Update vom 01.02.: Es wird noch wilder - Everest-Besteigung mit 2?@(zwischenHeadlineTag)>
Nachdem vor einigen Tagen eine Meldung für Aufsehen gesorgt hatte, in der viele Medien verkündeten, eine Vierjährige habe den Everest bestiegen (siehe weiter unten), wird es jetzt noch wilder. Aktuell wird selbiges einem Zweijährigen zugeschrieben. Focus.de, bild.de, rtl.de: Diese Plattformen und viele mehr buhlen mit der Überschrift, ein schottisches Ehepaar hätte seinen zweijährigen Sohn auf den Mount Everest "geschleppt" um Klicks.
Wie schon im Fall der Vierjährigen, hat auch der Zweijährige selbstverständlich nicht - wie in den Überschriften behauptet - den höchsten Berg der Welt (8.848 m) bestiegen, sondern "nur" das weit über 3.000 Höhenmeter tiefer gelegene Basecamp erreicht, das ohne technische Schwierigkeiten auf verhältnismäßig bequemen Wegen erwandert werden kann.
Gewiss ist bei einer Tour, die auf 5.400 Meter Höhe führt, richtige Akklimatisierung für jeden Mensch, ob jung oder alt, ein wichtiges Thema, das nicht unterschätzt werden darf. Mit den Gefahren einer Everest-Besteigung hat ein Trekking ins Basislager dennoch absolut nichts zu tun!
Es erstaunt, wie oft die Frage "Basecamp oder Gipfel?" in den Überschriften zu den Artikeln über die Trekking-Tour der schottischen Familie falsch beantwortet wird. Wissen es unsere Journalisten-Kollegen tatsächlich nicht besser? Ist für sie das Basecamp wirklich gleich dem Gipfel? Oder wissen sie es und schreiben es dennoch falsch, weil sie gleichzeitig wissen, "Basecamp" ist nicht so klickbringend wie "Gipfel"? Und welche der beiden Möglichkeiten ist weniger bedenklich?
Ach ja, wie aktuell ist diese aufregende Geschichte eigentlich, die bild.de als "irren" und "leichtsinnigen Gaga-Trip" geißelt, deretwegen die Eltern als "Ballaballa-Briten" zu bezeichnen und dem Social-Media-Mob zum Fraße vorzuwerfen sind? Gar nicht. Im Bericht der britischen "Daily Mail", auf den sich bild.de und andere deutschsprachige Medien beziehen, heißt es, die Familie habe das Basislager bereits am 25.Oktober 2023 erreicht.
Mehr - sorgfältig recherchierte - Fakten aus der Besteigungsgeschichte des Everest findet ihr in unserer Fotogalerie "Mount Everest: Erfolge und Tragödien".
Meldung vom 16.01.: Vierjährige besteigt den Everest? Nein! – Eine Einordung@(zwischenHeadlineTag)>
Man hat kein leichtes (Berufs-)Leben als Online-Journalist. Unter hohem Zeitdruck müssen Artikel geschrieben werden, die eine möglichst hohe Reichweite generieren. Klicks bringen Werbeeinnahmen, die für viele redaktionelle Webseiten die einzige Einnahmequelle darstellen. Das funktioniert oft mit schnell (ab)geschriebenen und somit kostengünstigen "Knaller-Meldungen" besser als mit zeitaufwändigen, sorgfältig recherchierten Stücken.
Rekorde klicken gut, und am Mount Everest wurden schon einige skurrile Bestmarken erzielt und medial verbreitet. Beinamputierte und anders schwer gehandicapte Personen, Veganer, Senioren und Kinder bestiegen bereits den höchsten Berg der Welt.
Diese Gemengelage erklärt wohl, dass seit einigen Tagen eine Meldung durch den digitalen Blätterwald rauscht, deren Überschrift aufhorchen (und mutmaßlich viele klicken) lässt: "Vierjährige besteigt den Everest" ist beim Münchner Merkur, bei T-Online, heute.at, oe24.at, msn.de, dem Netz-Auftritt der Frankfurter Rundschau und vielen, vielen weiteren Webseiten zu finden. Gerne noch (siehe Ergebnis Google-Suche) mit dem klickfördernden Zusatz "Weltrekord!" garniert.
In den Artikeln liest man dann zum Beispiel: "Während gleichalterige [sic] Kinder meist Fahrrad fahren oder Schwimmen lernen, bestieg das Mädchen gemeinsam mit ihrem Vater und ihrem sieben Jahre alten Bruder den Mount Everest."
Vierjährige besteigt Everest im Winter: Echt jetzt?@(zwischenHeadlineTag)>
Bislang galt ein 13-Jähriger als jüngster Everest-Besteiger. Und nun: eine Vierjährige. Auf dem höchsten Berg der Welt. Im Winter. Echt jetzt?
Primärquelle der Meldungen ist offenbar ein Instagram-Post des Accounts sasha.jede.
Darin wird geschildert, wie ein Mädchen namens Zara im Alter von 4 Jahren und 5 Monaten nach einer langen, mehrtägigen Wanderung von Jiri in Nepal das Basislager des Mount Everest auf 5.400 Metern Höhe erreicht habe. Weiter heißt es, sie sei damit "die jüngste Frau der Welt", der dies je gelungen sei.
Die Wanderung von Jiri zum Everest-Basislager ist eine der bekanntesten Trekkingrouten im Himalaja und wird von vielen Anbietern als Pauschalreise angeboten. Um "Bergsteigen" handelt es sich dabei nicht, sondern um eine - je nach Streckenführung - mindestens 150 Kilometer lange Wandertour auf recht gut ausgebauten Wegen, die von der einheimischen Bevölkerung als "Hauptverkehrstraßen" zum (unmotorisierten) Lastentransport mit Mulis oder Yaks verwendet werden. Oft wird die Strecke in 12 bis 14 Tagen absolviert.
Sollte Zara, wie in dem Post behauptet, die Strecke tatsächlich komplett selbst gelaufen sein, ist das eine außerordentliche Leistung für ein Kleinkind. Zur eigentlichen Distanz (im Post ist von 270 Kilometern die Rede) kommen die Kälte im winterlichen Himalaja und die Belastung für den Organismus durch die Höhe.
Bedenklicher Trend im Journalismus?@(zwischenHeadlineTag)>
Die Leistung Zaras kann man sicher berichtenswert finden. Aber man kann, man darf nicht behaupten, dass sie den Gipfel bestiegen hätte. Erst recht nicht in der Überschrift, über die viele beim "Lesen" gar nicht hinauskommen. Dass eine Vierjährige den Everest besteigt, ist Unsinn!
Wie die Meldung in die Welt kam, wie aus einer Trekkingtour ins Basislager des Mount Everest die Besteigung des Berges wurde? In dem Post ist davon nicht die Rede. Wer als Erstes eine Besteigung fabulierte und und wie es dazu kam, dass so viele dies abgeschrieben haben, wissen wir nicht.
Bedenklich finden wir es schon. Man kann als Journalist nicht von allem eine Ahnung haben. Ein bisschen Recherche vor dem Abschreiben und ein wenig journalistische Sorgfalt wären aber sicher angebracht. Manchmal lohnt es sich, eben nicht als erstes jede "Knaller-Meldung" rauszuhauen ...
11 Kommentare
Kommentar schreibenMal eine ganz andere Sache. Hut ab bei den Eltern. Aber muss man einem Kleinkind, welches nicht dort geboren wurde, generell so eine Trekking Tour zumuten? Die Höhe bleibt nun mal. Vermutlich findet das etliche Nachahmer, die sich nicht vernünftig vorbeibringen oder mit dem Thema genügend auseinandersetzen.
Ich war dort. Ich weiß, wie schwer das ist. Ich war aber "ganz oben" nicht. Hab die Schlagzeilen zu den beiden Kindern ungläubig aufgenommen. Hab weiter gelesen, um mehr zu den Hintergründen zu erfahren. Nichts. Deshalb kehre ich zu meiner Meinung und Überzeugung zurück (glaube höchstens die Hälfte, wenn du mehr nicht hast) und schließe mich den warnenden Betrachtungen des Herrn 'Rupprecht' an. Danke an 'Bruno' und Berg Heil und für die Erweiterung des Horizontes. An 'Rekord' ein Wort : lustige Anmerkungen. Find ich optimistisch und viel mit Augenzwinkern. Aber achte auf die deutsche Rechtschreibung mit den Interpunktionen. Allen dann weiter gute Aufmerksamkeit. Es laufen genug...Leute draußen rum. Bergfreak Steffen (der Island Peack um die Ecke war hoch genug) :-) ??
Und wie sich alle unter dem Post der Bild das M... zerreissen! "Kind wegnehmen"! "Knast"!! Wenn man sowas liest, wundert einen der Stimmennateil der ekelhAFDen nicht mehr. BILD Dir Deine (faktenfreie) Meinung!
Die Eltern sind mit ihren Kind mit ins Basecamp 1 aber nicht zum Gipfel hinauf! Was ist so schlimm daran?
Alles eine Frage der Ausrüstung Seiddem Ich meine neuen Bergschuhe habe brauche ich kein Sauerstoff mehr auf dem weg zum Gipfel. Ok ich bin auch erst auf der Höhe von Dresden aber immerhin. Auch mit meinen neuen LL Ski hat mich derTingesbö noch nicht überholt. Alles wahr und nur eine geschickte Darstellung aber sowas wird natürlich nicht gedruckt. Vierjährige haben halt zusätzlich den niedlich Faktor.
Wulf, das mit dem "Teufelskreislauf" stimmt, nur von der anderen Seite gesehen... Es ist eher der Fakt, dass die Leute immer mehr schlechten Journalismus bekommen und für diesen dann selbstverständlich nichts mehr zahlen wollen, etc. etc. nicht umgekehrt!
Und ob guter oder schlechter Journalismus - wenn sogar die Frankfurter Rundschau das unkontrolliert weitergibt, liegt es wohl nicht an deren Leser, oder? Ansonsten war hier bereits vor einer Woche in tschechischen Internet-Zeitungen ein Bericht und ein Video-Interview mit dem Mädel, aber wenn man zu Faul ist, selbst diese Quellen außer acht zu lassen, dann spricht das Bände für meine These und gegen den "guten Journalismus". Mit Bergsteigergruß, Bruno
Teufelskreislauf: Die Leute wollen immer weniger für guten Journalismus bezahlen. Daher kriegen sie schlechten. Daher wollen sie immer weniger dafür zahlen. Daher kriegen sie noch schlechteren Journalismus usw. usw.
Also zählt das Basislager für viele Medien schon als Gipfel?
Da wird Ki in Zukunft noch eine Menge „Enten“ liefern.
... Lehrstück, wie man Vertrauen in Medien (ab)schafft.