Offener Brief: Eine neue Erschließungswelle in den Alpen?
Gleich mehrere Bauvorhaben in den Bayerischen Alpen werden in letzter Zeit heiß diskutiert: Sogenannte "Flying Foxes" im Wettersteingebirge und bei Bayrischzell - und zwei Aussichtsstege am Osterfelderkopf bei Garmisch-Partenkirchen. Klar, dass wir uns Gedanken machen, wie wir solchen Erschließungsplänen im Gebirge gegenüberstehen.
Was könnten die Gründe für die Befürwortung der Aussichtsstege sein? Sind es wirklich die Menschen, die nur durch künstliche Vorrichtungen für die Bergwelt begeistert werden können? Reicht nicht die herrliche Hochgebirgslandschaft als solche dazu aus? Und zwar umgekehrt: Je ursprünglicher sie ist, desto tieferen Eindruck hinterlässt sie bei den Besuchern?
Dass durch die Stege "Menschen für die Bergwelt begeistert werden, die ansonsten nicht zu begeistern wären", kann bezweifelt werden. Muss denn wirklich jeder für die Bergwelt begeistert werden? Und gibt es nicht im Wetterstein bereits genügend Bahnen und Steige, von denen aus man die wilde Hochgebirgslandschaft erleben kann? Brauchen wir wirklich diejenigen Touristen, die erst durch spektakuläre Einrichtungen auf den Kick gebracht werden müssen?
Wollen wir uns Besucher "erziehen", denen unsere Bergkulisse nur Kulisse ist und denen sie sonst nichts bedeutet? Haben wir uns nicht schon lange dem schnöden Mammon und dem Ausverkauf unserer Bergwelt unterworfen? Soll diese Entwicklung konsequent weiterverfolgt werden? Müssen wir wirklich jede Investition für gut befinden, die ausschließlich Geld in die Kassen spülen soll?
Durch Vorrichtungen wie die geplanten, werden die Berge zu einer billigen Erlebniskulisse und zu einem Konsumartikel degradiert, was nicht im Sinne der Allgemeinheit sein kann. Doch genau darauf zielen die Stege und der Mega-Flying-Fox ab: den Nichtalpinisten das Gefühl der Ausgesetztheit und Berauschtheit zu geben.
Dagegen beziehen wir eindeutig Stellung, weil solche Installationen die Natur inszenieren, statt sie authentisch erlebbar zu machen. Das Argument mancher Befürworter, in dem ohnehin schon voll erschlossenen Gebiet käme es auf das auch nicht mehr an, ist zwar aus deren Sicht nachvollziehbar - jedoch allein die Tatsache, dass ein Gebiet bereits verbaut ist, rechtfertigt noch nicht, dass dort einfach weitergebaut wird.
Man möge sich bitte das Szenario vor Augen führen, wenn diese Entwicklung weitergeht: ein Las Vegas im Wetterstein. Disneyland und das Oktoberfest wären dann die direkte Konkurrenz der Zugspitz- und Wendelstein-Region. Wollen wir das? Kann so die Zukunftsvorstellung für unsere Heimat aussehen?
Und geht es nicht zuletzt um eine gewisse Ethik, wie wir mit unserer Natur, unserer (Berg-) Heimat, umgehen? Sensible Naturräume verdienen direkten, aber auch ethischen Schutz. Wir sagen, dass die Tourismusbranche auf Kosten der Natur oder der Anwohner eine zweifelhafte Richtung einschlägt und fordern, dass die Konzepte neu überdacht werden müssen.
Neben der optischen Verschandelung der Landschaft haben "Flying Foxes" oder Aussichtsstege mindestens noch eine zweite negative Auswirkung auf die Natur: Durch die Magnetwirkung der "Attraktionen" sollen noch mehr Menschen in die Berge gelockt werden, was die ohnehin schon vom Autoverkehr gebeutelten Regionen weiter belastet. Auch das ist ein Problem, dass offenbar nicht mit eingeplant wurde.
Wir stehen für die Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus und setzen uns für die naturverträgliche Bewahrung unserer Berge ein.
Unterschrieben von:
Stefan Glowacz Alexander Huber Thomas Huber Hans Kammerlander Ralf Dujmovits Gerlinde Kaltenbrunner Kurt Albert Jürgen Winkler Bernd Ritschel
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