ALPIN: Es heißt ja immer, gute Bergsteiger dürfen in extremen Situationen kühl und nüchtern bleiben. Bis du schon mal panisch geworden?
Gerlinde Kaltenbrunner: An der Annapurna I war ich kurz davor, auszuflippen. Dort war ich die ganzen acht Tage extrem angespannt, zumal uns nach fünf Tagen Gas und Essen ausgingen.
ALPIN: Drei Tage ohne Nahrung und Flüssigkeit?
Gerlinde Kaltenbrunner: Wir hatten vier Tage einkalkuliert, doch bereits am ersten Nachmittag schneite es. Dann war zeitgleich mit uns Boris unterwegs. Er war allein und hatte sowohl seinen Kochtopf als auch das Gestänge vom Zelt vergessen. Boris war für seine 67 Jahre überraschend fit und erreichte einen Nebengipfel, aber durch ihn hatten wir zusätzliche Verzögerungen. Während des Abstiegs habe ich schließlich Eiszapfen gelutscht, obwohl man das ja nie machen soll. Aber ich hatte so einen Durst! Normalerweise trinke ich täglich fünf bis sechs Liter. Zur Fotogalerie Kaltenbrunner und Dujmovits am K2 ALPIN: In welcher Passage wärst du fast ausgeflippt?
Gerlinde Kaltenbrunner: Im letzten Eisbruch. Ständig sind riesige Eistürme in sich zusammengebrochen, zum Teil zehn Meter von uns weg. Wir haben kaum einen Weg gefunden, das war wie ein Labyrinth, und es war irrsinnig laut, wir mussten uns anschreien, um uns überhaupt zu verständigen. Als wir durch waren, haben wir erst nichts gesagt, uns nur fest umarmt und geweint.
ALPIN: Wann gab es endlich wieder was zu trinken?
Gerlinde Kaltenbrunner: Unser Koch war uns Tage zuvor entgegengekommen und hatte uns drei Dosen Cola und eine Dose Bier auf den Weg gestellt. Ich habe davor gekniet und gedacht: Das muss eine Halluzination sein. Infos, Daten, Fakten: Gerlinde Kaltenbrunner kompakt ALPIN: Hattest du oben schon Halluzinationen?
Gerlinde Kaltenbrunner: Nein, noch nie.
ALPIN: Kopfschmerzen?
Gerlinde Kaltenbrunner: Nur 1994 am Broad Peak, danach nie mehr.
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