Im Gespräch mit ALPIN erklärt der erfahrene Chirurg und Expeditionsleiter Urs Hefti unter anderem, weshalb es besser ist, schwierigere und gefährlichere Touren zu verschieben und weshalb beim Klettern auch draußen auf einem Standplatz besser nicht gesprochen werden sollte.
Hefti weiß als Chirurg, dass Masken die Leistungmacht grundsätzlich nicht einschränken. Als höchster Mediziner des Weltverbandes der Bergsportverbände macht er sich für maßvolle Einschränkung bei Bergsport-Aktivitäten stark.
Urs Hefti, sie gehören als Sportmediziner zur "Covid Crisis Consultation Taskforce" des Weltdachverbandes der Bergsportverbände (UIAA). Sind Bergsport-Aktivitäten an der frischen Luft überhaupt noch gesund oder schon eher gefährlich?
Sport ist nach wie vor gesund! Bergsport sowieso. Gerade in psychisch belastenden Situationen wie in der für uns alle etwas schwer einzuordnenden Pandemie ist es wichtig, einen Ausgleich zum reglementierten Alltag zu haben. Auch ist es wunderbar, sich von einschränkenden Maßnahmen wie z.B. das Masken tragen mindestens temporär befreien zu können. Und, wir haben gelernt, dass insbesondere Zivilisationskrankheiten wie Zuckerkrankheit, hoher Blutdruck, etc., den Krankheitsverlauf von Covid-19 negativ beeinflussen können, und daher ist eine gute körperliche und geistige Gesundheit zentral.
Viele Berggänger sind verunsichert, ob sie auch an der frischen Luft und in kleinen Gruppen eine Maske tragen sollen. Was raten sie?
Wenn man in den Bergen, aber auch im Wald in der Stadt, mit dem entsprechenden Abstand unterwegs ist, braucht es keine Maske. Es gibt aber natürlich Herausforderungen, z.B. bei der Anreise im Zug, Auto, dem Übernachten in den Hütten usw. Einfach gesagt müssen überall da, wo der Abstand nicht eingehalten werden kann, die Schutzmaßnahmen zwingend eingehalten werden.
Und, leider noch etwas zu wenig thematisiert, sollte z.B. beim Klettern beim Stehen an einem Stand, wo der Abstand kaum eingehalten werden kann und das Anziehen einer Maske auch eher anspruchsvoll ist, mindestens nicht miteinander gesprochen werden. Wir wissen, dass vor allem durch (laut) Sprechen oder Singen eine Übertragung stattfinden kann.
Gibt es Unterschiede, ob man einen Spaziergang um den St. Moritzer-See macht oder auf einer Hochtour im nicht mehr ganz ewigen Eis unterwegs ist?
Eigentlich nicht. Die Dichte an Menschen um den St. Moritzer See ist wahrscheinlich etwas höher, und die Chance, den Abstand nicht einhalten zu können, ebenfalls. Aber, es ist eigentlich egal wo man ist. Abstand einhalten, und falls das nicht geht, eine Maske anziehen, und das Problem ist schon gelöst. Diese Maßnahmen sind einfach und effektiv. Oder: Die vom Bundesamt für Gesundheit aufgestellten Regeln gelten überall. Dazu gehört auch das Händewaschen.
Zusätzlich sollte man sich aber als Bergsteiger schon auch Gedanken machen, ob man in Zeiten von vielen Ansteckungen und hohen Belastungen der Gesundheitseinrichtungen wirklich die großen, schwierigen Touren machen muss oder ob man sich solidarisch verhalten soll und eben etwas weniger und zurückhaltender unterwegs sein möchte.
Bergtouren, Skitouren oder auch Schneeschuh-Wanderungen wurde von der Task-Force in der Schweiz. - im Gegensatz zu Fitnesscentern - nie in den Focus gerückt, wohl weil es keine Hinweise gibt, dass auf Bergtouren mehr Ansteckungen mit dem Covid-19-Virus aufgetreten sind?
Aktuell stimmt das, aber ehrlich gesagt wissen wir das auch nicht ganz so genau. Das Contact Tracing war häufig nicht mehr möglich, und daher ist diese Frage aktuell kaum korrekt zu beantworten. Aber sicher ist, dass die Übertragungen vor allem Drinnen und bei engem Kontakt erfolgen. Deshalb wurden glücklicherweise in der Schweiz die sportlichen Aktivitäten in Freien (im Gegensatz zu vielen europäischen Ländern) nie eingeschränkt.
Das aber wiederum heißt, dass wir diese Freiheit nicht gefährden und mit dem korrekten Umsetzen der Maßnahmen auch zeigen sollten, dass Bergsport in all seinen Facetten nach wie vor möglich ist. So können wir anderen Ländern und Bergsport-Verbänden Argumente liefern, rigide und einschränkende behördliche Maßnahmen als wenig sinnvoll zu beurteilen und diese im Sinne der Menschen und der Gesundheit zu lockern.
Sie haben erst kürzlich in einem Kurs der Schweizerischen Gesellschaft für Gebirgsmedizin (SGGM) mit einer Ärztegruppe den Piz Palü bestiegen - mit Maske. Hat diese Sicherheitsvorkehrung das Bergerlebnis getrübt?
Nein, im Gegenteil, der Kurs konnte durch Befolgen der Abstandsregeln etc. unkompliziert durchgeführt werden, und die Teilnehmer waren absolut motiviert und positiv diszipliniert. Eigentlich war es gar kein Thema, während den Vorträgen eine Maske zu tragen, und im Zelt alleine zu übernachten. Und, wir haben natürlich nicht den ganzen Aufstieg mit Maske gemacht, sondern wir haben uns einen Spaß erlaubt und beim Gehen am kurzen Seil ein Foto gemacht, um zu zeigen, dass eigentlich alles möglich ist, sofern man will, und den Skeptikern etwas Lebensfreude und Gelassenheit entgegen zu stellen.
Hat die Leistungsfähigkeit der Bergsteiger durch die zeitweilig getragene Maske abgenommen?
Es gibt ja eine spannende Studie aus Dänemark, die untersucht hat, ob die intellektuelle Leistungsfähigkeit durch das Tragen einer Maske eingeschränkt wird. Glücklicherweise war das nicht der Fall, was mich aber als Chirurg, der seit Jahren täglich teils stundenlang Maske trägt beim Operieren, auch nicht dramatisch überrascht hat, sind die Operationsresultate doch nicht so schlecht....
Aber, gerade beim Bergsport in der Natur braucht es ja keine Maske, und darum gehen wohl auch so viele Menschen so gerne in diesen Tagen in die Natur, um den Wind im Gesicht zu spüren, und das Lachen seiner Kletterpartnerin endlich einmal wieder zu sehen.
Das Tragen einer Maske bei sportlichen Aktivitäten ist aber schwer umsetzbar und eigentlich nicht realistisch. Wir haben das z.B. beim Eishockey spielen getestet, und das war nicht erfolgreich, wie jeder Sportler wohl unschwer selber beurteilen kann.
Welche Tipps gibt die UIAA Tourengängern und Bergsteigern mit in die aktuelle Wintersaison?
Mit großer Gelassenheit die bekannten Schutzmaßnahmen und Konzepte befolgen, damit wir unseren Sport ohne Einschränkungen geniessen können. Und persönlich würde ich nicht nur die bekannten Gipfel aufsuchen, sondern wenig begangene Routen und Touren planen, um dem zu erwartenden Dichtestress auszuweichen.
Unterscheiden sich diese für die Schweiz geltenden Richtlinien und Empfehlungen von solchen im nahen oder fernen Ausland?
Leider haben einige Länder sehr rigide Regeln erlassen, obwohl es keine Evidenz gibt, dass Einschränkungen im Bergsport die Pandemie beeinflusst. Somit muss man sich zwingend informieren, was für ein jeweiliges Land aktuell grad gilt, z.B. auf der Homepage der UIAA. Es gibt Länder wie z.B. Indien, die jeglichen Bergsport und insbesondere Expeditionen bis auf Weiteres vollständig verboten haben, natürlich mit den entsprechend katastrophalen ökonomischen Auswirkungen auf die Tourismusbranche.
Disclaimer: Dieses Interview wurde im November 2020 geführt. Durch die Dynamik der Corona-Pandemie, den politischen Umgang damit und neuere medizinische Erkenntnisse ist es nicht ausgeschlossen, dass Inhalte aus diesem Interview überholt sind.
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Kommentar schreibenMaulkorb und einsfuffzig Abstand beim Bergsteigen - pervers, absolut pervers.