"Der Gipfeltag brachte - wie von Charly Gabl vorausgesagt - fantastisches Wetter: um 2:00 Uhr morgens im Stockfinsteren begannen wir unseren Aufstieg. In den endlosen Hängen war die Orientierung nicht ganz einfach - teilweise war ich mir nicht ganz sicher die Ideallinie in den teilweise doch bis 45° steilen Hänge gefunden zu haben. Bis zum Tagesanbruch hatten wir bei gerade mal -25° C schon das Plateau auf einem Drittel des Gesamtanstiegs erreicht. Immer zwischen 20 und 40 cm spurend arbeiteten wir uns nur langsam nach oben. Hiro und ich teilten uns die Spurarbeit - an einigen Pasagen auch durch Sherpa Pasang unterstützt.
Als wie eine letzte, breite Rinne - schon auf über 8000 m - hinter uns hatten und wir nach einem kleinen Sattel den Gipfelaufbau sehen konnten, stockte mir für ein paar Sekunden der Atem: stark überwechtet und zum Schluss mit fragilen Schneetürmen besetzt präsentierte sich der Gipfel. Hiro sicherte mich Stück für Stück diese letzten, doch reichlich gefährlichen Meter zum höchsten, felsigen Punkt des Grates. Von dort aus musste nun jeder der Ankommenden einzeln gesichert zum höchsten Punkt klettern. Um 9:15 konnte ich nach einigen präkären Metern im grundlosen Wechtenschnee mein Arme in den Himmel strecken. Und war unendlich glücklich nun beim zweiten Anlauf den Gipfel des Manaslu erreichen zu können. Zur Fotogalerie des zweiten Gipfelversuchs der Amical Alpin Expedition am Manaslu
Ein Fixseil zum höchsten Punkt konnte ich keines Anbringen - der Schnee der filigranen Wechten war zu morsch und grundlos. Ein spannender Gipfel - ohne Gruppenaufnahme. Jeder genoss den grenzenlosen Ausblick vom höchsten Punkt für sich alleine und stieg dann wieder vorsichtig ab. Der Reihe nach erreichten Hiro, Richy, Peter, Pasang, Sepp und Angelo den höchsten Punkt des Manaslu. Zudem noch die beiden parallel aufsteigenden Österreicher Peter und Oliver.
Glücklich begannen wir den Abstieg, wo uns auch bald Rolf und Jürgen begegneten. Beide bat ich um spätestens 13:30 umzukehren. Rolf hatte sich im Aufstieg um Helmars angefrorene Finger bemüht und dadurch viel Zeit verloren. Er konnte tatsächlich in der Zeit bis 13:30 auch den Beginn des Wechtengrates erreichen und war damit - bis auf ein paar wenige, ungesichert zu klettern zu gefährliche Meter - auch am Gipfel.
Jürgen kehrte auch rechtzeitig um, hatte sich aber derart verausgabt, dass der Abstieg nur Schritt um Schritt vor sich ging. Während alle nach glücklicher Rückkehr in Lager III zusammenpackten und den Abstieg antraten - Helmar mit angefrorenen Daumen und Jo mit gefühllosen Fusszehen waren recht- und frühzeitig umgekehrt - kämpfte sich Jürgen langsam nach unten.
Nachdem alle Richtung Lager II abgestiegen waren, war ich irgendwann alleine mit einem kleinen Zelt und einem flauen Gefühl im Magen alleine im Lager III. Jürgen kam nicht. Zwei Mal an diesem Nachmittag stieg ich noch zum ersten Plateau auf um nach Jürgen zu schauen, - er kam nicht. Als es dunkel wurde legte ich mich mit schweren Sorgen in den Schlafsack. Um 21:20 kam er endlich. Jürgen völlig erledigt - ich überschwänglich vor Freude die Mannschaft komplett zu wissen. Zur Fotogalerie des ersten Gipfelversuchs der Amical Alpin Expedition am Manaslu Als ich die Nachricht per Funk an Stefan im Basislager weitergab kam die nächste Hiobs-Botschaft: Angelo war in der Dunkelheit nicht im Lager II eingetroffen. Erneute Erschütterung machte sich breit - was war passiert? Ein kleiner Suchtrupp machte sich von Lager II aus auf um nach Angelo in der Dunkelheit zu suchen - ohne Erfolg. Erst um 7:00 Uhr gestern morgen kam Entwarnung: Angelo waren während des Gipfelaufsteigs des Vortags die Batterien seiner Stirnlampe ausgefallen und nun konnte er sich in der Dunkelheit nach dem Abgang einer grossen Lawine aus dem Bereich von Lager III nicht mehr orientieren. Und bezog auf 7000 m ein Notbiwak, was er auch ohne Frostschäden überstand.
Mit doppelter Erleichterung traten Jürgen und ich gestern in der Früh den Abstieg von Lager III an. Ein langer Abstieg. Jürgen war vom Vortag so erschöpft, dass er immer nur wenige Schritte absteigen konnte und dann eine Pause brauchte. Mittags waren wir im schon völlig geräumten Lager II - abends um 18:00 liefen wir im Lager I ein. Eine harte Geduldsprobe hatte ihr Ende. Jürgen blieb eine weitere Nacht in Lager I, genauso wie Angelo. Während ich diese Zeilen schreibe, sind sie am Abstieg ins Basislager. Der schönste Augenblick der Expedition ist zum Greifen nah - alle gut zurück im Basislager."
Quellen: