Im Rahmen einer über den DAV Summit Club organisierten Expedition versuchten vom 31.3.-2.6. elf Bergsteiger aus Deutschland und Südtirol um den Bergführer Luis Stitzinger (41) und seine Lebensgefährtin Alix von Melle (38) aus Höhenkirchen bei München über die klassische Franzosenroute von 1955 durch die Westflanke des Berges zum Gipfel zu gelangen. Wie schon beim Gasherbrum II, 8035 m (2006), Nanga Parbat, 8125 m (2008) und Dhaulagiri, 8167 m (2009) plante Stitzinger darüber hinaus eine Skibefahrung des Berges.
Alles nach Plan - zunächst
Nach der Anreise über die nepalesische Hauptstadt Kathmandu führte die Bergsteigergruppe ein zehntägiges Trekking von Tumlingtar ins 5650 Meter hoch gelegene Advanced Basecamp auf der Westseite des Berges. Nachdem sich die Gruppe dort als Erstankömmlinge eingerichtet und akklimatisiert hatte, konnte sie zunächst rasche Erfolge verzeichnen.
Am 16.4. wurde Lager 1 (C1, 6300 m), am 19.4. Hochlager 2 (C2, 6800 m) eingerichtet. Die darauf folgende Versicherung der steilen Fels- und Eispassagen mit Fixseilen zum Makalu La (7400 m), einer weiten Einsattelung in 7400 Meter Höhe, nahm längere Zeit in Anspruch und wurde mehrmals von schlechtem Wetter behindert.
Am 4.5. war dann alles bereit für den Gipfelversuch - genau 2 Tage zu spät, um das noch andauernde Schönwetterfenster vor Einzug des Jetstreams, eines das Höhenklima bestimmenden Starkwindbandes, nutzen zu können.
Zum Warten verdammt
Wiederholte Anrufe beim Meteorologen Charlie Gabl in Innsbruck erbrachten stets nur dieselben ernüchternden Aussichten: Die Wetterlage hielt beständig an, der Jetstream richtete sich über Ostnepal heimisch ein.
Derweil schien über dem Advanced Basecamp, in seiner geschützten Moränenmulde unterhalb des Chago-Gletschers, ungetrübt die Sonne. An Graten und Flanken zeigten kilometerlange Schneefahnen jedoch, was in der Höhe passierte.
Nach langen Tagen des Wartens und einem missglückten Gipfelversuch zwischen 13.-15. Mai, der bereits am Makalu La, 7400 m, aufgrund zu starken Windes endete, ging den meisten Teilnehmern die Zeit aus. Sie kehrten über ein fünftägiges Trekking nach Lukla und Kathmandu zurück.
Nur Josef Lunger, Alix von Melle und Luis Stitzinger verlängerten und harrten weiter aus. Schließlich zeichnete sich um den 20.5. ein neues Wetterfenster mit schwächerem Wind ab. Einen Tag später verließen die drei Bergsteiger das ABC und stiegen über die Lagerkette höher.
Am 23.5. errichteten sie ihr höchstes Lager C4 unter einem Hängegletscher auf 7800 m Höhe. Am 24. brachen sie gegen 2.00 Uhr Morgens zur Gipfeletappe auf. Starker Schneefall veranlasste die Truppe jedoch schon nach wenigen Stunden Aufstieg (ca. 8050 m) abzubrechen und in ihr Lager zurückzukehren. Zu schlecht war die Sicht, zu mühsam das Vorwärtskommen.
Da war es nur noch einer
Die Bergsteiger beschlossen, auf das angekündigt bessere Wetter des Folgetages zu setzen. Dieses kam dann auch mit sternenklarem Himmel und Windstille. Doch die Temperaturen beim Verlassen des Camps auf 7800 m gegen 1.00 Uhr Nachts waren auf -45 Grad Celsius gefallen. Ohne künstlichen Sauerstoff - nahezu alle Bergsteiger außer den drei Deutschen verwendeten Flaschensauerstoff zum Aufstieg in der Gipfeletappe - eine extreme Belastung für den Körper.
Auf ca. 8000 m Höhe entschloss sich Stitzinger aufgrund von Problemen mit der Kälte und der Atmung umzukehren, von Melle begleitete ihn ins Lager mit zurück. Lunger, der eine halbe Stunde eher aufgebrochen war und sich besser fühlte, schaffte den Anschluss an eine zuvor aufgebrochene Gruppe und erreichte mit einigen ihrer Teilnehmer gegen 12.30 Uhr bei guten Verhältnissen den Gipfel, 8485 m.
Im Abstieg musste er zusammen mit anderen Bergsteigern eine in Not geratene Britin retten und ins Lager geleiten, ein griechischer Teilnehmer derselben Bergsteigergruppe war bereits zuvor am Gipfelgrat verschwunden und gilt noch immer als verschollen.
Zurück im Basislager musste dann rasch aufgebrochen werden, um rechtzeitig zum Rückflug in Kathmandu einzutreffen. Von acht Expeditionen am Berg erreichten während dieser vom Jetstream geprägten, schwierigen Saison im Vormonsun 2010, gerade einmal neun Bergsteiger den Gipfel - davon lediglich 2 ohne Zuhilfenahme von künstlichem Sauerstoff.
Text: Verena Stitzinger / Agentur Wortwerk
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