Eigentlich hatte Ralf Dujmovits seiner Frau verprechen müssen, nie mehr den Everest zu versuchen. 2012 war das, da hatte der damals 50-Jährige gerade erneut einen Versuch am Dach der Welt abgebrochen. Er könne damit leben, da er "schon lange nichts mehr beweisen" müsse, so Dujmovits in einem Interview mit ALPIN . Seitdem muss es in ihm ziemlich gearbeitet haben. Denn keine zwei Jahre später steht Deutschlands erfolgreichster Höhenbergsteiger wieder am Fuße des Felsgiganten. Versprechen hin oder her.
"Ich würde es gerne noch schaffen. Ich mache jetzt wirklich definitiv meinen letzten Versuch ohne Sauerstoff und werde damit für mich das Kapitel Everest abschließen. Egal wie es jetzt ausgeht. Es ist jetzt mein sechster Anlauf am Everest, und ich hoffe, dass es dann noch mal klappt. Ich werde wirklich alles geben, und dann sehen wir, wie es ausgeht", so Dujmovits in einem Interview mit Stefan Nestler, der die Expedition in seinem Blog "Abenteuer Sport" auch medial begleitete.
In Folge der verheerenden Lawinenkatastrophe vom Karfreitag diesen Jahres, bei der 16. Sherpas ihr Leben verloren hatten , war der komplette Expeditionsbetrieb auf der Südseite des Everest mit einem Schlag zum Erliegen gekommen. Für Dujmovits kein Problem. Er hatte sich von vornherein auf die von Reinhold Messner 1980 eröffnete Route auf der Nordseite festgelegt. Genau wie Messner bei seinem spektakulären Alleingang wollte auch Dujmovits solo und ohne künstlichen Sauerstoff am Berg unterwegs sein.
Doch die Verhältnisse vor Ort machten dem Extrembergsteiger einen Strich durch die Rechnung: Zu unsicher, zu viel Risiko. Dujmovits entschied sich daher, den Aufstieg auf der Normalroute zu versuchen. Alpinistisch weit weniger anspruchsvoll wie die Messner-Linie, aber ohne künstlichen Sauerstoff und die Unterstützung von Trägern nicht minder kräftezehrend.
Nach der Akklimatisierungsphase kam Dujmovits gut am Berg voran. Doch vor dem entscheidenden Versuch unterliefen dem Expeditions-Routinier zwei Fehler, die Dujmovits schließlich dazu bewogen, seinen Solo-Gang auf 8300m abzubrechen. Zum einen hatte das Herrichten seines Lagerplatzes den 52-Jährigen viel Kraft gekostet. Unnötigerweise. Denn Dujmovits wollte die Hilfe zweier Sherpas einer kommerziellen Expedition nicht lange in Anspruch nehmen.
Zum anderen war der gebürtige Bühler mit einem ultraleichten Einwandzelt unterwegs. Was sich nun rächen sollte. Denn im Zeltinneren wurde es innerhalb kürzester Zeit sehr feucht: "Der Raureif hat mich brutal gestört. Überall hat es hingetropft. Meine Daunenjacke, mein Schlafsack, meine Innenschuhe, das Feuerzeug, alles wurde nass. Ich habe die Flamme des Kochers gar nicht mehr anbekommen", so Dujmovits gegenüber Stefan Nestler. Gerade einmal einen halben Liter Wasser hatte der erfahrene Höhenbergsteiger bis dahin schmelzen können.
Zuviel der Rückschläge, Dujmovits entschloss sich noch in derselben Nacht zur Umkehr. Am 26. Mai erreichte der Ehemann von Gerlinde Kaltenbrunner das vorgeschobene Basislager. Einen neuen Versuch, den höchsten Berg der Erde doch noch ohne künstlichen Sauerstoff zu besteigen, wird es für Dujmovits nicht geben: "Das Thema Everest ist für mich abgeschlossen. Es hätte mich irrsinnig gefreut, es noch zu schaffen. Aber es hat nicht sollen sein."
Quelle: blogs.dw.de/abenteuersport / ralf-dujmovits.de
Einen ausführlichen Hintergrundbericht von Stefan Nestler zu den Ereignissen vom "Schwarzen Freitag" am Mount Everest finden Sie in der Juni-Ausgabe von ALPIN. Weitere Themen in ALPIN 06/2014:
- Titelthema: Elf deutsche Bergfavoriten
- Von oben: Dolomiten-Klettersteige im Luftbild
- ALPIN Test: Wanderschuhe
- ALPIN Kurztrip: Wilder Kaiser
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- Hintergrund: Das Drama am Mount Everest
- Schritt für Schritt: Alphubel und Täschhorn
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