Boulevard of broken dreams

Albert Leichtfried wagt Erstbegehung im Ötztal

Der 32jährige Extremkletterer Albert Leichtfried hat schon des öfteren mit spektakulären Erstbegehungen auf sich aufmerksam gemacht. Lesen Sie hier seinen Bericht über seinen letzten Coup: den "Boulevard of broken dreams" am 10. August im Ötztal.

Albert Leichtfried wagt Erstbegehung im Ötztal
Albert Leichtfried im Ötztaler Granit
Albert Leichtfried im Ötztaler Granit

Was kosten acht Seillängen im Ötztaler Granit? Wenn man die 96 Bolts, 8 Standketten, 16 Rapidglieder, zwei gebrochenen Bohrer, drei verbrauchten Metallbürsten, 10 Arbeitstage, 7 Klettertage, sowie 2800 gefahrenen Kilometer von Innsbruck ins Ötztal zusammen zählt, dann komme ich auf rund 2000 Euro, je nachdem wie viel man sich für einen Arbeits- bzw. Klettertag als "Lohn" verrechnet.

Da muss die Frage, ob sich dieser Aufwand denn auch ausgezahlt hätte gar nicht erst gestellt werden.

Natürlich! Die gut 200 Meter in durchwegs festem und perfekt griffigem Granit waren es alle Mal wert...

Allein-Angriff

Warum die ganze Geschichte insgesamt fast drei Wochen, verteilt auf über ein Jahr in Anspruch genommen hat, lässt eigentlich schon der Name der Route erahnen. Anfang Juli 2007 machte ich mich mit der Idee auf den Weg, durch die massive, stark überhängende Dächerzone im rechten Teil der Wand in Nösslach eine kletterbare Linie zu finden. Dazu entschlossen, dieses Projekt stets alleine in Angriff zu nehmen, entschied ich mich, die Linie von oben zu besichtigen um dann ausschließlich im Vorstieg einzurichten.

Zur Fotogalerie des "Boulevard of broken dreams" Aufgrund des Flechtenbewuchses im oberen Drittel und aufgrund des abweisenden, stark überhängenden Felsens im Mittelteil musste ich diesen Traum jedoch bald platzen lassen. Mit einigen Zwischenfällen, wie gebrochenen Bohrern oder Dehydratation, nicht nur was mich selbst, sondern was auch die Akkus meiner Bohrmaschine betriftt, konnte ich die Route schließlich bis Ende September 2007, teilweise im Vorstieg und teilweise von oben einrichten und putzen.

Im Oktober ging es ans Ausbouldern, einen wirklichen Versuch schaffte ich 2007 allerdings nicht mehr - Vroni und ich entspannten uns auf unserer Hochzeitsreise in Madagaskar und anschließend warteten meine Eisgeräte schon wieder sehnlichst darauf verwendet zu werden.

Ein Cut am Ringfinger macht es spannend

Also legte ich ab Mai dieses Jahres meinen Focus erneut auf die Route. Wieder verlief das Ganze nicht ganz reibungslos. Geplagt von widrigen Wetterverhältnissen, nasser Route oder Unpässlichkeit meinerseits bzw. meiner Kletterpartner, gerade dann, wenn es einmal gute Bedingungen gegeben hätte, zog sich der Fortschritt in der Route dahin wie ein Kaugummi.

Zur Fotogalerie des "Boulevard of broken dreams" Doch ein Versuch Anfang August, mit teilweise komplett nassen Passagen, ließ auf einen baldigen Durchstieg hoffen. Vorausgesetzt die Tour würde irgendwann noch trocknen.

Am 10. August war es dann schließlich soweit. Natürlich verlief wieder einmal nicht alles ohne Zwischenfälle - ein weiter Sturz nach einem Griffausbruch in der dritten Länge und ein blutender Cut am Ringfinger ab der fünften Länge machten es spannend - der rote Punkt konnte aber dann doch mit einem Freudenschrei am Ausstieg vermerkt werden. Der "Boulevard of broken dreams" war vollendet.

Mein ganz besonderer Dank gilt Benny Falbesoner, Roby Bacher, Markus Stemer und Otti Hauer. Ohne euch wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen!

Topo: "Boulevard of broken dreams", Nösslach/Ötztal, 215 m, 8a

Erstbegeher: Albert Leichtfried (10.08.2008)

Material: 14 Expressschlingen

Art der Kletterei: athletische Granitkletterei, teilweise ausgesetzt

Bewertung und Charakteristik:

1. 7b Einzelstelle am Dach, 30m, 12 Bolts

2. 7b+ Kleine Leisten am Einstieg, schwierige Kante 30m, 12 Bolts

3. 7c+ Schwieriger Einzelzug, athletisch, Ausdauer 25m, 11 Bolts

4. 8a Explosiver Einstieg, Ausdauer an Leisten 15m, 6 Bolts

5. 7c Henkel im Dach, Balance in der Platte 15m, 5 Bolts

6. 7b Abdrängender Riss 25m, 10 Bolts

7. 7a Technisch an Leisten 50m, 14 Bolts

8. 7c+ Pressige Einzelstelle und athletisch, Ausdauer 25m, 10 Bolts

Zustieg:

Über den Klettergarten quert man über den Wandfuß (wichtig: immer direkt am Fuße der Wand bleiben) nach rechts, bis man zu einer großen Fichte kommt. Der Einstieg befindet sich hinter der Fichte, ca. 20 Meter links von "Auf Messers Schneide" (Markus Haid). Die letzten 50 Meter sind steil und unwegsam.

Gehzeit: ca. 20 min

Abstieg:

Über orangene Markierungen - vom letzten Stand nach rechts - zum Abstieg von "Auf Messers Schneide". Diesen folgt man über rote Markierungen nach links oben bis man auf einen Fußweg kommt, der wieder zurück zum Parkplatz führt (Weg von Nösslach nach Niederthai). Abseilen empfiehlt sich nur mit einem 60 Meter Doppelseil und ist eher kompliziert (Nicht jeder Stand ist leicht zu erreichen).

Text: Albert Leichtfried, albertleichtfried.at

Bilder: Klaus Kranebitter