"Die Kuh beschützt das Kalb - und im traurigen Extremfall auch mit einem Angriff auf den Menschen." Die Landwirtschaftskammer Tirol klärt in einem Ratgeber-Video seit 2018 über die Gefahren auf, die Bergsportlern mit Hunden auf Almen im Alpenraum drohen.
Unlängst kam dieses Thema erneut auf, als das Landgericht Innsbruck das Urteil im Fall einer zu Tode gekommenen Wanderin im Tiroler Stubaital verkündete.
Im Sommer 2014 wurde eine rheinland-pfälzische Touristin von einer Kuhherde zu Tode getrampelt. Anscheinend wollten die Mutterkühe ihre Kälber beschützen. Auslöser für die Attacke war wohl der Hund der Wanderin, von dem sich die Kuhherde provoziert fühlte. Den Hund hatte die 45-jährige Bergsportlerin mit einem Karabiner an ihrer Hüfte angeleint, wodurch er nicht sofort losgelassen werden konnte.
Richterspruch praxisfremd
Der angeklagte Landwirt muss nun mit massiven finanziellen Folgen leben. Insgesamt 180.000 Euro muss er an die Hinterbliebenen zahlen. Darüber hinaus steht er in der Pflicht, dem Witwer eine monatliche Rente von 1.200 Euro und dem Sohn der Verunglückten monatlich 350 Euro zu zahlen.
Die Landwirtschaftskammer beurteilte den Richterspruch als praxisfremd sowie als Gefährdung des Miteinanders von Tourismus und Almwirtschaft.
Laut Gericht hätten die angebrachten Warnschilder des Landwirts nicht ausgereicht, um vor der Gefahr durch Mutterkühe zu warnen.
Auf der anderen Seite hätte die Touristin den Hund nicht so anleinen dürfen, dass er nicht losgelassen werden kann. Sie hätte wissen müssen, dass Mutterkühe auf Hunde aggressiv reagieren können. "Die Wahrscheinlichkeit eines unmittelbaren Angriffes war aufgrund des sonstigen Verhaltens der Verunfallten aber sehr gering.", so das Gericht.
Folgen für die Landwirte und den Tourismus
Der Landwirt kündigte gegen das Urteil Berufung an. Wenn das Urteil bestätigt wird, hätte das drastische Folgen für die Bauern, die ihre Kühe über den Sommer auf Almen bringen. Strengere Auflagen für die Landwirte, wie beispielsweise eine komplette Umzäunung der Weideflächen, wäre für den Großteil der Bauern finanziell nicht machbar.
Laut zdf.de würde dies an vielen Stellen das Aus für die Weidelandwirtschaft bedeuten, so der Präsident der Landwirtschaftskammer, Josef Hechenberger. Allein Tirol verfügt über 15.000 Kilometer markierte Berg- und Wanderwege.
"Die Bauern fragen mich, ob sie die Kühe noch auf die Alm treiben sollen, oder ob sie die Almen komplett sperren sollen", so Josef Hechenberger weiter.
Eine weitere Option wäre, dass die Bauern das Durchqueren ihrer Weideflächen untersagen könnten. Denkbar wäre auch, dass Hunde auf Almen nicht mehr geduldet würden. Dies würde massive Einschränkungen im alpenländischen Tourismus nach sich ziehen.
Runder Tisch einberufen
In Tirol wappnet man sich bereits vor der Bestätigung des Urteils vor den Konsequenzen. Die Landwirtschaftskammer hat einen Runden Tische einberufen, an dem auch Vertreter der Landesregierung, aus dem Tourismus-Sektor und vom Alpenverein teilnehmen. Auf Seiten der Landesregierung wird Landeshauptmann Günther Platter beim Runden Tisch vertreten sein. Gemeinsam soll nach Lösungen gesucht werden.
Edit: 27.02.2019, 08:15 Uhr
Aus einigen Kommentaren konnten wir schließen, dass unsere Formulierungen offensichtlich bei einigen Lesern zu Missverständnissen geführt haben. Weitere Fakten zur Urteilsbegründung des Gerichts konnten wir der Pressemitteilung des Rechtsanwalts Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. der Kanzlei JURA.CC entnehmen (https://www.openpr.de).
Laut Pressemitteilung ereignete sich der Unfall "auf einer öffentlichen Straße an einer Stelle im Weidegebiet, welche sowohl von Wanderern, Kindern, Radfahrern und auch Fahrzeugen stark frequentiert wird; dort führen viele Wanderwege zusammen; der Pinnisweg ist der breiteste und am meisten benutzte Weg aus dem Tal." In unmittelbarer Nähe befinde sich zudem eine Gastwirtschaft mit mehr als 220 Sitzplätzen, welche im Sommer regelmäßig sehr gut besucht sei.
Laut Gericht seien "an einem neuralgischen Punkt wie dem Unfallsort Abzäunungen zum Schutz des höchsten Gutes, des menschlichen Lebens, notwendig und aufgrund des geringen Aufwandes auch zumutbar." Ein bloßer Hinweis auf das Vorhandensein einer Mutterkuhherde sei an solch einer stark frequentierten Stelle nicht ausreichend.
31 Kommentare
Kommentar schreibenIm Pinnistal ist zweifellos ein tragisches Unglück passiert! Meine Frau und ich kennen dieses Tal, wir waren vor 2 Jahren dort. Wir sind aber nicht nur im Stubaital, auch im Zillertal, im Grossarltal und auch anderswo in den Alpen immer wieder durch weidende Kühe gelaufen. Meine Frau ist etwas ängstlich, weiß aber, dass ich mit Kühen umgehen kann. Ich habe schon in der Schulzeit im Kuhstall gearbeitet, beim Melken geholfen und mir so mein Taschengeld aufgebessert. Nun, dieses Privileg hat nicht jeder und auch wenn ich Kühe sehr mag, begegnen wir ihnen mit Respekt, vor allem, wenn Kälber dabei sind. Das harte Urteil des Landgerichts Innsbruck hat uns überrascht, denn in Tirols Landeshauptstadt müsste man doch eigentlich wissen, wie man in den Bergen lebt und wirtschaftet! Auch wir sehen diese Entscheidung so wie Josef Hechenberger als zukunftsgefährdendes Urteil für die Almwirtschaft! Wir können aus der Ferne nur hoffen, dass Folgeurteile die Alpenwelt wieder die richtigen Füsse stellt! Wir kommen jedenfalls wieder in die Alpen, schon im späten Frühjahr, und wir freuen uns jetzt schon darauf, auch auf weidende Kühe!!
tragisch - keine Frage. Aber das Urteil ist lächerlich. Ich glaube das ich für eine Merheit spreche wenn ich sage das ich weniger Schilder in den Bergen haben will - und nicht noch mehr. Ausserdem nützen Schilder nichts - das sieht man bei den sehr gut abgesicherten, abgesperrten und beschildetren Skipisten. Ganz zu schweigen von den Schildern "Leinenpflicht für Hunde". Früher hatte man in Europa über die Amerikaner und Ihre lächerlichen Klagen gelacht. Heute muss ich sagen wenn ich nach Amerika schaue sind diese in der Natur wesentlich eigenverantwortlicher unterwegs als die meisten Europäer. Da kann man nur den Kopf schütteln. Aber der Gesetzgeber sagt ja auch das man warnen muss wenn der Gesetzgeber selbst das einhalten der STVO prüft "Achtung Radar". Ein Schild mit Tempolimit reicht anscheinend nicht - ich versteh die Welt nicht mehr.
Was man aber tun könnte - und auch dringend sollte is eine gesellschaftliche Diskussion über die gefahren der Natur und die dazugehörige Eigenverantwortlichkeit.
Alle wollten das man den "Problembären" Bruno nicht erschisst, alle wollen das sich die Wölfe wieder ansiedeln - aber anscheinend können viele schon nicht mit der Gefahr die von weit verbreiteten Kühen augeht umgehen.
Meine Meinung - wer diese Eigenverantwortung nicht will sollte sich für Club Urlaub mit Vollbetreuung entscheiden.
Es ist sehr tragisch Unfall, keine Frage,
aber eine Kuh kann nicht unterscheiden zwischen Hund, Bär oder Luchs ... .. wenn sich eine Kuh bedroht fühlt macht diese auch vor einem Zaun nicht halt, denn sie wird ihr Kalb unter allen Umständen verteidigen!
Aber der Mensch kann gewisse Vorkehrungen treffen und sich dementsprechend Verhalten!
Alle Hundebesitzer sollten einen Hundeführerschein machen müssen,
denn dann hätte die Dame gewusst dass man bei einem Angriff einer Kuh,
den Hund von der Leine lässt und dann wäre es wohl sicherlich anders ausgegangen!
Das Urteil ist absolut nicht gerechtfertigt, aber wie heißt es so schön,
wo der Zaun am niedrigsten ist es am ……!
Wer Zahlt wenn mir ein Reh ins Auto läuft und ich mir den Kopf verletze.
Ich werde morgen gleich vor Gericht gehen !!!
Es ist sehr tragisch,dass die Dame ums Leben gekommen ist. Auch der Bauer, der dieses Unglück von seiner Kuh "ausbaden" muss, wird sich sein Leben lang Gedanken machen. Ihn jedoch mit so einer hohen Geldstrafe zu belegen, ist nicht gerechtfertigt. Es gibt in dem Sinne keine*n Schuldige*n. Wichtig ist es für die Zukunft, dass die Menschen,wenn sie eine Alm betreten, bewusster die Natur um sich herum aufnehmen und respektvoll und aufmerksam sind.
In einer Zeit in der die Gesellschaft gegen Massentierhaltung ist und der Schrei nach artenfreundlicher Tierhaltung immer lauter wird, wird es den Landwirten mal wieder unmöglich gemacht ihr Bestes zu tun. Schauen wir die aktuelle Entwicklung an so ist am Ende immer der Bauer der Depp. Bringt er seine Kühe auf die Alm läuft er Gefahr hohe Strafen für potenzielle Unfälle zu zahlen, welche er in den wenigsten Fällen beeinflussen kann und ruiniert sich damit selbst... Lässt er die Tiere im stall verliert er ggf Biosiegel und wird von der Gesellschaft schief angeschaut, da er seine Tiere im Stall hält, wo er zumindest vor möglichen Unfällen mit uninformierten Touristen einigermaßen sicher wäre... ggf dringen jedoch Tierschützer unbefugt ein und werden ebenfalls niedergetreten wofür er bei so einer Rechtsprechung ggf auch noch Angeklagt werden kann. Als wäre es nicht schlimm genug das ein solcher Unfall passiert... muss tatsächlich daraus noch Profit geschlafen werden? Bringt diese Strafe für den Bauern die Ehefrau und Mutter zurück? Macht Geld denn wirklich soetwas wieder gut? Ich bin der Meinung dass man sich als Tourist immer informieren muss welche Gefahren einem Begegnen können... egal wo....
Ich selbst wurde beinahe Opfer einer wilden Kuh. Einen Hund hatte ich nicht dabei und nur dass ich mich schnell hinter einen größeren Busch stellen konnte führte dazu dass die Kuh von mir abließ.
Bevor man Wandern geht soll man sich über das Gebiet informieren. Genau so ist es mit Begriffen wie Mutterkuhhaltung. Der Bauer kann nichts dafür, dass einer seine Kühe eine Wanderin angreift. Außerdem ist es vom Gericht sehr falsch zu sagen, dass man die Kühe einzäunen soll. Ich bin selber einige Wochen auf einer Alm gewesen und weiß, dass die Kühe, wenn man sich richtig verhält auch brav sind. Hinzuzufügen ist, dass die zu zahlende Summe den Bauern mit Sicherheit ruiniert. Die Wanderin ist bestimmt nicht selber schuld jedoch frage ich mich, was es den Angehörigen bringt. Durch das Geld kommt sie leider auch nicht mehr zurück.
Das Leben an sich ist gefährlich und endet in der Regel tödlich. Die Vollkaskomentalität und Verantwortungsverweigerung, die viele Menschen heutzutage an den Tag legen geht zu Lasten der individuellen Freiheit und hat gerade in den Bergen - die doch so sehr Sinnbild von Freiheit und Selbstverwirklichung sind - nichts zu suchen. Bald steht an jeder Steilwand eine Warnung vor Steinschlag und an jeder Klippe ein Zaun - es könnte ja einer runter fallen...
Es handelt sich hier um einen UNFALL, an dem niemand per se schuld sein kann, auch wenn im Vorfeld einige Gegebenheiten letzendlich zum negativen Ergebnis geführt haben. Die Begründung, der Landwirt hätte mehr Warnschilder aufstellen müssen, ist absurd. Wenn ich eine Kuh von weitem sehe, weiss ich doch daß Vorsicht geboten ist. Wenn dieses Gerichtsurteil Schule macht, hat sich die Eigenverantwortung des Menschen in seiner Umwelt erledigt.