Billi Bierling/ALPIN: Wie hat die Bergsteigerwelt auf Deinen Erfolg am GII reagiert?
Simone Moro: Das war das erste Mal in meiner Bergsteigerkarriere, dass mein Erfolg von der Bergsteigerwelt richtig anerkannt wurde. Manche meiner Opponenten haben auf die andere Seite übergewechselt, und plötzlich konnte ich Hände schütteln, die ich vorher noch nie geschüttelt hatte; und ich habe Hände klatschen sehen, die vorher nie geklatscht hatten.
Ich denke, dass ich diese Anerkennung nicht nur bekomme, weil es die erste Winterbegehung eines 8000er im Karakorum war; es ist wohl auch, weil es insgesamt meine dritte Winterbesteigung war. Nach meiner ersten Winterbegehung des Sisha Pangma in Tibet dachten alle, dass ich einfach nur Glück hatte. Nach meiner Winterexpedition zum Makalu waren alle überrascht, und jetzt, nach der dritten erfolgreichen Winterbegehung, habe ich die Bergsteigerwelt wohl schockiert.
Wir schafften den Gipfel in 21 Tagen und wir waren nicht die einzige Expedition im Karakorum in diesem Winter - es war eine polnische Expedition am Broad Peak und eine spanisch/österreichische am Gasherbrum I, die leider nicht erfolgreich waren. Jerzy Kukuczka und Krzysztof Wielicki haben jeweils auch drei Winterbegehungen und jetzt kann man mich endlich mit anderen erfolgreichen Bergsteigern vergleichen.
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Billi Bierling/ALPIN: Meinst du, du hast trotz deiner sieben 8000er erst jetzt Anerkennung in der Bergsteigerwelt bekommen?
Simone Moro: Ich glaube nicht, dass es nur Anerkennung ist. Die meisten Leute wissen schon, was ich kann. Ich bin der einzige Höhenbergsteiger, der am Fels 8B klettern kann. Ich denke, jetzt kann man mich endlich einordnen. Ich habe viele verschiedene Sachen gemacht, aber vorher passte ich einfach in keine Schublade. Ich habe besonders in den letzten Jahren viel erreicht: Shisha Pangma, Makalu und G2 im Winter, die Everestüberschreitung und die neue Route am Beka Brakai in Pakistan. Ich denke, hier geht es eher um Identifizierung als um Anerkennung. Ich war auf 44 Expeditionen und stand auf sieben 8000ern, jedoch jetzt steht es fest: Simone spezialisiert sich auf neue Routen, Geschwindigkeitsexpeditionen oder Winterbesteigungen.
Billi Bierling/ALPIN: Wie wichtig ist es für dich, was die Bergsteigerwelt von dir hält?
Simone Moro: Ich fühl mich besser, wenn ich anerkannt werde. In unserer kleinen Welt gibt es viel Konkurrenzkampf. Ich bin offen für alle und habe viele Freunde und manche mögen das vielleicht als blöde empfinden. Diese Anerkennung nimmt den Druck ein wenig weg und das macht mich natürlich entspannter. Was die Sponsoren und Medien betrifft, ändert sich eigentlich nichts, denn sie sind immer interessiert.
Seit 1996 bin ich professioneller Bergsteiger und die Zahl meiner Sponsoren ist in dieser Zeit sehr gewachsen. Meine Sponsoren haben schnell verstanden, welche Botschaft ich mit meinen Expeditionen vermitteln kann - die Bergsteigerwelt hat dazu ein wenig länger gebraucht.
"Ich setze meine Freundschaften nicht aufs Spiel"
Billi Bierling/ALPIN: Stehst du unter großem Druck von deinen Sponsoren?
Simone Moro: Nein, überhaupt nicht. Keiner meiner Sponsoren schreibt mir vor, wie viele Expeditionen ich pro Jahr machen soll. Weder Nike noch ‚The North Face' haben jemals Druck auf mich ausgeübt. ‚The North Face' hat sogar schon zugesagt, mich in meiner Winterexpedition zum K2 zu unterstützen. Eigentlich hatte ich sie für nächsten Winter geplant, jedoch habe ich mich entschieden noch ein Jahr zu warten, weil im Winter 2012 eine russische Expedition am K2 ist.
Ich wurde noch nie von meinen Sponsoren gedrängt. Ich gebe ihnen meine Person und nicht meine Erfolge oder Ergebnisse. Wenn ich ihnen meine Ergebnisse verkaufen würde, dann wären meine Verträge ziemlich kurz, da sie enden würden, wenn ich zum bergsteigen aufhöre. Mit meiner Person kann ich für meine Sponsoren immer weiter arbeiten - auch wenn ich morgen zum bergsteigen aufhören würde.
Billi Bierling/ALPIN: Warum hast du deinen Plan, K2 im Winter 2012 zu besteigen geändert? Weil du dann nicht der Erste wärst oder weil du nicht mit anderen Leuten am Berg sein willst?
Simone Moro: Weder noch. Ich habe keine Lust auf den Konkurrenzkampf, der fast unumgänglich ist, wenn zwei Expeditionen das Gleiche erreichen wollen. Dieser Konkurrenzkampf muss nicht zwischen den Expeditionen bestehen, sondern wird sehr oft von der Außenwelt und den Medien angetrieben. Billi Bierlings Porträt von Simone Moro lesen Sie in ALPIN 08/2011. Außerdem sind der Bergführer der russischen Expedition und ungefähr 95 Prozent der Expeditionsmitglieder meine Freunde. Ich will meine Freundschaften wegen eines Missverständnis oder irgendwelchen Medienberichten nicht aufs Spiel setzen. Die Russen planen diese Expedition bereits seit zwei Jahren und ich habe mich für ein anderes Projekt entschieden - entweder Nanga Parbat oder Broad Peak im Winter 2012.
Billi Bierling/ALPIN: Bist du wetteifernd?
Simone Moro: Mit mir selbst, ja. Ich verlange sehr viel von mir und wenn ich an meine Wettkämpfe als Läufer, Kletterer oder Skifahrer denke, dann sehe ich schon, dass ich sehr ehrgeizig sein kann. Aber diese Mentalität kann sehr gefährlich sein. Wenn ich mich am Berg zu sehr auf den Wettbewerb konzentrieren würde, dann könnte das fatal enden. Die Tragödie am K2 oder das 1996er Everest Desaster sind passiert, weil viele Leuten einfach nicht umdrehen wollten, während andere zum Gipfel gingen.
Ich ziehe es vor, den Berg für mich alleine zu haben oder mit einem anderen Projekt am Berg zu sein. Ich sehe mich schon manchmal im Wettbewerb mit anderen, aber ich habe auch gelernt, dieses Denken bei 8000ern abzulegen. Mir macht es nichts aus, auch einmal zu Versagen. Für mich persönlich ist es zwar kein Versagen nicht auf den Gipfel zu kommen, aber viele Leute um mich herum sehen das anders. Die erste Frage der Journalisten ist, ob man am Gipfel war -wenn nicht, dann hat man versagt.
Billi Bierling/ALPIN: Wie passt du eigentlich in die Bergsteigerwelt rein?
Simone Moro: Inzwischen werde ich schon respektiert, und die italienische Bergsteigerpresse schätzt, dass ich nie vergesse, woher ich komme. Und sie wissen, dass ich auch irgendwo einzigartig bin, wie Steve House oder Ueli Steck, die auch zwei Dinge kombinieren können. Höhenbergsteiger sind normalerweise ‚Arbeiter' und Felskletterer sind ‚Turner oder Athleten'. Es gibt nicht viele Leute, die beides gut können, und ich fühle mich in einem Basislager genauso wohl wie am Fels.
Billi Bierling/ALPIN: Wieviele Expeditionen machst du im Jahr und was machst du, wenn du nicht kletterst?
Simone Moro: Ich mache durchschnittlich zwei Expeditionen im Jahr - früher waren es mehr. Nach einer Expedition ruhe ich mich normalerweise 15 Tage aus, zumal ich das oft nicht einhalte und ziemlich schnell wieder zum Laufen gehe. Einen halben Tag arbeite ich gewöhnlich am Computer und die andere Hälfte verbringe ich mit Reisen, Helikopterfliegen oder Trainieren. Das Fliegen wird allerdings immer wichtiger für mich und ich muss mich manchmal zusammen reißen, dass ich mich in meiner zweiten Tageshälfte nicht nur mit Fliegen und dem Pilotendasein beschäftige und meine PR und Sponsorsachen nicht vernachlässige.
Billi Bierling/ALPIN: Denkst du, dass das Fliegen jemals deine Leidenschaft für das Bergsteigen ersetzen wird?
Simone Moro: Ich denke, dass es einen großen Teil meiner Zeit in Anspruch nehmen wird. Ich habe mich entschieden, nur noch ein oder zwei Expeditionen im Jahr zu machen und meine restliche Zeit mit dem Fliegen zu verbringen. Die Leute wundern sich schon, dass ich nach meiner GII Winterexpedition keine Expedition im Frühjahr oder Herbst mache.
Jedoch werde ich im Mai trotzdem in Nepal sein, um dort einen Monat als Helikopterpilot zu arbeiten. Und so gehe ich trotzdem auf Expedition, allerdings kombiniert mit einer neuen Aktivität. Das Fliegen hat sehr viel mit den Bergen zu tun, denn ich kenne die Berge und die Bedingungen dort sehr gut. Ein ‚normaler' Pilot wird immer besser fliegen können als ich, aber ich kenne die Berge besser. Ich denke, ich werde immer Bergsteigen und in den nächsten 10 Jahren werde ich gewiss weiterhin Expeditionen machen. Wenn ich 50 oder 55 Jahre alt bin, werde ich gewiss weniger machen aber die Berge werden immer wichtig für mich sein.
Ich habe viele Möglichkeiten. Ich bin Bergführer, und ich werde mit meinem Namen gewiss immer Kunden bekommen. Jedoch reicht das nicht für die ‚Frontlinie'. Ich sitze nicht gerne auf der anderen Seite des Schreibtisches und ich führe meine Projekte lieber selber aus. Ich bin noch nicht an dem Punkt, wo ich delegieren will - ich will die Dinge noch selber tun, weil ich die Resultate selber sehen will. Wenn ich beim Bergsteigen nicht mehr in der Frontline bin, dann werde ich beim Fliegen auch nicht mehr ganz vorne dabei sein.
Billi Bierling/ALPIN: Willst du alle 14 8000er im Winter besteigen?
Simone Moro: Ich bin eigentlich schon zu alt dafür und ich denke nicht, dass ich es noch schaffen werde. Für Winterexpeditionen haben wir nur eine Saison pro Jahr und obwohl man eventuell zwei 8000er besteigen könnte, wäre das schon sehr extrem. Ich bräuchte noch viele Jahre dazu und ich denke, dass es für mich zu spät ist. Aber ich hoffe, dass ein jüngerer Bergsteiger dieses Ziel verfolgen wird. Ich werde versuchen noch zwei oder drei 8000er im Winter zu besteigen und mein Traum wäre, die Hälfte, nämlich sieben, im Winter zu besteigen, aber das wird wohl nicht möglich sein.
Billi Bierling/ALPIN: Warum gehst du im Winter? Macht dir die Kälte Spaß?
Simone Moro: Ja, mir macht es Spaß und es gibt mir und den Leuten um mich herum Klarheit, dass ich es etwas anders mache und mir am Berg nicht helfen lasse. Wenn man im Winter geht, zeigt man, dass man nicht unbedingt wegen der körperlichen Leistung geht sondern das Abenteuer suchst. Viele Leute meinen, dass die Besteigung eines 8000ers ein Abenteuer ist, aber so ist das nicht - besonders in guten Bedingungen. Man hat sein eigenes persönliches Abenteuer und das respektiere ich auch. Ich möchte jedoch von Mallory, Bonatti, Messner und Buhl lernen und weiterhin neue Dinge erforschen.
Ich will nicht am Fixseil gehen oder am Berg in der Schlange warten. Im Winter finde ich die Berge so, wie sie vor 1000 Jahren noch waren. Keine Leute und keine Fixseile (und die die vom Vorjahr da sind, sind vom Schnee bedeckt) - man findet überhaupt nichts. Ich will mich ins Abenteuer stürzen und mich von der Bequemlichkeit entfernen.
Billi Bierling/ALPIN: Was vermisst du am meisten, wenn du auf Expedition gehst?
Simone Moro: Ich vermisse eigentlich sehr wenig. Als Italiener bringe ich immer gutes Essen ins Basislager und natürlich auch guten Kaffee. Ab und zu vermisse ich kalte Getränke, weil die im Basislager eher selten sind.
Billi Bierling/ALPIN: Ist es schwierig, Bergsteigerkollegen für Winterexpeditionen zu finden?
Simone Moro: Ich habe in meiner Karriere immer die richtigen Partner gefunden. Es begann alles als ich Boukreev kennenlernte. Vor 13 Jahren traf ich Denis Urubko und mit ihm mache ich genau den Alpinismus, der mir Spaß macht. Er hat noch nie eine Idee von mir nicht gemocht.
Billi Bierling/ALPIN: Wie funktioniert deine Partnerschaft mit Denis - ihr seid doch sehr unterschiedlich.
Simone Moro: Es klappt hervorragend. Wir sind sehr unterschiedlich - genauso wie Lorentan und Troillet, Kukuczka und Wielicki oder Günther und Reinhold Messner. Es sind oft unterschiedliche Persönlichkeiten und wir kombinieren unsere Fähigkeiten sehr gut. Wir müssen nicht viel sprechen, um uns zu verstehen und wir müssen uns auch nicht verstellen. Wenn man sich verstellen muss, dann ist eine Expedition oft zum Scheitern verurteilt, weil man in einer schwierigen Situation vergisst, dass man ja versucht, anders zu sein.
Bei Denis und mir gibt es keinen ‚Anführer'. Wir treffen unsere Entscheidungen immer zusammen und auch wenn wir manchmal unterschiedlicher Meinung sind, klappt es hervorragend. Am GII waren wir ja zu dritt, aber Cory verstand sehr schnell, wie wir funktionierten und er passte wunderbar rein. Mir wurde auch schon gesagt, dass Denis glücklicher ist und mehr Selbstvertrauen hat, wenn er mit mir zusammen ist. Sonst ist er wohl schüchterner und argwöhnisch.
Billi Bierling/ALPIN: Du hast während deiner Karriere auch einige gute Freunde verloren, wie z.B. Anatoli oder Inaki? Wie wirst du damit fertig?
Simone Moro: Manchmal war es einfach Pech und manchmal war es zu viel Ehrgeiz oder schlechte Konzentration. Beim Tod von Anatoli Boukreev hatte er Pech und ich hatte Glück. Auch jetzt am GII hätten wir in der Lawine sterben können. Natürlich bin ich traurig, wenn ich einen Freund in den Bergen verliere, aber ich bin nicht schockiert. Ich weiß, dass sie authentisch und glücklich waren und andere mit ihrem Glück angesteckt hatten bevor sie starben. Ich will auch als jemand erinnert werden, der für seine Träume gelebt hat und bis zur letzten Minute glücklich war.
Das ist auch etwas, was ich meinem Sohn oder meiner Tochter beibringen will. Das trifft nicht nur im Sport zu, sondern auch im alltäglichen Leben, Beruf oder in der Liebe. Wenn du einen Traum hast, dann musst du wissen, dass nichts unmöglich ist. Du musst natürlich hart dafür arbeiten und es kommt auch darauf an, wie hoch du deine Ziele steckst. Alle Freunde die ich verloren habe, haben mir gezeigt, dass es nicht verrückt ist, für seine Träume zu leben. Es ist wichtiger, die Intensität der Gefühle ist wichtiger als ihre Dauer. Ich bin ein glücklicher Mensch, aber es ist wichtig für mich andere mit meinem Glück anzustecken. Wenn meine 12 Jahre alte Tochter zu mir sagt, dass sie Schauspielerin in Hollywood werden will, dann unterstütze ich sie. Aber ich sage ihr natürlich auch, dass sie dazu bereit sein muss, enttäuscht zu werden.
Billi Bierling/ALPIN: Apropos Tochter, wo bleibt bei all deinen Plänen und Projekten eigentlich Zeit für die Familie?
Simone Moro: Ich weiß, es hört sich komisch an, aber ich schreibe das Wort FAMILIE ganz groß in meinen Terminkalender. Wenn ich das nicht mache, dann habe ich keine Zeit weil ich so viel zu tun habe. Es mag sich gefühllos anhören, aber so ist es nicht. So habe ich garantiert Zeit für meine Familie und Zeit für meine Familie bedeutet auch Zeit für mich selbst. Mein Sohn ist inzwischen ein Jahr und zwei Monate alt und ich habe viel Spaß mit ihm.
Am Wochenende nehme ich überhaupt keine Engagements an - die Wochenenden sind rein für meine Familie da. Vor fünf Jahren habe ich ein Haus in Griechenland gemietet, weil ich einen Zufluchtsort brauchte. Im April gehe ich für drei Wochen nach Kalymnos und im Sommer werden wir zwei Monate dort verbringen.
Billi Bierling/ALPIN: Wie kommt deine Familie damit zu recht, dass du so oft weg bist?
Simone Moro: Ich reise generell sehr viel, auch wenn ich in Italien bin. Meine Frau lebt in Bozen und ich habe eine Wohnung in Bergamo. Sie ist lieber in Bozen, denn da hat sie ihre Freunde, und da ich oft unterwegs bin, wäre es sinnlos, wenn sie nach Bergamo ziehen würde.
Billi Bierling/ALPIN: Wie fühlst du dich, wenn du so weit von deiner Famiie weg bist?
Simone Moro: Als ich vor 12 Jahren auf Expedition war und meine Tochter noch ganz klein war, war es irgendwie einfacher. Mit meinem kleinen Sohn ist es etwas anders, weil ich mich verändert habe und auch älter geworden bin. Ich denke, wenn man älter ist fühlt man sich verantwortungsbewusster. Als ich jünger war, war ich zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt.
Wenn ich am Berg bin und mich auf den Gipfel konzentrieren muss, kann ich jedoch total abschalten und schließe alle Gefühlstüren. Wenn ich mich sicher fühle und mich nicht so sehr konzentrieren muss, dann kann ich diese verschlossenen Türen ganz schnell wieder öffnen. Ich denke beim Bergsteigen nicht an meinen Sohn oder an meine Familie, denn das könnte gefährlich werden. Ich habe einen kleinen Schuh von meinem Sohn an meinem Rucksack gebunden und nach der Lawine am GII überlegte ich mir kurz, was gewesen wäre, wenn ich es nicht überlebt hätte - aber nur für einen kurzen Moment.
"Meine Tochter hat seit einem halben Jahr nicht mehr mit mir gesprochen"
Billi Bierling/ALPIN: Gibt es einen Traum, den du noch nicht erfüllt hast?
Simone Moro: Mein großer Traum ist meinen eigenen Hubschrauber zu besitzen. Allerdings bin ich gerade dabei, mir diesen Traum zu erfüllen.
Ich hoffe auch, dass ich weiterhin so bergsteigen kann und noch einige Winterexpeditionen machen kann. Ich habe natürlich viele Projekte, wie z.B. mit Ueli Steck auf Tour zu gehen, aber das ist ein erreichbarer Traum. Und vielleicht will ich noch mal eine neue Route eröffnen.
Billi Bierling/ALPIN: Gibt es etwas in deinem Leben, das du bereust?
Simone Moro: Bis vor einem Monat gab es so etwas gar nicht. Aber ich habe gerade Probleme mit meiner Tochter - sie hat bereits seit einem halben Jahr nicht mehr mit mir gesprochen. Das ist sehr schwierig für mich, aber ich bin auch froh, dass es meine GII Expedition nicht zu sehr beeinträchtigt hat. Es ist ein sehr schwerer Moment in meinem Leben und ich bin sehr traurig darüber. Jetzt würde ich einiges anders machen - glücklicherweise ist es nicht so tragisch für mich weil ich eine positive Person bin, aber es beschäftigt mich schon sehr. Wegen diesen familiären Gründen gehe ich auch nicht auf die geplante Expedition mit Ueli Steck.
Billi Bierling/ALPIN: Wie sieht ein Wochenende mit deiner Familie aus?
Simone Moro: Meine Frau und ich gehen klettern, ich spiele mit meinem Sohn Jonas und wir gehen schwimmen oder raufen. Ich mache viele dumme Dinge mit meinen Kindern und ich bin ein sehr verspielter Vater, was manche Leute vielleicht als dumm ansehen. Wenn ich Zeit mit meiner Familie verbringe bin ich nicht mit meiner Familie sondern für meine Familie da - das ist ein großer Unterschied. Ich bin vielleicht nicht immer anwesend, aber wenn ich da bin, bin ich 100 Prozent da.
Billi Bierling/ALPIN: Kannst du auch mal stillsitzen?
Simone Moro: Eigentlich nicht. Manchmal lese ich ein Buch, aber ich bin kein großer Leser. Vielleicht liegt es daran, dass ich viel Zeit damit verbringe, an meinem Buch oder einen Artikel zu schreiben. Ich habe sehr viel zu tun, aber es macht mir Spaß. Meine Arbeit ist kein Opfer für mich und ich habe ja viel Energie. Manchmal wünschte ich allerdings, der Tag hätte 48 Stunden.
In meinem Buch schreibe ich über Winterexpeditionen. Es geht um die GII Expedition, jedoch gibt es mir auch die Möglichkeit, den Lesern zu erklären, warum ich gerne auf Winterexpeditionen gehe und wie es am Broad Peak oder am Sisha Pangma war.
Billi Bierling/ALPIN: Gibt es eine Expedition, die für die etwas ganz besonderes war.
Simone Moro: Die Expedition in Pamir im Jahr 1999, auf der ich Denis kennengelernt habe und in ihm einen neuen Partner fand, was sehr wichtig für mich war, nachdem ich 1997 Anatoli verloren hatte. Diese Expedition öffnete eine neue Welt für mich - eine Welt von der mir Anatoli schon sehr viel erzählt hatte. Damals waren wir sehr von Amerika beeinflusst, und durch Denis änderte ich meine Meinung über den Osten. Ich entdeckte eine neue Welt, neue Berge, einen neuen Himalaya an einem Ort der nicht im Karakorum oder im Himalaya war. Ich entdeckte viel, und vor allem entdeckte ich mich selbst.
Billi Bierling/ALPIN: Wo gehst du lieber Bergsteigen - in Nepal oder Pakistan?
Simone Moro: In Nepal fühle mich mich mehr zuhause. Alles ist einfach und es gibt für alles eine Lösung. In Pakistan sind die Dinge komplizierter und es ist vielleicth ein größeres Abenteuer. Allerdings gibt es in Pakistan noch mehr zu erforschen.