Nach einem eher schwerlich anklingenden Eiswinter, kamen Benni und ich im Laufe des Jänners langsam in Form. Wir kletterten einige schöne Eis- und Mixedlinien im Südtiroler Langental bei Wolkenstein. Auffällig dabei war schon, dass wir verstärkt versuchten, in den Mixedlängen auf die Verwendung von Eisenmaterial wie Haken oder Bolts zu verzichten.
Die ersten in diesem Stil gekletterten Mixedlinien ("Remember Mi" M8/WI7- und "Stalker" M7/WI6) konnten wir im Winter 2011 in Sordalen/Norwegen klettern. 2006 konnte ich mir einen damals bereits lang ersehnten Traum erfüllen. Mit der Route "Illuminati" gelang es mir, das moderne Mixedklettern mit ernster, klassischer Eiskletterei zu verbinden.
Nun ging erneut ein Traum in Erfüllung. Eine Route an der Grenze unserer Möglichkeiten mit absolut natürlichen Sicherungsmitteln zu klettern, geisterte schon einige Zeit in unseren Köpfen herum. In "Senza piombo", zufällig nur 15 Minuten von "Illuminati" entfernt, fanden wir die nahezu perfekten Möglichkeiten dafür.
"Senza piombo"
Am 27. Jänner starteten Benni und ich, nichtsahnend was uns erwarten würde, in die erste Seillänge. Eine mit bizarren Eisstrukturen sehr schöne M6. Die zweite Länge führt im fünften Eisgrad auf ein Band. Abrupt ändert sich ab dort der Charakter der Route. Eine stark überhängende Felswand mit relativ wenig Struktur schien für uns das Ende der cleanen Kletterei zu sein.
Als Benni beim Wegklettern darauf verzichtete, Haken oder Bolts mitzunehmen, war ich nicht schlecht erstaunt. "Er wolle mal schauen, was geht." In den letzten Jahren war ich nicht das erste Mal von seinen enormen Fähigkeiten begeistert. Auch dieses Mal verblüffte er mich, er gab einfach nicht auf.
Klicken Sie sich durch die Slideshow mit Impressionen der Route "Senza piombo".
Nach einem schier endlosen Kampf kletterte er die dritte Seillänge im Grad M9 clean, on sight - einfach genial. Nun war ich an der Reihe, die Route, wenn möglich weiterhin ohne Eisen zum Eisvorhang zu bringen. Die Felsstrukturen wurden weniger, dafür die Wand noch steiler - eine ernüchternde Kombination.
Nach zwei Stürzen, an dem sich abwechselnd jeweils einer meiner zwei gelegten Cam's aus dem seichten Riss verabschiedeten, waren meine Nerven am Ende. In technischer Kletterei versuchte ich irgendwie zum Zapfen zu gelangen und studierte dabei die Bewegungen und Placements für das nächste Mal.
Nach einem "Rasttag", an dem wir den direkten Einstieg zum "Jumbo-Jet" kletterten, geisterten die Hooks und Bewegungen der Cruxlänge von "Senza piombo" bereits in meinem Kopf herum. Immer wieder versuchte ich die Cam-Placements durchzugehen, und die Bewegungsabläufe zu studieren.
Die Erfüllung eines Traumes
Nach einem "Rasttag", an dem wir den direkten Einstieg zum "Jumbo-Jet" kletterten, geisterten die Hooks und Bewegungen der Cruxlänge von "Senza piombo" bereits in meinem Kopf herum. Immer wieder versuchte ich die Cam-Placements durchzugehen, und die Bewegungsabläufe zu studieren. Nach einem weiteren, dringend notwendigen, wirklichen Rasttag war es dann soweit. Der Wecker läutete um 4:15, doch ich war schon kurz davor hellwach. Mein Fokus war ganz bei der Route. Danach lief alles so, wie wenn ein Film abgespult wurde.
Klicken Sie sich durch unsere Fotogalerie und erfahren Sie mehr zu Albert Leichtfrieds und Benedikt Purners Norwegentrip.
Die Kletterei forderte alles von mir, doch ich konnte kontrolliert bis zum Top klettern. Auf Grund der enormen Wärme an diesem Tag, war die Abschlusseillänge im Eis eher gruselig, aber Benni ließ sich nicht mehr aus der Ruhe bringen. Wir erfüllten uns mit "Senza piombo", der vermutlich ersten clean gekletterten M10, einen über einige Jahre ersehnten Traum. All das Training und die Kletterei in harten Mixedrouten waren wie eine Art Vorbereitung für diesen Tag, um unsere erlernten Fähigkeiten auf einen Punkt zu konzentrieren.
Ausblick
Eines liegt mir noch am Herzen. In letzter Zeit konnte man in den diversen Medien so einiges über die Zukunft des Eiskletterns lesen. Zum einen sollte die Zukunft in überhängendem Eis mit Bolts als Absicherung liegen, zum anderen in Eis- und Mixedrouten, welche ausschließlich ohne Bolts geklettert werden, oder auch in steilen Eisgebilden, welche nur mit Eisschrauben abgesichert werden. Ein Widerspruch?
Ist es nicht eher die Verwirklichung des eigenen Egos, wenn man versucht die Zukunft zu definieren? Was auch immer die Zukunft bringen wird, an ihrer Vorhersage ist der Mensch schon Jahrhunderte lang gescheitert. Jedes einzelne Abenteuer, jeder neue Moment wird die Zukunft von selbst entstehen lassen.
Stellungnahme von Albert Leichtfried
Es ist eigentlich ganz einfach. Wir haben eine "kontinetale" Mixedroute - steiler Fels, athletische Kletterei, einige Meter überhänged, mit relativ guter Absicherung - so etwas, was sonst Unmengen an Bolts abbekommen würde meiner Meinung nach zum ersten Mal ground up und dann rotpunkt/clean geklettert. Ich hab bewusst niemals das Wort "schwierigste" verwendet, weil dies Unsinn ist.
Die Route "The Hurting" (eine der schwersten Mixed-Routen weltweit, Anm. der Red.) ist senkrecht, muss bei "weißen" Bedingungen - also mit Schneeauflage auf den Felsstrukturen geklettert werden und hat absicherungstechnisch Groundfallpotential. Wie schon gesagt, zu vergleichen, was nun schwieriger ist, ist schlichtweg blödsinnig.
Ich hab auch schon Feedback von zwei Leuten mit Routen (eine in Amerika und eine in Schweden) bekommen, die im Toprope eine Seillänge auschecken und dann clean kletterten und mit M10 bewerteten. Auch etwas völlig anderes, aber es ist clean und M10.
Für mich ist "Senza piombo2 eine neue Dimension im modernen Mixedklettern, ob es nun die erste cleane M10 oder die schwierigste Trad-Mixedroute der Welt sein soll oder eben nicht - interessiert mich wenig - vor allem weil es niemand sagen kann.
Text: Albert Leichtfried
Weitere Meldungen zu diesem Thema auf alpin.de: