Online-Extra zum großen Interview in ALPIN 01/2008

Ralf Dujmovits: "Ich habe nur noch geheult"

Er ist Deutschlands erfolgreichster Achttausendermann. Ralf Dujmovits im ausführlichen Gespräch mit Dirk von Nayhauß präsentieren wir Ihnen in ALPIN 01/2008. Auf alpin.de veröffentlichen wir für Sie als kleinen Vorgeschmack exklusiv weitere spannende Antworten von Ralf Dujmovits.

Ralf Dujmovits: "Ich habe nur noch geheult"
Extrem Ehrlich: Ralf Dujmovits. Bild: Dirk von Nayhauß.
Extrem Ehrlich: Ralf Dujmovits. Bild: Dirk von Nayhauß.

ALPIN: 2004 warst du zusammen mit Gerlinde auf der Annapurna. Nur mit sehr viel Glück seid Ihr wieder heil runtergekommen. Hast Du Dich für sie verantwortlich gefühlt?

Ralf Dujmovits: Nein, ich wüsste wirklich niemanden, der oder die in der Höhe so stark ist wie sie.

ALPIN: Eigentlich wolltest du vorzeitig absteigen.

Ralf Dujmovits: Aber am nächsten Morgen war das Wetter fantastisch, und ich hatte ein gutes Bauchgefühl. Ich habe über die Jahre angefangen, an dieses Bauchgefühl zu glauben.

ALPIN: Wie oft hat dich dein Schutzengel gerettet?

Ralf Dujmovits: Auf den verlasse ich mich nicht. Ich begebe mich sehr schwer in ein unkalkulierbares Risiko, drehe eher mal um. Ich bin etwas älter und vernünftiger geworden. Infos, Daten, Fakten: Ralf Dujmovits kompakt ALPIN: Es muss nicht mehr ganz so riskant sein?

Ralf Dujmovits: Ich habe einen Sohn und eine Tochter. 1989 bin ich am Nuptse den Nordwestgrad gegangen, das würde ich nie wieder machen. Die letzten fast 1000 Höhenmeter war ich solo, obwohl es über weite Strecken dermaßen überwechtet war - das grenzte schon an Harakiri. Als ich oben war, habe ich nur noch geheult. Es hat gestürmt, ich habe mich entsetzlich allein gefühlt und hatte keine Ahnung, wie ich von dem Ding wieder runterkommen sollte.

ALPIN: Gerlinde hat viele Sponsoren, ist viel in der Presse. Regt sich da bei dir so was wie Neid?

Ralf Dujmovits: Gar nicht. Ich gönne ihr das, freue mich für sie. Ich habe das 1999 mit "Eiger live" erlebt, als ich mit drei anderen die Nordwand fürs Fernsehen geklettert bin. Daher weiß ich, dass das einem viel Freizeit nimmt, dass die Präsenz in der Presse ganz schön anstrengend sein kann.

ALPIN: Ihr musstet wegen Schneefalls auf 7400 Meter in einer kleinen Felsnische zwei Nächte biwakieren.

Ralf Dujmovits: Ja, wir waren zu dritt in einem 1,20 Meter breiten Zelt. In der zweiten Nacht war alles nass, die Luft ohnehin schlecht. Ich habe kaum geschlafen, bin mehrmals stöhnend aus Alpträumen aufgeschreckt. Ich hatte mir wohl zu deutlich ausgemalt, was es bedeuten würde, diese Wand abklettern zu müssen. Es lag viel Neuschnee, der Felsriegel unter uns war richtig brüchig. Wir hatten ein Fünf-Millimeter-Seil dabei, das wäre ziemliche ätzend geworden.

Gemeinsam auf Höhenflug: Gerlinde Kaltenbrunner und Ralf Dujmovits. Foto: Ralf Dujmovits.
Gemeinsam auf Höhenflug: Gerlinde Kaltenbrunner und Ralf Dujmovits. Foto: Ralf Dujmovits.

ALPIN: Macht so was trotzdem Spaß?

Ralf Dujmovits: Natürlich war das ein hartes Biwak, natürlich führe ich manchmal mit meinem Schweinehund harte Kämpfe aus, natürlich tut es saumäßig weh, wenn die kalten Hände wieder auftauen - aber ich empfinde das nicht als Leiden. Die Trennung von meiner ersten Frau, das waren viel härtere Momente, als ich sie jemals beim Bergsteigen erlebt habe. Das zu verdauen, die schlaflosen Nächte... Doug Scott hat es wohl ähnlich empfunden, in seinem Buch "Himalayan Climber" schreibt er: Alle Expeditionen seien nicht so hart gewesen wie die Trennung von seiner Frau.

ALPIN: Du hast einen 17-jährigen Sohn. Hat Joshua Angst um dich?

Ralf Dujmovits: Ja. Er nimmt vor den 8000ern immer schwerer Abschied von mir, und er schreibt tolle Abschiedsbriefe. Er hatte mich inständig gebeten, nicht ein zweites Mal an den K2 zu gehen.

ALPIN: Du bist trotzdem hin.

Ralf Dujmovits: Es gibt keinen schöneren Berg.

ALPIN: Und dein Sohn?

Ralf Dujmovits: Ich habe ihm erklärt, dass mir noch nie ernstlich etwas passiert ist und ich sicher zurückkomme. Dass es mich glücklich macht, wenn ich dort unterwegs sein kann. Infos, Daten, Fakten: Ralf Dujmovits kompakt ALPIN: Hast du ein schlechtes Gewissen?

Ralf Dujmovits: Ich habe mit meinem Sohn ein sehr intensives Leben. Aber ich glaube, dass ich auch ein Recht auf ein eigenes Leben habe, wo ich selbst entscheide, was ich mache.

ALPIN: Oft heißt es: Wie kann man als Extrem-Bergsteiger Kinder haben! Unverantwortlich!

Ralf Dujmovits: Gerlinde hat für sich entschieden: Weil ich auf die großen Berge steige, möchte ich keine Kinder haben. Vor dieser Entscheidung habe ich großen Respekt. Aber ich kenne das Gefühl, Kinder zu haben, das ist unglaublich bereichernd, das wollte ich nicht missen.

ALPIN: Du hast einen Sohn, deine Firma, trainierst viel mit Gerlinde: Wann triffst du dich mal mit Freunden?

Ralf Dujmovits: Die müssen leider zurückstecken. Ich habe zwei sehr gute Freunde, diese Beziehungen pflege ich. Einer ist auch Bergsteiger, der andere Kabarettist.

ALPIN: Du warst mit Rob Hall befreundet, der 1996 als Bergführer am Mount Everest umkam. Wie erklärst du dir, dass er es zu der Katastrophe kam, dass er nicht früher umkehrte?

Ralf Dujmovits: Der Everest kostete bei Rob 60.000 Dollar. Nun hatte er ein Jahr zuvor seinen Kunden Doug Hansen am Südgipfel gedrängt, umzukehren. Die beiden hatten sich aber angefreundet, und 1996 hatte Rob wohl den Ehrgeiz, mit Hansen oben zu stehen. Das ist ihm auch gelungen, aber da konnte sich Doug Hansen kaum noch auf den Beinen halten.

ALPIN: Kritiker meinen, es dürfe an 8000ern keine kommerziellen Expeditionen geben, weil dadurch zu viele Bergsteiger am Berg seien.

Ralf Dujmovits: Gerade von jungen Nachwuchsprofis kommt das als billige Ausrede. Eigentlich scheuen sie das Risiko, an einem 8000er zu scheitern. Es gibt ohnehin nur ganz wenige, die dort neue Routen probieren. An den meisten hohen Bergen werden nur eine, maximal zwei Routen begangen. Wer seine Ruhe haben will und das Abenteuer sucht, hat genug Platz.

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