ALPIN: Ines, du warst 2020 mit Caro North per Bike auf Expedition. Kannst du uns bitte die Fakten zusammenfassen?
Wir waren für "Rock 'n' Road" ca. 4 Wochen mit dem Radl unterwegs und sind von der Ost- in die West-Schweiz gefahren – vom Rätikon bis an die Aiguilles Dorées. Das waren etwa 18.000 Höhenmeter und 600 Kilometer. Geplant waren fünf große Wände, wo wir ambitionierte Routen klettern wollten. Erreicht haben wir alle, aber durch das Radeln waren wir sehr müde in den Beinen.
Deshalb blieb es dann bei moderaten Schwierigkeiten. Unser Ziel war aber eh nicht, die härtesten Routen der Schweiz zu cracken. Vielmehr ging es darum, die Reise von Anfang bis Ende als Freundinnen zu erleben. Lustig fand‘ ich auch, dass wir alle (Stefan Glowacz, Simon Gietl und Roger Schäli; Anm. d. Red.) unabhängig voneinander auf mehr oder weniger ähnliche Ideen gekommen sind.
ALPIN: Wie hast du dich vorbereitet?
Ich fahre schon immer viel Mountainbike. Deswegen musste ich nur mit dem Anhänger trainieren. Ehrlich gesagt: Der zieht ganz schön nach hinten. (lacht) Während des ersten Lockdowns im April 2020 sind Luka (Lindic; Anm. d. Red.) und ich viel mit dem Bike zum Klettern gefahren. Denn hier in Berchtesgaden waren alle Wander- und Kletterparkplätze gesperrt. Sprich: Wir hatten im Grunde keine andere Wahl. Klar, wenn ich an meinem härtesten Projekt im Fels arbeiten würde, wäre eine Anreise mit dem Rad Blödsinn.
Die Idee eines Radl-Projekts kam im ersten Lockdown@(zwischenHeadlineTag)>
ALPIN: Hattet ihr Unterstützung in irgendeiner Form?
Natürlich. Jochen Schmoll, der einen Film über unser Projekt gedreht hat, hat uns sehr unterstützt. Gerne hätte er uns auch beim Materialtransport geholfen, aber da haben wir dankend abgelehnt. Am Eiger überlegten wir kurz, mit der Jungfrau-Bahn hochzufahren. Doch unser persönlicher Ehrgeiz hat das nicht zugelassen. Anschließend brauchten wir aber einen Pausentag – da geht’s nämlich ganz schön weit hoch!
Sportlicher Ehrgeiz als Motor von "Rock 'n' Road"@(zwischenHeadlineTag)>
ALPIN: Ist das Rad für dich Sportgerät oder Mittel zum Zweck?
Eindeutig ein Sportgerät, sonst hätte ich ja auch mit dem E-Bike fahren können. Biken ist für mich Sport und Training zugleich. Da war definitiv sportlicher Ehrgeiz im Spiel. Ich wusste, die Caro ist sehr fit und hat einen starken Willen. Damit war sie die perfekte Partnerin für mich. Wenn sie mal einen Hänger hatte, habe ich sie motiviert und umgekehrt. Wir haben uns echt gut ergänzt.
ALPIN: Glaubst du, das Reise- und Freizeitverhalten der Menschen hat sich durch die Corona-Einschränkungen nachhaltig verändert?
Luka und ich vermieten in Istrien und zu Hause in Bayerisch Gmain an Gäste. Dank Corona hatten wir brutal viele deutsche Touristen zum Berggehen, Radfahren und Wandern in beiden Regionen. Und alle waren glücklich! Ich hatte bei keinem Gast das Gefühl, dass er oder sie denkt, eine Reise nach Thailand verpasst zu haben. Die Pandemie war eine Chance, den Wert von dem wiederzuerkennen, was wir im eigenen Land und in Europa vor der Haustür haben.
Ich hoffe, dieser Trend setzt sich fort und hält an. Die Sehnsucht zu reisen, ist aber nach wie vor bei vielen groß – auch bei mir. Beim langsameren und längeren Reisen bleibt mehr Zeit zum Nachdenken und man kann mehr Eindrücke aufnehmen. Das ist sowieso gesünder für uns Menschen. Dieses Schnelle, mal hier, mal da – das ist überhaupt nicht gesund. Deshalb habe ich beschlossen, viel mehr Zeit in den Ländern zu verbringen und länger zu bleiben, wenn ich eine weite Reise mache.
Die Outdoor- und Bergsport-Branche lebt davon, dass "Natur" verkauft wird. Daher sollten auch wir Bergsportler:innen mit gutem Beispiel vorangehen und nachhaltige Produkte nutzen. Hier eine Auswahl an "sauberen" Ausrüstungsgegenständen aus der Outdoor-Industrie:
ALPIN: Was sagst du im Rückblick über euer Projekt?
Zurückblickend war das Besondere unserer Expedition, wie intensiv man alles aufnimmt. Ich war schon oft in der Schweiz, aber so wie auf der Radltour habe ich das Land noch nicht kennengelernt. Durch dieses langsame Reisen konnte ich jeden Moment genießen.
Kompromiss aus Nachhaltigkeit und Reisen@(zwischenHeadlineTag)>
Irgendwie sind wir Profis ja auch Botschafter mit dem, was wir tun. Und wenn wir nur ein paar Menschen erreicht haben, die zumindest zeitweise in ihr Leben einfließen lassen, dann haben wir schon viel erreicht!! Also ich freue mich auch auf meine nächste weite Reise. Aber es ist eben an der Zeit, zum Nachdenken anzuregen.
Interessant war auch, wie sich das früher angefühlt haben muss: Also, eine Eiger-Nordwand-Begehung von der Haustür aus mit dem Radl zu starten. Dazu kann ich jetzt sagen: Alle Achtung vor den Jungs damals! Vor unserer Tour konnte ich das nicht einordnen.
ALPIN: Wie nachhaltig war eure Expedition?
Caro und ich haben auf der Tour bewusst nur das gekauft, was wir ziehen oder tragen konnten. Meistens war das bei lokalen Bauern, also einheimische Produkte. Das ist das Nächste, wo man in kleinen Schritten nachhaltig handeln kann. Ein Apfel aus Neuseeland kommt für mich überhaupt nicht in Frage.
Die Doku zum Bike-Projekt "Rock 'n' Road" könnt ihr euch hier direkt ansehen:
ALPIN: Was sind deine nächsten Ziele?
Luka und ich machen gerade die Panamericana und fahren von Anchorage (Alaska) bis nach Feuerland mit einem kleinen Camper. Diese Reise teilen wir in Etappen auf. Denn wir haben so viele Ziele in jeder Region, dass wir sonst jahrelang unterwegs wären. Dann würde man uns in Europa erst wiedersehen, wenn wir alt und grau sind. (lacht) Angefangen haben wir damit schon letztes Jahr in Alaska, sind aber nicht wirklich weggekommen. Deswegen fahren wir dieses Jahr noch mal hin.
Die siebenseitige Tourenreportage "Zeitreisende" findet ihr in ALPIN 4 | 2022. Weitere Interviews zu ihren Bike-Projekten führte ALPIN mit Simon Gietl und Stefan Glowacz.
Die ALPIN 4 | 2022 ist seit dem 08.03. im Zeitschriftenhandel und in unserem Heft-Shop erhältlich.
0 Kommentare
Kommentar schreiben