhglocke für den Alltagsbetrieb zwischen 800 g und maximal 2 kg.
© picture alliance / blickwinkel/G. Fischer

Emotional geführte Diskussion

Dieses Beispiel zeigt, dass die Diskussion um das Thema – auch in den Medien – teilweise sehr emotional geführt wird. Gerne werden dabei auch die beiden kontrahierenden Facebook-Gruppen "Kuhglocken out" und "Pro Kuhglocken" ins Feld geführt. Die unterschiedlich hohe Anzahl an Followern ("Pro": etwa 20.000 vs. "Out": etwa 4000) beweist aber zunächst nichts. Auch wird dabei unerwähnt gelassen, dass die Pro-Gruppe verhältnismäßig wenig wächst, während sich die Zahl der Out-Unterstützer innerhalb der letzten drei Wochen verdoppelt hat.

Besonders bedenklich wird es aber, wenn die Debatte in persönliche Angriffe auf Holten ausartet. Sie muss sich derzeit nicht nur mit jeder Menge Anfeindungen auf Facebook rumschlagen ("Bitte, bitte, bitte geh wieder zurück nach Holland!!! Pflück da paar Tulpen und Tomaten!!!! Ist gscheider!!!", meint zum Beispiel Barbara Hehle und entlarvt sich damit selbst). Holten erzählt dem Tagesspiegel auch, dass sie anonyme Drohbriefe erhalten und ihr jemand mit einer Glocke in den Telefonhörer gebimmelt habe.

Alternativen zur Glocke denkbar

Vielen Bauern nutzen bereits moderne Alternativen zur Glocke schreibt das Alpen-Journal.de. So können Kühe beispielsweise mit Transponder-Halsbändern ausgestattet werden, die ihre Koordinaten via Satellit durchgeben. Der Bauer kann dann die aktuelle Position seiner Herde bequem von zuhause aus auf Google Maps verfolgen.

Gegnern solcher neumodischen Lösungen geht es jedoch um mehr als den praktischen Nutzen der Glocken. Viele Viehwirte sehen die Diskussion als einen Angriff auf ein uraltes Brauchtum und Kulturgut. Schweiz-Tourismus-Sprecher Alain Suter versucht die erhitzten Gemüter zu beruhigen, indem er ein baldiges Verbot der Kuhglocken als "unwahrscheinlich" bezeichnet. Die Tierrechts-Aktivistin Nancy Holten will aber weiter für ihre Sache kämpfen. Sie und ihr Team bereiten für den Herbst schon die nächste Kampagne vor.

Text von mst

5 Kommentare

Kommentar schreiben
Tinka

Wer hier für die Kuhglocken ist, kann es ja gern mal testen wie es nervt den ganzen Tag bei jeder Bewegung eine Glocke am Hals bimmeln zu haben. Der natürliche Menschenverstand sagt einem, dass das Tierquälerei ist- da braucht man keine Studien und auch kein Tierschützer sein...

Bastian RB via Facebook

Ich bleibe bei meiner Aussage, dass es wichtigere Themen bei der Tierhaltung gibt. Das muss man auch nicht besonders "stark" finden. Solange es keinen empirischen Beweis gibt, dass die Glocken für die Kühe schädlich sind, sehe ich mich zudem nicht in der Bringschuld, Argumente pro Kuhglocke zu liefern...

Lothar Wagner

Hallo Bastian, Hallo Martin,

ich lese, dass eine Holländerin aufgrund ihes "holländisch-seins" kein Recht habe, für Tierrechte in anderen Ländern als dem eigenen einzutreten. Außerdem lese ich, dass es schlimmere Misstände gibt und man - so anscheinend die Folgerung - deswegen verhältnismäßig kleinere Übel nicht bekämpfen dürfe. Wo bitte sind Eure Argumente "pro Kuhgklocken"? Beide Statements sind in meinen Augen schwach.

Bastian RB via Facebook

Wenn man die Nutztierhaltung mal global betrachtet, dann gibt es sicherlich schlimmere Missstände, die es zu beseitigen gilt. Aber für Veganer ist wohl jede Form der Nutztierhaltung wohl von Grund auf böse...

Martin Oberguggenberger via Facebook

Eine Holländerin klagt in der Schweiz! !! Sie soll lieber in ihrem Land gegen die tierfabriken klagen! Wo in betonhochhaeusern kuehe gehalten werden ohne je Tageslicht bzw Grünzeug zu erhalten!!! Ich sage dazu nur: blöde Kuh was aber nicht das Vieh betrifft! !!