Fotoschule

So fotografieren Sie "Weite" richtig

Wer auf einen Gipfel steigt, kann weit schauen. Doch wie bringt man das auf einem Foto am besten rüber? Profifotograf Bernd Ritschel verrät einige Tricks, wie sich Weite am besten einfangen lässt.

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Zeigen, was wir sehen

Euphorisch, aber auch ein wenig erschöpft gehen wir die letzten Schritte zum Gipfel. Oben angekommen, folgt die obligatorische Gratulation und anschließend der wohlverdiente "Blick in die Runde". Glücklich und zufrieden setzen wir uns.

Vor uns eröffnet sich ein Panorama, wie es schöner nicht sein könnte, wir sehen eine Weite die sich nur schwer mit Worten beschreiben lässt. Und genau da liegt für viele ein fotografisches Problem: Wenn wir für derartige Eindrücke nur mühsam Worte finden, wie sollen wir das in ein ausdrucksstarkes Bild packen?

<p>Nach einem nächtlichen Gewitter ist die Luft über dem Patteriol besonders rein und der Blick besonders klar.</p>

Nach einem nächtlichen Gewitter ist die Luft über dem Patteriol besonders rein und der Blick besonders klar.

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Tipps kompakt von Bergfotograf Bernd Ritschel

  • Nutzt jede Erhöhung, um mehr Weite zu zeigen.

  • Ein spannender Vordergrund sorgt für mehr Tiefe im Foto.

  • Linien im Vordergrund können das Auge wunderbar in die "Weite" führen.

  • An klaren Tagen kommt der Bildeindruck von "Weite" am stärksten zur Geltung.

<p>Ein markanter Vordergrund sorgt für eine stärkere Bildwirkung.</p>

Ein markanter Vordergrund sorgt für eine stärkere Bildwirkung.

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Wo finden wir Weite?

Ganz einfach: immer dort, wo wir weit blicken können. Das kann eine kleine Kuppe inmitten einer kargen Felswüste sein, aber auch ein exponierter Logenplatz im Hochgebirge mit Blick auf Hunderte von Gipfeln. Und eines gleich vorweg: Wir müssen die Weite, d. h. das Panorama, das wir sehen, nicht unbedingt im Panorama-Format fotografieren.

Ganz im Gegenteil: Zum einen neigt sich der Panorama-Hype schön langsam dem Ende zu, zum anderen können wir ein großes, gedrucktes Bild, das breiter als das Seitenverhältnis 3 x 2 ist (z. B. ab 16 x 9), sowieso nicht mehr auf "einen Blick" wahrnehmen.

Welche Brennweiten?

Die meisten werden beim Stichwort "Weite" zuerst an Weitwinkelobjektive denken. Damit zeigen wir auf einem einzigen Foto möglichst viel von dem, was wir sehen. Ganz anders beim Blick durch ein Teleobjektiv: Hier verschwindet so mancher Vordergrund beim Blick durch die Kamera, wir betrachten nur einen Ausschnitt des großen Ganzen.

Das bedeutet, dass wir mit Kleibild-äquivalenten Brennweiten jenseits der 50 Millimeter, z. B. zwischen 70 mm und 300 mm, nur einen kleinen Teil der "Weite" zeigen. Diesen aber optisch "verdichtet" und auf das Wesentliche reduziert.

Ich empfehle immer beides zu zeigen, deshalb nochmals zurück zum Weitwinkelobjektiv: Mit Brennweiten zwischen 20 mm und 35 mm können wir sehr viel mehr zeigen als "nur" das Panorama am Horizont.

Sobald wir aufmerksam durch den Sucher blicken und die Kamera ein wenig nach unten neigen, fallen uns plötzlich Linien, Strukturen und vielleicht auch Diagonalen auf, die wir mit dem Auge so gar nicht wahrgenommen haben, Linien, die unser Auge ins Bild und damit hinein in die Weite führen können. Ein paar Schritte nach links oder rechts, und vor allem auch nach vorne oder hinten, werden das Bild nicht nur verändern, sondern können es auch wesentlich verbessern.

<p>Bei diesem Ausblick verschmelzen mit dem Kamm im Hintergrund und den Felsen im Vordergrund die Entfernungsebenen.</p>

Bei diesem Ausblick verschmelzen mit dem Kamm im Hintergrund und den Felsen im Vordergrund die Entfernungsebenen.

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Eine natürliche Räumlichkeit im Bild entsteht besonders schön mit diesen gemäßigten Weitwinkelbrennweiten. Der Hintergrund verschwindet nicht zu weit nach hinten, der Vordergrund ist markanter, aber nicht dominanter Bestandteil des Bildes. Ein weiterer wichtiger Arbeitsschritt in der Weitwinkelfotografie ist jedoch das Schwenken der Kamera nach oben und unten. Es ist jedes Mal erstaunlich, wie sich ein und dasselbe Motiv nochmals verändert.

Beim Schwenken nach unten gewinnt plötzlich der Vordergrund markant an Bedeutung, beim Schwenken nach oben wird der Himmel – möglicherweise mit interessanten Wolken – zum wesentlichen Bildinhalt.

Die Höhe macht’s

Ganz grundsätzlich gilt: Alle erhöhten Standpunkte sind geeignet – Gipfel, Grate, Kuppen. Selbst in flachen Regionen wie Wüsten oder einem ebenen Hochland bringt eine "nur" zwei Meter hohe Kuppe deutlich mehr Weitblick. Wir können bezüglich Höhe auch ein wenig nachhelfen: Wenn weder Hüttendach noch Felsblock, geschweige denn eine Pickup-Ladefläche zur Verfügung stehen, kann man die Kamera auf das Stativ setzen und sie anschließend mit gestreckten Armen hoch über dem Kopf halten – dies bringt bis zu zwei Meter Höhengewinn.

Das funktioniert natürlich am besten mit Klapp-Display, nur so können wir den Bildausschnitt kontrollieren. Wichtig bei dieser Vorgehensweise sind folgende Faktoren: Mit Weitwinkelobjektiven hat man die größten Chancen auf einen "Bildaufbau-Treffer", meist blende ich ab auf Werte um f8 oder maximal f11, die Schärfe stelle ich dann auf rund 10 bis 20 Meter ein.

<p>Selbst wenige Höhenmeter ermöglichen den fotografischen Blick in die Weite.</p>

Selbst wenige Höhenmeter ermöglichen den fotografischen Blick in die Weite.

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Auch die Belichtung messe ich vorab, nur so kann ich bei Bedarf die ISO-Zahl erhöhen, um eine ausreichend kurze Verschlusszeit zu erreichen. Bleibt die Frage des Auslösens: Bei vielen Kameras kann eine Bildreihe auch über den Selbstauslöser aktiviert werden. Wenn ich z. B. bei der Fujifilm XT1 im schnellen Serienbildmodus bin, folgt nach Ablauf des Selbstauslösers eine Bildreihe von acht Aufnahmen. Meine ganz pragmatische Hoffnung: Eines der acht Bilder wird bezüglich Horizont und Bildaufbau schon passen.

Und Shift-Objektive?

Eine Frage, die mir von ambitionierten Fotoamateuren oft gestellt wird, ist die, ob man mit Tilt- oder Shift-Objektiven mehr Tiefe und damit Weite zeigen kann. Die meisten Anwender nutzen diese Objektive, um stürzende Linien, zum Beispiel bei Gebäuden, zu korrigieren. Bergfotografen nutzen die Shift-Funktion, um beim fotografischen Blick nach oben, ein "Nachhinten-wegkippen" der Gipfel zu korrigieren.

Wie verhält es sich jetzt beim Blick nach unten? Die Antwort lässt sich jedoch nur schwer in Worte fassen, ich möchte es einmal so versuchen: Schwenke ich ein normales Weitwinkelobjektiv nach unten, rücken Objekte im Vordergrund und der Horizont im Hintergrund "optisch" zusammen.

Mit Hilfe der Shift-Funktion kann ich dies weitgehend verhindern und die von mir als Betrachter "gefühlte" Distanz zwischen Vorder- und Hintergrund bleibt gewahrt. Daher: Ja, durch mehr Tiefe im Bild zeige ich auch mehr Weite. Nur: Diese Spezialobjektive sind groß, schwer und teuer.

Ist Stitching die Lösung?

Nicht nur das Internet, auch die Fotografie kennt keine Grenzen. Wir müssen nur wissen, was es gibt und wann wir es einsetzen sollten. Zahlreiche, auch kostenlose, Softwares können heutzutage mehrere Einzelbilder stitchen, d. h. sie zu einem Panorama verschmelzen. Wer möchte kann z. B. mit leichter Weitwinkelbrennweite mehrere Aufnahmen eines Bergpanoramas erstellen und diese am Rechner zu einem Bild mit sehr viel "Weite" zusammensetzen.

Welche Parameter sind empfehlenswert: Meist verwende ich Brennweiten zwischen 24 und 35 mm (Kleinbild-äquivalent), bewährt haben sich vier bis fünf Hochformataufnahmen, diese sollten sich jeweils zu einem Drittel überschneiden, die Belichtung erfolgt manuell mit gleichen Werten!

Wer die Bilder im RAW-Format aufzeichnet, kann anschließend besser leichte Korrekturen durchführen. Selbst kostenlose Software zaubert hier durchaus ansehnliche Ergebnisse. Wo liegt der Vorteil? Natürlich könnte ich das gleiche Panorama auch mit einem sehr starken Weitwinkelobjektiv fotografieren, aber dann "verschwinden" die so schönen Kämme und Gipfel schon arg weit im Hintergrund. Beim Stitchen jedoch bleibt durch die "gemäßigte" Brennweite ein recht normaler Bildeindruck bezüglich Distanzen erhalten.

Never ending Story

Die Weite ist ein wesentlicher Grund für mich, um auf Berge zu steigen. Ich liebe das Gefühl der Unendlichkeit, auch wenn der Blick manchmal nur bis zum übernächsten Kamm reicht – oder bis zum 250 Kilometer entfernten Gipfel ganz hinten am Horizont. Dort oben fühle ich mich frei – ganz gleich ob mit oder ohne Kamera.

Text von Bernd Ritschel

1 Kommentar

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Markus

Ein sehr informativer Beitrag zur Fotografie in den Bergen. Ich setze mich auch sehr intensiv damit auseinander und würde euch hier ein paar Bilder präsentieren:
photo-nature.de
Bleibt gesund und auf einen schneereichen Winter!