Arbeit als Sonderschulpädagoge

Toni Lamprecht: "Klettern kann Kindern helfen"

Seit fast 40 Jahren bestimmt das Klettern seine Lebenslinie. Und auch die seiner vielen Kinder. Denn als Lehrer für Sonderpädagogik macht Toni Lamprecht Problem-Kids fit für die herausfordernden Routen zurück ins "normale" Leben.

Toni Lamprecht, auch bekannt als "Stier von Kochel", klettert gern in seiner Heimat.
© Christian Penning

Nächstes Jahr gibt es für Toni etwas zu feiern: Dann klettert er seit 40 Jahren – und das immer noch richtig schwer. Mit Erstbegehungen im X. und XI. Schwierigkeitsgrad (unter anderem in den bayerischen Alpen, in Grönland, im Verdon) hat sich der Oberbayer weit über seine Heimat hinaus in der Kletterszene einen Namen gemacht. Doch Vollprofi war er nie. Trotzdem hat er das Klettern geprägt – und es ihn. Der 53-Jährige ist nicht nur gelebte Kletterpassion, sondern auch Musiker und engagierter Lehrer für Sonderpädagogik in einer Person. Das Kletterseil zieht sich wie ein roter Faden durch sein Leben – auch dann, wenn er nicht an neuen Fels-Projekten tüftelt.

Am Anfang seiner Kletterkarriere war Toni "a wuida Hund", wie man bei ihm daheim sagen würde. Bekannt ­wurde er als "Stier von Kochel". Die Routen in den Wäldern oberhalb des Kochelsees haben ihren eigenen Charakter – so wie Toni. Entweder man liebt sie oder man hasst sie. Toni liebt sie: pures Klettern am Fels, der ganz schön unbequem sein kann. Free-Solo-Projekte waren für ihn in seinen jungen Jahren wie eine Droge. "Das war damals die Königsdisziplin – fast eine spirituelle Erfahrung", erinnert er sich. "Man sagt, nach einer Free-Solo-­Tour hörst du das Gras wachsen. Man nimmt alles viel intensiver wahr." Dabei überlässt er nichts dem Zufall. "Ich bin ein kopflastiger Kletterer, der Routen bis ins letzte Detail analysiert, so dass kein Quadratmillimeter außerhalb der Wahrnehmung bleibt", sagt er über sich selbst. "Sich dann auf so ein Experiment ein- und loszulassen, ist schon etwas Besonderes." Doch damit ist längst Schluss.

<p>Am liebsten klettert Toni in seinem Heimatgebiet im oberbayerischen Kochel am See.</p>

Am liebsten klettert Toni in seinem Heimatgebiet im oberbayerischen Kochel am See.

© Christian Penning.
Weiterlesen mit ALPIN+ und unter anderem erfahren, wie Toni Lamprecht mit Klettern am ­positiven Mindset seiner Schüler arbeitet.

Drei Fragen an Toni Lamprecht

<p>Toni Lamprecht über seine Leidenschaft Klettern.</p>

Toni Lamprecht über seine Leidenschaft Klettern.

© Christian Penning
  • Was treibt dich beim Klettern an?
    "Das Abenteuer, die Vision von einer Linie im Fels. Mir macht es hundertmal mehr Spaß, eine neue Route zu suchen, als in einem klassischen Sportklettergebiet pro Tag zehn Routen abzuhaken."

  • Die höchsten und prominentesten Berge sind alle bestiegen – auch auf schwierigen Routen. Welches Potenzial bietet das Klettern in Zukunft noch?
    "Mag für viele komisch klingen, aber ich glaube, das Potenzial beim Klettern ist grenzenlos. Sollte irgendwann tatsächlich jeder Fels der Erde geklettert sein, werden die Leute anfangen zu variieren – einarmig, mit weniger Haken. Vieles wird noch spielerischer werden. Sogar vor der Haustür gibt es noch unendlich viel zu entdecken."

  • Was sind die größten Veränderungen im Klettern in den letzten Jahrzehnten?
    "Die brutalen Veränderungen durch die Digitalisierung und die Medien. In meinen Anfangsjahren existierten von vielen Gebieten nicht einmal Klettertopos. Wir sind einfach irgendwo eingestiegen, haben Routen für uns selbst entdeckt, uns mit den Locals vor Ort ausgetauscht. Die junge Generation kennt jeden Griff, bevor sie in eine Tour einsteigt. Dieses Feeling, als Pionier unterwegs zu sein, ist meiner Meinung nach nicht mehr dasselbe."

Text von Christian Penning

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