Mit dem "Kili" hat für Gerd Schütz alles begonnen. Als der Steuerberater aus München mit Mitte 50 auf dem Gipfel des höchsten Berg Afrikas steht, entfacht dies seine Leidenschaft für Berge. Von da an gibt es für den Spätberufenen kein Halten mehr. Mit alpin.de-Redakteur Holger Rupprecht sprach Gerd Schütz über seinen bergsteigerischen Werdegang, den Everest und das schwere Erdbeben vom April.
alpin.de: Gerd, warum der Everest?
Als kleiner Junge war ich fasziniert von Abenteuergeschichten und habe auch die Erstbesteigung 1953 mit großer Spannung verfolgt. Das hat meine Phantasie ungeheuer angeregt. Dennoch hat das Bergsteigen viele Jahrzehnte meines Lebens keine Rolle gespielt. Ich habe mich mit großer Leidenschaft in den Beruf gestürzt. 2008 dann schenkte ich mir selbst den Kilimandscharo zu Weihnachten. Bald darauf kamen Aconcagua und Elbrus hinzu und es entwickelte sich die Idee, die Seven Summits in Angriff zu nehmen. 2011 dann beim Erfolg an der Carstenszpyramide sprach mich mein Expeditionsveranstalter Kari Kobler an, ich solle mir doch mal den Everest überlegen. Seitdem fokussiere ich dieses Ziel mit professionellem Aufwand und habe quasi auf dem Weg zum Everest inzwischen auch den Mount McKinley bestiegen. Am Mount Vinson bin ich im letzten Hochlager gestürzt und habe mir dabei einige Rippen gebrochen. Ich musste dann wegen Atemproblemen abbrechen. Heißt: Der Everest wie der Mount Vinson sind die letzten beiden Berge der Seven Summits, der mir noch fehlen.
alpin.de: Du bist jetzt 64 und wärst bei einem Gipfelerfolg der älteste Deutsche, der je auf dem Everest gestanden hat. Wie hast Du Dich für die Expedition vorbereitet?
Ich bin nach wie vor als Steuerberater berufstätig und arbeite vier Tage die Woche von halb sechs bis halb drei. Einen großen Teil meiner Freizeit bringe ich für meine bergsteigerischen Ziele auf. Ich arbeite mit Sport- und Ernährungswissenschaftlern zusammen, mache Ausdauersport, trainiere die Koordination, bin im Kraftraum, gehe in München in die Höhenkammer und natürlich am Wochenende viel in die Berge auch auf anspruchsvolle Skitouren. Im Schnitt trainiere ich jeden Tag zwei bis drei Stunden. Anders wären Ziele wie der Everest nicht realisierbar.
alpin.de: Warum hast Du Dich für einen Besteigungsversuch über die Nordseite entschieden?
Ich arbeite seit Jahren sehr vertrauensvoll mit dem Expeditionsunternehmen von Kari Kobler zusammen und Kari hat nur noch die Nordseite im Programm, weil die unter Berücksichtigung aller Faktoren seiner Ansicht nach die sicherere ist.
alpin.de: Wie hast Du das große Beben am 25. April erlebt?
Es war gegen 11:55 Uhr und wir waren im vorgezogenen Basislager auf 6.400 Metern. Fast alle Bergsteiger lagen in den Zelten, um vor dem Mittagessen noch ein wenig auszuruhen. Ich war als einer der wenigen vor dem Zelt und sah zum Gipfel hoch. Alles war friedlich als plötzlich die Erde zu Beben begann. Es war unglaublich laut, der Everest zitterte, vom nahe gelegenen Changtse (7.543 Meter, d. Red.) ging donnernd eine riesige Lawine ab und ich hatte das Gefühl, plötzlich zehn Meter weiter weg zu stehen als einen Augenblick zuvor. So eine Urgewalt hatte ich noch nie erlebt. Ich hatte keine Angst, dass mir etwas zustößt, wusste aber sofort, dass etwas Gravierendes passiert war und es nicht einfach so weitergehen würde. Das Ausmaß der Katastrophe in Nepal wurde uns aber erst klar, als via Internet die Meldungen hereinkamen.
alpin.de: Warst Du traurig, als die chinesischen Behörden entschieden, den Berg für Besteigungen zu sperren?
Welcher Bergsteiger kann denn in so einer Situation glücklich sein? Klar wollten wir alle auf den Gipfel und waren traurig. Einige hatten Tränen in den Augen. Jeder hat immens viel Zeit, Energie und Geld investiert, um den höchsten Berg der Welt zu besteigen. Aber die Besteigung war einfach zu gefährlich geworden und somit war die Sperrung auch im Sinne unseres Expeditionsleiters. Kari Kobler sagte zu uns: "Ich bin nicht dafür da, Euch auf den Gipfel zu bringen. Ich bin dafür da, Euch gesund nach Hause zu bringen."
alpin.de: Wie ging es danach für Euch weiter?
Die Chinesen haben unseren Rücktransport organisiert. Und zwar nicht nur für die westlichen Bergsteiger, sondern auch für alle Sherpas und Mitarbeiter. Wir wurden mit einem Bus nach Lhasa gebracht, von dort ging es mit dem Flugzeug nach Hause. Man kann die chinesische Herrschaft in Tibet sicherlich kritisch sehen, aber das Krisenmanagement war sehr gut. Man hatte den Eindruck, als stünde vor jedem Haus ein Zelt der chinesischen Hilfskräfte.
alpin.de: Das kommerzielle Bergsteigen am Everest wird von einigen stark kritisiert. Das Leben von Einheimischen würde für den Egoismus westlicher Bergsteiger aufs Spiel gesetzt. Einige fordern, Permits für die Gipfelbesteigung sollten nur noch solchen Bergsteigern erteilt werden, die den Berg selbständig, also nicht im Rahmen einer kommerziellen Expedition, besteigen können. Was entgegnest Du diesen Kritikern?
Auf den Everest trägt Dich keiner. Den musst Du selbst besteigen. Auch wenn sich die Teilnehmer einer kommerziellen Expedition logistisch, organisatorisch und beim Tragen helfen lassen, bleibt es dennoch eine konditionell und bergsteigerisch anspruchsvolle Unternehmung. Außerdem ist das Geld, das durch die Expeditionen in die Region kommt dringend notwendig. Die Sherpas wären die Letzten, die ein Ende der kommerziellen Expeditionen begrüßen würden.
alpin.de: Wirst Du nochmal versuchen, den Everest zu besteigen?
Ich bin fast 65, allzu viel Zeit bleibt mir nicht mehr. Ich bin nächstes Jahr wieder dort.
2 Kommentare
Kommentar schreibenWas fuer ein Quatsch! Das Einzige was an Typen wie diesen bemerkenswert ist wie sie sich trotz fehlender Leistungen in's Bild schieben und zum Gespraechsthema machen.
Ein schönes Interview - (fast) gut gemacht von alpin.Und auch meine Achtung, sportlich,sportlich! Das meine ich im Ernst.
Aber etwas macht mich doch stutzig. Sie sind - nehme ich an Baujahr 1950 und haben als damals noch nicht 3 jähriger intensiv die Erstbesteigung des Everest verfolgt - im Fernsehen oder Radio?!
Es gab zwar schon in den 20 zigern die Versuche Fern zu sehen und Radio zu hören. ARD sendet seit 1950 per Fernseher - und auch im Radio. Es gibt eine originale Aufzeichnung eines britischen Nachrichtensenders in Englisch - Sie sind echt gut - chapeau bas!
Also ich gebe zu, ich war da mit 2 bis knapp 3 Jahren wohl ein spätes Mädchen. In diesem Alter (kann ich mich da so genau überhaupt erinnern?) haben mich weder Fernsehen noch Radio interessiert. Ich glaube, ich habe da nur mit meinem Teddybärchen
geknuddelt.
Verzeihen Sie mir meine Ehrlichkeit, trotzdem wünsche ich Ihnen für die nächste Besteigung viel Glück und vor allem Gesundheit. Auch das meine ich ehrlich.