Die neue Kolumne in ALPIN. Ausgabe 6 zum Thema #DasLebenderAnderen

Erika Dürr: "Wir vergleichen uns ständig mit anderen"

Erika Dürr ist Autorin, Bloggerin, Podcasterin ... und unsere ALPIN-Kolumnistin! Im Wechselspiel mit unserem zweiten Kolumnisten, David Göttler, dem Bergführer und einem der erfolgreichsten Höhenbergsteiger Deutschlands, besprechen die beiden aktuelle Themen des Bergsports. In der fünften Ausgabe von "Ehrlich gesagt ..." beschäftigen sie sich mit dem Thema Vergleichen am Berg.

David Göttler und Erika Dürr bilden das neue Kolumnisten-Duo von ALPIN.
© ALPIN - Leben für die Berge

Erika Dürr über Vergleichen im Bergsport

Ehrlich gesagt … hat mich ein Gedanke zuletzt tief berührt: "Normalerweise scheint das Leben der anderen Menschen immer weniger kompliziert, immer aufregender – immer glücklicher – als das eigene zu sein. Aber in diesem Moment gibt es nur unser Leben. Hier ist niemand, mit dem man sich vergleichen kann." Diese Zeilen hatte eine Freundin kürzlich während einer Expedition notiert. Sie lebte dabei mehrere Wochen mit ihrem Team auf einem Gletscher. Abgesehen von einem kurzen Besuch einer anderen Seilschaft waren sie die ganze Zeit über allein. Diese Zeilen beschreiben etwas, das zumindest ich eher selten realisiere.

<p>Man denkt immer, das Leben der Anderen wäre spannender, besser, interessanter als das eigene. Scheinbar brauchen wir diesen Vergleich.</p>

Man denkt immer, das Leben der Anderen wäre spannender, besser, interessanter als das eigene. Scheinbar brauchen wir diesen Vergleich.

© Adobe Firefly

Wir stecken in einem Hamsterrad, so kommt es mir oft vor. Bei der Arbeit, aber oft noch viel subtiler im andauernden Vergleich: beim Sport, in Beziehungen, im Leben. Wenn wir einmal hinsehen, wie oft wir über "die Anderen" Annahmen treffen und wie oft wir diese mit uns vergleichen, wird uns bewusst, in welchem Wettbewerb wir stehen. Ein ständiges Hinterherhecheln, Mithalten. Und unweigerlich: Ein permanentes Scheitern. Während "die Anderen" natürlich genau das Gleiche über uns denken.

<p>Erika Dürr ist unsere  ALPIN-Kolumnsitin und (p)lauscht gerne zu Bergsport-Themen. Sie hat ihre eigene Meinung zum Thema Vergleich mit unseren Mitmenschen.</p>

Erika Dürr ist unsere  ALPIN-Kolumnsitin und (p)lauscht gerne zu Bergsport-Themen. Sie hat ihre eigene Meinung zum Thema Vergleich mit unseren Mitmenschen.

© Erika Dürr

David Göttler hatte dieses Thema ja schon beim Umdrehen angeschnitten. "Andere wären an dem Grat vielleicht weiter gegangen. Für mich hat es sich nicht gut angefühlt", beschrieb er seine Gedanken. Der Vergleich war da, aber die Klarheit, was für ihn selbst jetzt stimmig ist, hatte das Gedankenkarussel gestoppt und eine eindeutige Entscheidung ermöglicht. (Kann übrigens sein, dass es tatsächlich gar nicht so einfach war. Das ist eben eine dieser blumigen Annahmen, wie einfach Dinge bei anderen bestimmt sind!)

<p>Ei ständiges Hinterherhecheln, Mithalten - auch am Berg?</p>

Ei ständiges Hinterherhecheln, Mithalten - auch am Berg?

© Adobe Firefly

Ich selbst kenne das ehrlich gesagt zu gut. Ich fürchte mich rasch, weshalb mir „alle anderen“ oft als völlig angstfrei, stets entspannt und in vollem Vertrauen auf ihre Fähigkeiten erscheinen. Sie scheinen immer zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein, nie arbeiten zu müssen und immer den Drive zu haben, loszuziehen. Jaja, die Anderen. Sie denken sich mit Sicherheit das Gleiche über uns! Ich mag diesen Moment, wenn man sich das mal wieder bewusst macht. Für mich bringt er Entspannung. 

Man könnte natürlich auch meinen, dass der Vergleich anspornt. Oder besser: inspiriert. Dazu würde mich die Meinung der Lesenden interessieren. Ich glaube es nicht ganz. Zumindest nicht auf gesunde Weise. Wenn wir die Fähigkeit erlangen könnten, all diese subtilen Vergleiche in unserem Alltag zu erkennen oder zumindest am Berg, würde mehr Freiheit warten. Mehr Leichtigkeit. Mehr Freude. Aber merkt ihr’s: Auch das ist natürlich wieder so eine Annahme. Und was denkst Du, David?

David Göttler über Vergleichen am Berg

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Text von Erika Dürr & David Göttler

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