Sicherungstechniken

Hochtouren: So schafft ihr Fixpunkte in Eis und Firn

Im lockeren Schnee solide Fixpunkte zu schaffen, ist kein leichtes Unterfangen. Gibt es dagegen Eis, kann man mit der richtigen Ausrüstung und etwas Übung zuverlässige Standplätze bauen.

Solide Fixpunkte in Eis und Firn zu schaffen, ist eine Kunst für sich. Wir zeigen, wie das geht.
© Imago / Cavan Images

Solide Haken erleichtern im Fels das Klettererleben, sind doch heutzutage in vielen Routen Bohr- oder Klebehaken in regelmäßigen Abständen angebracht. Und wenn nicht als Zwischensicherungen, so doch an den Standplätzen. Zwischensicherungen sind in Form von Klemmkeilen oder Klemmgeräten oft einfach und recht zuverlässig gelegt.

In Schnee und Eis sieht das ganz anders aus. Fixe Zwischensicherungen gibt es nur dann, wenn im angrenzenden Fels Haken gesetzt sind. Ansonsten steht man vor dem Nichts. Alle Zwischensicherungen und vor allem auch die Standplätze (und ggf. die Abseilstände) muss man selbst anbringen.

Fixpunkte im Schnee

Am schwierigsten ist es, in lockerem Pulverschnee einen Fixpunkt zu schaffen. Auch wenn es sehr selten vorkommt, kann es zum Beispiel zum Absichern einer steilen Rinne oder einer einzelnen Steilstufe mal nötig sein, bei solchen Bedingungen einen Fixpunkt zu haben.

Gemeinhin gilt im Schnee der T-Anker als das Mittel der Wahl. Dabei wird ein quer zur Belastungsrichtung eingegrabener Gegenstand als Zuganker verwendet. Im Sommer in gebundenem, schwerem Schnee ist das meist ein Eispickel, der tief genug eingegraben wird und auf den mittels Bandschlinge die Last übertragen wird.

<p>Ein Pickel als T-Anker ist der Klassiker. Das ist aber nur bei halbwegs festem Schnee möglich.</p>

Ein Pickel als T-Anker ist der Klassiker. Das ist aber nur bei halbwegs festem Schnee möglich.

© Sojer

In lockerem Schnee wird ein Pickel aber nicht genügend Haltekraft aufbringen. Man muss mehr Fläche einsetzen. Anstelle des Eispickels kann man beispielsweise seine Ski vergraben. Besonders in weichem Schnee sollte man – so gut es geht – den Schnee über dem T-Anker verdichten (festtreten).

Tief genug versenkt, sollten Ski auch am Gletscher als T-Anker dienen können, wenn es zum Beispiel darum geht, jemanden aus einer Gletscherspalte zu bergen. Soll hingegen nur eine Person im Nachstieg in einer steilen Passage gesichert werden, können auch eingerammte Ski genügend Festigkeit bieten, um einen Ausrutscher zu halten.

Schwieriger wird es, wenn man einen Anker für eine Abseilstelle benötigt. Ohne Materialverlust geht das im Winter im Schnee nicht. Hier gilt es abzuwägen, was wichtiger ist. In einem Notfall muss man dann eben seine Ski opfern. Je nach Verhältnissen können aber auch Skistöcke genügend Festigkeit bieten oder vielleicht der (leere?) Rucksack. Dann hat man zum weiteren Abfahren zumindest noch seine Ski.

Je härter der Schnee, desto einfacher ist es einen Fixpunkt zu schaffen – bis zu einem gewissen Punkt. Beim Übergang von Schnee zu Eis kann es sein, dass der Untergrund zu hart ist, um einen T-Anker zu setzen, aber zu weich, um Eisschrauben zu verwenden. Dann gilt es zu improvisieren bzw. zu arbeiten. Im Zweilfelsfalle muss man sich die Zeit nehmen, einen Graben auszuheben, in den man dann doch den Pickel oder was auch immer versenken kann.

<p>In weichem Schnee können durchaus auch Ski als Fixpunkte verwendet werden besonders dann, wenn es nur darum geht, einen Kameraden nachzusichern oder abzulassen.</p>

In weichem Schnee können durchaus auch Ski als Fixpunkte verwendet werden besonders dann, wenn es nur darum geht, einen Kameraden nachzusichern oder abzulassen.

© Sojer

Wer nichts zum Aushacken dabei hat, wird sich aber schwer tun. In seltenen Fällen kann auch einen Eisbirne helfen. Man pickelt dazu eine birnenförmige Struktur aus dem Schnee/Eis, die so beschaffen ist, dass das Seil nicht oben drüber rutscht, und groß genug ist, um genügend Festigkeit aufzuweisen.

Meist sollte der Durchmesser der Birne mindestens einen halben Meter betragen. Bei der richtigen Konsistenz des Untergrundes ist das zwar eine relativ langwierige Geschichte, aber womöglich der einzige Weg, um einen Fixpunkt zu erhalten, bei dem nicht mal Material geopfert werden muss.

Fixpunkte im Eis

Im echten Wasser- oder festen Gletschereis bedarf es einer speziellen Ausrüstung und auch etwas Übung, um fixe Punkte zu schaffen. Eisschrauben sind dann das Mittel der Wahl. Die sind inzwischen ausgeklügelt bis ins kleinste Detail. Mit etwas Übung sind Eisschrauben in weniger als einer Minute gesetzt.

Das gilt es beim Setzen von Eisschrauben zu beachten

  • Die Eisschraube muss innen frei von Eis sein (wenn sie gesetzt wurde, befindet sich innen ein Eispfropfen).

  • Die Zähne der Eisschraube müssen messerscharf und im richtigen Winkel angeschliffen sein.

  • Die Eisschrauben sollten am Gurt so transportiert werden, dass man mit einer Hand die Eisschraube greifen und vom Gurt lösen kann.

<p>Eisschrauben werden leicht hängend eingedreht. So sind die Haltekräfte höher.</p>

Eisschrauben werden leicht hängend eingedreht. So sind die Haltekräfte höher.

© Sojer

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann man sich den Platz aussuchen, wo die Schraube platziert werden soll. Günstig sind immer Strukturen, an denen man relativ stabil steht (also nicht auf den Frontalzacken der Steigeisen). Ist das Gelände so steil, dass man eine Hand zum Festhalten braucht (am eingeschlagenen Eisgerät), sollte man dieses stabil in einer Höhe setzen, sodass man am nahezu gestreckten Arm arbeiten kann.

Die Eisschraube sollte in solides, kompaktes Eis gesetzt werden, möglichst in Dellen oder Vertiefungen (konkave Strukturen), da hier die Sprengwirkung am geringsten ist. Auch werden Eisschrauben entgegen vielen Meinungen eher leicht hängend zum Untergrund gesetzt als nach oben ausgerichtet. Die Haltekräfte sind bei hängend gesetzten Eisschrauben deutlich höher.

Es ist optimal, die Schraube in etwa auf Hüfthöhe zu setzen, da man hier beim Setzen am meisten Druck ausüben kann. Platziert man die erste Schraube von einem Standplatz, ist es von Vorteil, die Schraube etwas höher zu setzen, als wenn man nur eine Zwischensicherung anbringt. In etwa auf Schulterhöhe ist optimal.

<p>Eisschrauben müssen nach dem Ausdrehen immer ausgeblasen werden.</p>

Eisschrauben müssen nach dem Ausdrehen immer ausgeblasen werden.

© Perwitzschky

Dann tut man sich später beim Sichern leichter. Sonst muss man sich beim Nachsichern ständig bücken oder in gehockter Stellung arbeiten, da durch die Bandschlinge, den Karabiner und den Knoten die ganze Konstruktion ja noch um einiges länger wird.

<p>Der typische Stand im Eis an zwei Eisschrauben. Die Sicherung erfolgt hier über eine Tube mit vorgeschaltetem Karabiner.</p>

Der typische Stand im Eis an zwei Eisschrauben. Die Sicherung erfolgt hier über eine Tube mit vorgeschaltetem Karabiner.

© Sojer

An einem Standplatz im Eis wird immer an zwei Fixpunkten gesichert. Das können zwei Eisschrauben sein oder aber auch eine Eisschraube und eine Eissanduhr (wie man die macht, dazu kommen wir später). Der Abstand von den zwei Fixpunkten sollte etwa 60 bis 80 Zentimeter betragen und sie sollten leicht versetzt vertikal übereinander liegen. Nach dem Anbringen des ersten Fixpunktes fixiert man sich an diesem und ist somit gesichert.

An den Nachsteiger erfolgt das Kommando "Stand". Das ist für ihn das Zeichen, dass er den Vorsteiger aus der Sicherung nehmen und dass er einen der zwei Fixpunkte seines Standplatzes entfernen kann. Wenn man weiß, dass man später über die Route abseilen wird, ist es sinnvoll, zuerst eine Eisschraube zu setzen und dann eine Eissanduhr zu bauen.

An dieser kann man dann später abseilen. Sonst setzt man die zweite Eisschraube oberhalb der ersten und verbindet die beiden Fixpunkte mittels Reihenschaltung (vgl. Skizze rechte Seite oben). Das Ablängen der Verbindungsschlinge sollte so geschehen, dass auf einem Fixpunkt die Hauptlast liegt und der andere Fixpunkt (der obere) nur teilbelastet wird.

Die Eissanduhr

<p>Eissanduhren (Abalakov) sind mit etwas Übung schnell gebaut und haben in gutem Eis hohe Haltekräfte.</p>

Eissanduhren (Abalakov) sind mit etwas Übung schnell gebaut und haben in gutem Eis hohe Haltekräfte.

© Sojer

Zum Bauen einer Eissanduhr braucht man eine ca. 17 bis 21 Zentimeter lange Eisschraube und einen Eissanduhr-Fädler (kurz: Fummler). Nun schraubt man eine Eisschraube im schrägen Winkel ins Eis (vgl. Skizze oben). Dann entfernt man die Schraube und macht ein zweites Loch, das sich am Ende mit dem ersten trifft.

Im Prinzip konstruiert man ein gleichschenkliges Dreieck. Nun führt man eine mindestens sechs Millimeter starke Reepschnur in das eine Loch und zieht es mit dem Fummler aus dem anderen Loch wieder raus. Dann verknotet man die beiden Enden, und zwar in einer Länge, so dass die Belastung mehr nach unten als zur Seite erfolgt.

In der Regel sind das etwa dreißig Zentimeter. Die Seilstücke hat man entweder vorgefertigt am Gurt oder schneidet sie mit einem Messer dann ab, wenn die Eissanduhr fertig ist. Solche Eissanduhren halten bei kompaktem Eis mindestens so viel wie eine gut gesetzte Eisschraube, also etwa 15 bis 20 kN.

Ihre Haltekraft ist damit absolut ausreichend. Mit etwas Übung ist so eine Eissanduhr in wenigen Minuten gebaut – übrigens auch ein sehr guter Fixpunkt auf aperen Gletschern oder in klassischen Eisflanken. Denn unter dem Firn in Eisflanken ist oft sehr hartes und festes Eis, das für Eissanduhren prädestiniert ist.

Immer dann, wenn es ums Abseilen im Eis geht, ist die Abalakov-Sanduhr das erste Mittel der Wahl. Denn fast alle anderen Methoden bedeuten Materialverlust. Und Eisschrauben sind teuer. Es gibt zwar die Methode der "sich selbst rausdrehenden Eisschraube", bei der beim Abziehen des Seils die Schraube mit herausgedreht wird, diese verlangt aber sehr viel Übung.

Und funktioniert sie nicht, sind Seil und Eisschraube im Eis fixiert. Zum Abseilen über eine Abalakov-Sanduhr lässt man für die ersten Abseilenden eine Eisschraube als Hintersicherung oberhalb der Sanduhr stecken. Die Belastung ist dabei so ausgelegt, dass sie voll auf der Eissanduhr liegt.

Erst der letzte Abseilende dreht dann die Schraube raus und seilt nur an der Eissanduhr ab. Wer das etwas übt, kommt mit minimalem Materialverlust (ein paar Restseilstücke) schnell auch mehrere Seillängen runter. Und wer Eisfälle begeht, die öfter beklettert werden, kann das Glück haben, Eissanduhren von den Vorgängern vorzufinden.

Ausrüstung fürs Eis

<p><strong>Eisschrauben:</strong> Besonders wichtig bei Eisschrauben ist, dass sie scharf sind. Bei der Laser Speed light von Petzl sind die Zähne aus Stahl, der Rest der Eisschraube ist aus Aluminium, wodurch die Schraube bei 17 cm Länge nur 100 g wiegt.</p>

Eisschrauben: Besonders wichtig bei Eisschrauben ist, dass sie scharf sind. Bei der Laser Speed light von Petzl sind die Zähne aus Stahl, der Rest der Eisschraube ist aus Aluminium, wodurch die Schraube bei 17 cm Länge nur 100 g wiegt.

<p><strong>Eissanduhr-Fädler:</strong> Der Cassin Scorpio ist 23 cm lang und hat für den scharfen Haken vorne einen Schutz. </p>

Eissanduhr-Fädler: Der Cassin Scorpio ist 23 cm lang und hat für den scharfen Haken vorne einen Schutz. 

© Cassin
<p><strong>Eisschrauben-Schärfer:</strong> Mit dem Petzl LIM’Ice kann man Eisschrauben wieder schärfen. </p>

Eisschrauben-Schärfer: Mit dem Petzl LIM’Ice kann man Eisschrauben wieder schärfen. 

© Petzl

Text von Olaf Perwitzschky

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