Es ist 30 Jahre her. Für ihn eine kleine Ewigkeit. Das liegt daran, dass sein Leben sehr dicht verläuft - was er alles erlebt hat, dafür reichen normalerweise mehrere Menschenleben nicht. Die Rede ist von Wolfgang Nairz, dem Bergprofessor, der in Innsbruck lebt. Er war dabei, als 1978 das damalige Duo Messner/Habeler die Schlagzeilen machten. Dabei? Er war Leiter dieser Expedition!
Am 8. Mai 1978 um ca. 13.00 Uhr schafften Reinhold und Peter das, was im Kreis der Profibergsteiger und der interessierten Weltöffentlichkeit als absolut unmöglich eingestuft wurde. Einen hohen Achttausender, gar den Höchsten der Hohen, ohne Flaschensauerstoff zu besteigen. Die Welt bekam ihren Beweis.
Bereits am 3. Mai gab es eine Sensation aus österreichischer Sicht: Die erste rotweißrote Seilschaft stand am höchsten Punkt der Erde. Der 54. Bezwinger des Everest hieß Wolfgang Nairz. Mit dabei im Quartett: Horst Bergmann, der Sherpa Ang Phu und der 24-jährige Steirer Robert Schauer.
"Wir hatten damals das Beste, was es im alpinen Sektor gab, dabei. Die ersten Kunststoff-Pickel, die Sherpas hatten noch Holzpickel. Es gab die ersten Steigeisen mit Bindung – zum Testen. Heute geht jeder mit einem Plastik-Schuh, wir hatten Lederschuhe, außen Schale, zweiter Innenschuh aus Leder und drinnen noch ein Filzschuh. Jeder Schuh wog drei Kilogramm!"
Expeditionsleiter Nairz hatte die Taktik ausgetüftelt: "Wir bildeten Teams. Und die wurden genau eingeteilt. Ein ständiges Rotieren, bis die Lagerkette aufgebaut war. Dann hat man sich im Basislager zusammengesetzt und gefragt: Wer fühlt sich jetzt fit als erste Gipfelmannschaft? Das waren Heli Hagner, Hans Schell, Raimund Margreiter. Horst Bergmann, Robert Schauer, Ang Phu und ich waren die zweite Mannschaft etc."
"Reinhold und Peter - das absolute Dreamteam"@(zwischenHeadlineTag)>
Aber was war mit Reinhold Messner und Peter Habeler?
"Reinhold und Peter, zu dieser Zeit das Dreamteam schlechthin, hatten von vornherein eine Sonderstellung in der Expedition, das war kein Problem, für keinen von uns. Sie hatten, weil sie den Everest ohne künstlichen Sauerstoff wagen wollten, das Privileg, dann gehen zu dürfen, wann sie sich dazu in bester Verfassung fühlten. Und sie gingen zwar als Erste los, Peter aber musste wegen Magenverstimmung wieder umdrehen. Und am Südsattel waren im Sturm dramatische Verhältnisse, so dass Peter Zweifel hatte, ob er noch mal losgehen sollte. Aber wenn er mit Sauerstoff hätte gehen wollen, hätte er sich wieder hinten anstellen müssen. Unsere interne Vereinbarung war nämlich so: Wenn eine Mannschaft nicht aufsteigen kann, soll sie nicht oben warten, bis die Verhältnisse sich ändern, sondern die müssen sich wieder hinten anstellen. Damit jede Gruppe eine Chance hat!"
Aber wie ging es bei der österreichischen Expedition weiter?
"Inzwischen ist die erste Gipfelmannschaft aufgestiegen, sie hatten aber keine guten Verhältnisse, es gab auch gesundheitliche Probleme, so dass sie im Lager III umdrehen mussten. So sind wir als erste Gipfelmannschaft vorgerückt. Wir hatten bessere Bedingungen und waren bei besten Kräften, bis zum Südsattel war die Lagerkette aufgebaut. Vom Südsattel nach oben mussten wir dann alles selber machen, mit 25 bis 30 Kilo am Rücken wurde das Material für ein 5. Hochlager auf 8500 Meter raufgeschleppt. Von dort ging es dann zum Gipfel."
Übrigens war auch einem Deutschen Expeditionsmitglied ein Erfolg beschieden, kein geringerer als der damalige Ausnahmekletterer Reinhard Karl stand drei Tage nach der Messner/ Habeler-Sensation als erster Deutscher am Gipfel. Für Nairz ein Wechselbad der Erinnerung: "Der Reinhard hatte am Anfang als 'Preiß' unter lauter Tirolern kein leichtes Leben. Aber wir haben uns gut angefreundet. Das zeigt ja auch, dass wir gemeinsam wieder auf Expedition gefahren sind. 1982 waren wir zusammen am Cho Oyu. Wir waren auf ca. 7000 Meter in der Südwand des Cho Oyu im letzten Lager, bevor wir zum Gipfel gehen wollten. Traumhaftes Wetter, Reinhard hatte Schnee herein geholt zum Kochen. Der Kocher stand in der Mitte zwischen uns. Da begann es zu rumpeln. Eine Eislawine hatte unser Zelt verschüttet. Ich war bewusstlos und weiß alles nur von Erzählungen. Den Reinhard hatten die anderen nach einer halben Stunde ausgegraben, da war er schon tot. Ein Eisbrocken hat ihn erschlagen. Ich wurde erst nach einer Dreiviertelstunde ausgegraben, Knöchelzertrümmerung, Schienbeinbruch, aber ich war am Leben."
Am 8. Mai 2008 wird auf Schloss Sigmundskron, dem Messner Mountain Museum, gefeiert - die erste österreichische Besteigung und vor allem der Erfolg des damaligen Dreamteams. Und der anschließende Zwist zwischen Reinhold und Peter?
"Das, was danach zwischen Peter Habeler und Reinhold Messner war, das ist ein Thema für sich, aber auch eine andere Geschichte. Und heute lacht man drüber. Reinhold war sauer und Peter war anderer Ansicht, so was gibt es eben. Heute sitzen wir genauso beieinander. Wir können uns heute alle noch in die Augen sehen."
Wolfgang Nairz bekam für seine herausragenden Verdienste den Titel "Professor" verliehen. In große Höhen treibt es ihn noch immer, er betreibt ein Ballonfahrt-Unternehmen. In seiner Innsbrucker Wohnung ist er umgeben von Erinnerungen aus Nepal - dem Land, welches er besonders liebt. "Jedes Jahr hole ich 30 Sherpas nach Tirol. Die bekommen - von der EU genehmigt - eine Ausbildung im Lodge-Management-Training, Hütten-Bewirtschaftung, so dass sie das drüben anwenden können. Sie verdienen so viel Geld, dass die Familie zwei bis drei Jahre davon leben kann."
Einige seiner Freunde sind tödlich verunglückt, Wolfgang Nairz hat manch kitzelige Situation erlebt, kann in Gesundheit die Berge der Dolomiten oder Tirols erklettern, wird Nepal die Treue halten. Wolfgang Nairz hat im Mai viele Gründe, um zu feiern.