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wieder hat es mit dem Lhotse nicht sollen sein! Trotz der von Charly Gabl angekündigten besten Wetterbedingungen für den 27. Mai mußten wir umkehren und sind seit dem gleichen Abend zurück im Basislager.
Aufgebrochen für unseren Lhotse-Besteigungsversuch waren wir in der Frühe des 24. Mai. Der Everest-Eisbruch zeigt sich in diesem Jahr von seiner eher harmloseren Seite: die Icefall-Doctors, Sherpas, die sich die ganze Saison um die Absicherung des knapp 700 m hohen Eisbruchs kümmern, mußten die größte Spalte mit gerade mal vier zusammengebundenen Leitern überbrücken. Ansonsten wenig einsturzverdächtige Teilstrecken, so daß wir mit Ankunft der Sonne bereits bei Lager I auf 6050 m waren.
Brütend heiß wurde es dann im Western Cwm, dem Hochtal im großen Hufeisen Nuptse, Lhotse und Everest. Wegen der Hitze war ich auch froh, als wir unsere Minizelte - David alleine, Gerlinde und ich gemeinsam in einem Zelt - am oberen Ende von Lager II (6450 m) aufstellen konnten. Alle drei fühlten wir uns gut - ich freute mich, daß meine vom Makalu mitgebrachte Bronchitis "anscheinend" ausgeheilt war.
Teilweise steil und im Blankeis, aber bestens mit Fixseilen durch die Sherpas abgesichert, ging es am 25. Mai hinauf nach Lager III. Um 15:00 Uhr standen unsere Zelte auf 7200 m - an diesem Tag war ich froh mit meinem schweren Alpinstilrucksack, den Lagerplatz erreicht zu haben. Irgendwie fühlte ich mich doch ein wenig müde und angeschlagen. Vor allem eine letzte senkrechte Eisstufe kurz vor Lager III hatte mich überraschend geschlaucht.
Der Aufstieg nach Lager IV, aber vor allem die Nachmittagsstunden am folgenden Tag brachten die Wende für mich: schon am gelben Band auf ca. 7500 m merkte ich, daß es nicht so wie erwartet lief. Die Kletterei am gelbfarbenen Sandstein powerte mich zusehends aus und als ich am Platz von Lager IV auf 7700 m ankam und mit Gerlinde gemeinsam die Plattform für unser kleines Zelt herrichtete spürte ich, daß ich kraftlos und sehr kurzatmig war. Als ich am Nachmittag ein paar Meter neben dem Zelt 10 Minuten Eis zum Wasserschmelzen hackte, war es völlig vorbei. Zurück im Zelt brachte ich fast keinen Ton mehr raus, ich war total schlapp. Ich hoffte auf die Nacht, aber auch diese verlief sehr unruhig mit ständigem Husten. Zwar startete ich um 3:00 Uhr nachts noch gemeinsam mit Gerlinde und David vom Zelt los, aber schon nach 100 Höhenmeter war es aus. Noch in Mondlichtsichtweite der Zelte gab ich schweren Herzens auf. Die Bronchitis vom Makalu war doch noch immer nicht ganz ausgeheilt und jetzt in der großen Höhe hatte mein Immunsystem erstmal den Geist aufgegeben und ließ in allen Belangen die Flügel hängen.
Gerlinde und David stiegen in dieser Nacht relativ schnell bis ca. 8150 m auf. Da David's eiskalte und gefühllose Zehen aber leider nicht warm werden wollten und auch seine Nase Zeichen von Erfrierung zeigten, war für ihn irgendwann der Zeitpunkt der Umkehr gekommen. Und damit auch für Gerlinde, der es mit ihren Fußzehen auch nicht viel besser ging. Die Sonne würde das Westwand-Couloir erst um 10.00 Uhr erreichen und damit bestand keine Hoffnung auf baldige Wärme. Für Gerlinde war ein Teil der Motivation auch eine gemeinsame Besteigung meines letzten und unseres letzten gemeinsamen 8000ers - und das war ausgefallen. Also abwärts!
Gemeinsam warteten wir die Sonne in Lager IV ab, stiegen dann - ich immer langsamer werdend - zunächst bis Lager II ab. Eine längere Pause brachte etwas neue Kräfte, trotzdem war bei mir spätestens mit Erreichen von Lager I der Not-Aus-Schalter bedient. David eilte durch den Eisbruch voraus um unsere Küchenmannschaft Bescheid zu geben. Gerlinde stieg mit mir Schritt für Schritt durch den Eisbruch ab, mit Einbruch der Dunkelheit kam uns unser Kitchenboy Ang Tendi entgegen, der heiße Getränke brachte und meinen zuvor schon durch Gerlinde erleichterten Rucksack abnahm. Mit Mühe und Not erreichten wir um 20:30 Uhr unser Basislager - dieses Mal auf dem letzten Hemd, wie wir im Badischen sagen.
David hatte bereits einen Arzt organisiert, der eine beginnende Lungenentzündung auf der rechten Seite feststellt und einen sofortigen Abstieg in sauerstoffreichere und wärmere Gefilde und ein Breitbandantibiotika verordnete, das inzwischen auch einigermaßen angeschlagen hat.
Vielleicht hätte ich es nach der Freude über die Besteigung des Makalu und der verschleppten Bronchitis vom Beginn der Makalu-Expedition für dieses Frühjahr gut sein lassen sollen. Aber die Hoffnung auf eine weitere 8000-Besteigung mit Gerlinde und David und die Besteigung meines 14. 8000ers hatten in mir doch wieder einiges an jugendlichem Ehrgeiz geweckt - und dem hätte mit meiner Erfahrung vielleicht doch die Vernunft einen Riegel vorschieben sollen.
Egal - es hat nicht wollen sein. Ein Journalist schrieb heute morgen: "der Lhotse steht noch länger". Recht hat er; - wir werden wieder kommen.
Danke wie immer an dieser Stelle meinen Partnern, die mir meine Besteigungen (oder auch solche die nicht immer glücken) ermöglichen: Schöffel, Lowa, GoreTex Products, Petzl, Julbo und meiner Heimatsparkasse Bühl. Und auch ein großes Dankeschön meinem Büroteam von AMICAL alpin, das mir jederzeit den Rücken frei hält.
Beste Grüße in die Heimat,
Ralf Dujmovits
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