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Wildnis-Test im Lechtal

Astrid Därr berichtet von ihrem letzten Vorbereitungstreffen für eine Ski-Expedition auf den Logan Icefield im Südwesten des Yukon Territory in Kanada.

Wildnis-Test im Lechtal
© Astrid Därr

Es ist nass, es ist kalt – und es dauert eine Ewigkeit, bis der Schnee im Topf geschmolzen ist. Dick eingepackt in Dauen- und Goretex-Jacke, mit Merino-Unterwäsche und Röckchen über der Skitourenhose sitzen wir auf den zu Bänken umfunktionierten Pulkas und starren auf die blau-flackernde Flamme des Benzinkochers. 

Bis genügend Wasser für vier Portionen gefriergetrocknete Pasta, Gute-Nacht-Tee und die Thermoskannen kocht, vergeht fast eine Stunde. Nur wenige Minuten nachdem die Sonne hinter den Bergspitzen verschwunden ist, fühlt es sich schon um einige Grad kälter an und wir kriechen schnell in unsere Zelte, die wir mit den Skiern im Schnee abgespannt haben. 

<p>Rein in die wärmenden Daunenfüßlinge. </p>

Rein in die wärmenden Daunenfüßlinge. 

© Astrid Därr

Was für eine Wohltat, aus den feuchten Skistiefeln in die kuschligen Daunenfüßlinge zu schlüpfen. Die Innenschuhe stopfen wir ins Fußende des Schlafsacks, damit diese morgens statt tiefgefroren zumindest feuchtwarm sind. Am nächsten Morgen bedeckt ein flauschiger Teppich Pulverschnee die Zelte. 

Die körperliche Anstrengung vom Vortag, die frische Luft und die Stille sorgten für eine erholsame Nacht. Was für viele „Normalbürger“ Stress bedeutet, heißt für uns Freiheit in der Natur und Erholung abseits des Alltags – im kalten Zelt schläft sich´s häufig besser als im eigenen Bett, wo tausend Gedanken durch den Kopf schwirren.

Aber warum zerren vier Frauen zwischen 29 und 50 Jahren einen zwanzig Kilo schweren Schlitten hinter sich her, um bei Dauerschneefall in den Lechtaler Alpen ein Wintercamp zu errichten? Viel angenehmer wäre es doch in einer Hütte oder – angesichts des Wetters – daheim vor dem Kamin. Noch dazu ist Ostersonntag und während andere Ostereier hinter Krokussen im Garten verstecken, versinken unsere goldenen Lindt-Häschen im Neuschnee. Das Oster-Wochenende ist unser letztes Vorbereitungstreffen für eine private, selbst organisierte Skiexpedition auf dem Logan Icefield im Südwesten des Yukon Territory in Kanada.

Seit Monaten sammeln wir Informationen und diskutieren Organisatorisches wie über den Flugtransport aufs Eisfeld, mögliche Gipfel, den geplanten Routenverlauf, Pulkasysteme und das Permit von der Nationalparkbehörde. Unsere ellenlange Ausrüstungsliste reicht von Klopapier und Feuerzeug bis zu Satellitentelefon und Solarpanel. 

<p>Probieren geht über Studieren...</p>

Probieren geht über Studieren...

© Astrid Därr

Ein Miniflugzeug mit Skikufen statt Rädern wird uns in völliger Wildnis in der unendlichen Eislandschaft zwischen Mount St. Elias (5489 m) und Mount Logan (5959 m) – dem höchsten Berg Kanadas – im Kluane Nationalpark aussetzen. Elf Tage lang planen wir, mit Tourenski und Zugschlitten durch das Gletschergebiet zu wandern und am Fuße von einsamen Gipfeln ein Basislager zu errichten, um mit leichtem Gepäck auch ein paar Powder-Abfahrten an unberührten Hängen mitzunehmen.

<p>Ein bisschen Spaß muss zwischendruch schon sein, so wie hier mit einer kleinen Schneeschaufel-Schlacht.</p>

Ein bisschen Spaß muss zwischendruch schon sein, so wie hier mit einer kleinen Schneeschaufel-Schlacht.

© Astrid Därr

In der vergleichsweise ziemlich gemütlichen Umgebung der Lechthaler Alpen testen wir unsere Camping- und Skiausrüstung, die Kleidung und das Handling der Pulkas. Welches Zugsystem lässt sich am besten steuern? Wie fühlt sich die Abfahrt mit schwerem Schlitten an der Hüfte an? Wie funktionieren die Schneesägen und welches Modell eignet sich am besten, um ein windgeschütztes Camp aus Schneeblöcken zu errichten? Wie zündet man den Benzinkocher an ohne dabei seine Haare in Flammen zu setzen? 

Klickt Euch durch eine Fotogalerie mit Impressionen von der Vorbereitungstour im Lechtal:

Wir alle haben viel Erfahrung auf Ski-, Berg- und Trekkingreisen weltweit gesammelt. Wir haben hohe Gipfel im Himalaya erklommen und viele Wochen unter kalten Bedingungen im Zelt verbracht. Aber keine von uns war bisher mit Tourenski und Pulka abseits jeglicher Zivilisation unterwegs – eine Herausforderung, auf die wir uns freuen, aber vor der wir auch eine gehörige Portion Respekt haben. 

Wenn es blöd läuft, können wir wegen schlechten Wetters gar nicht von Whitehorse aufs Eisfeld fliegen oder wir hängen Wochen lang am selben Fleck im Schneesturm fest. Oder eine von uns wird krank und wir müssen per Satellitentelefon Rettung rufen.

 Wir versuchen, an alle Eventualitäten zu denken: In unsere Schlitten müssen neben der Camping- und Gletscherausrüstung, der Kleidung und dem Essen auch Reparatur-, Ersatz- und Flickmaterial, Erste Hilfe und Medikamente – und mehr als 10 Liter Kochbenzin, damit wir nicht auf einmal ohne Wasser dastehen. Ein Abenteuer für echte Männer – oder ein starkes Frauenteam wie uns!

© Astrid Därr

Die Diplom-Geografin, Reisejournalistin und Reiseleiterin Astrid Därr ist mehr als sieben Monate im Jahr zu Fuß, mit Tourenski oder dem eigenen Geländewagen auf allen Kontinenten unterwegs. Im Rahmen ihres Projekts "Feuer & Eis – Skitouren am Ring of Fire" bestieg sie in den letzten Jahren zwanzig Vulkane rund um den Pazifik in den USA, Chile, Kamtschatka und Japan.

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Text von Astrid Därr

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