ALPIN: Wie groß ist der Konkurrenzdruck unter den Profis?
Stephan Siegrist: Den gibt es sicher, jeder will Veröffentlichungen. Schwierig wird es, wenn nicht mehr ehrlich gearbeitet wird. Manchmal habe ich die Nase voll von dem ganzen Business.
ALPIN: Kannst Du Beispiele nennen?
Stephan Siegrist: Mir würde einiges einfallen, aber ich will keinen anschwärzen. Oft werden halt Routen viel zu schwer bewertet. Wenn du versuchst, realistisch zu bewerten, bist du schnell der Verlierer.
ALPIN: Weil die Route dann nicht mehr spektakulär genug ist?
Stephan Siegrist: Genau. Es wird viel geredet, sogar hier in Interlaken. Hier leben viele Bergsteiger, das ist eine richtige Mafia.
ALPIN: Viel Neid?
Stephan Siegrist: Klar. Da wird einem unterstellt, man würde Sachen nur noch für die Medien machen. Oder dein Stil wird bemäkelt, weil du bei bestimmten Begehungen Fixseile benutzt hast - dabei haben einige gar keine Ahnung, oder haben selber bereits viele Meter Fixseile hergenommen. Doch das passiert eben auch nur, wenn du ehrlich sagst, wie dein Begehungsstil war! Zur Fotogalerie Interview Stephan Siegrist ALPIN: Du bist fünfzehnmal durch die Eiger-Nordwand über zig verschiedene Routen gestiegen.
Stephan Siegrist: Der Eiger ist mein Hausberg, eine gute Spielwiese. Du kannst hier in kürzester Zeit von der Zivilisation in deinen Traum abtauchen. Du fährst mit dem Zug bis zum Stollenfenster, steigst aus - und bist in einer komplett anderen Welt.
ALPIN: Welche waren die besten Durchstiege?
Stephan Siegrist: Die Neutouren, die ich erschlossen habe, also "La Vida es Silbar" und "Young Spider". Das ist Neuland, das ist ein bisschen Pionierarbeit. Aber auch die "Eiger Retro" war ein super Erlebnis. Bei den Vorbereitungen habe ich den Anderl Heckmair kennen gelernt. Der hat mir mit seiner Bescheidenheit imponiert, seiner Selbstironie und seinem Humor - der war ein cooler Typ.
ALPIN: Hast Du den Tod anderer erlebt?
Stephan Siegrist: Ich war nie direkt dabei, aber es sind mehrere Kollegen umgekommen. Ich muss oft an sie denken: Du hast mit ihnen einiges erlebt - und plötzlich sind sie weg.
ALPIN: Fragst Du Dich dann manchmal: Was mache ich überhaupt in den Bergen?
Stephan Siegrist: Nein, ich fühle mich eher darin bestätigt, dass ich lernen muss, auf meinen Bauch zu hören.
Die Fragen stellte Dirk von Nayhauß.
Das ganze ehrliche Interview mit Stephan Siegrist in voller Länge finden Sie in ALPIN 07/2007, das ab 20. Juni am Kiosk erhältlich ist.
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