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David Göttler über Müll am Berg@(zwischenHeadlineTag)>
Ehrlich gesagt ... fällt es mir schwer, das romantische Ideal des unberührten Himalaja loszulassen. Doch es hilft leider nichts: Wie viele andere auch holt mich die Realität vor Ort immer wieder ein. Vor allem beim Thema Müll. Speziell dem Expeditionsmüll am Mount Everest! Geht gar nicht, oder? Ich war schon häufig dort und noch häufiger im Himalaja. Mein Eindruck: Das Everest-Basislager ist noch das sauberste – die Hochlager sind eine andere Geschichte. Von Basecamps an weniger berühmten Achttausendern wie Dhaulagiri oder Makalu ganz zu schweigen.
Doch zurück zum Mount Everest: Dort finden immer wieder Clean-up-Projekte statt – jedes davon so sinnvoll wie gut. Schließlich möchten alle Besteiger ja gerne bei ihrem (teuren) Besuch einen sauberen Berg vorfinden. Das geht mir genauso. An den Clean-ups gibt es auch nichts zu mäkeln. Mein Problem beginnt danach. Habt ihr euch schon mal gefragt, was mit dem Müll eigentlich passiert, nachdem er am Berg eingesammelt und heruntergetragen wurde? Ich weiß es (leider): Er landet auf dem Feld hinter dem nächsten Dorf oder dem nächsten Hügel.
Ist das besser, als ihn am Berg liegen zu lassen? Für uns Bergsteiger und den Tourismus im Himalaja sicherlich schon. Denn so zerstört der Abfall nicht die Bilder und Erlebnisse, die wir nach Hause mitbringen und damit zahlreiche andere begeistern. Für die Einheimischen sieht die Sache leider nicht so schick aus. Denn der Unrat kontaminiert ihre Umwelt, verpestet ihre Luft, verschmutzt ihre Erde und ihr Grundwasser!
Und nur, weil jemand den Müll der Touristen einsammelt und entsorgt, bedeutet das noch lange nicht, dass wir ihn weiterhin gedankenlos produzieren dürfen! Aber die reine Müllbeseitigung am Berg ist für mich nur Augenwischerei, wenn der Unrat danach nicht recycelt wird. Noch besser wäre es, ihn vorab zu vermeiden. Dabei können und müssen wir alle mithelfen!
Doch das scheint bei großen kommerziellen Expeditionen fast unmöglich. Meine Kritik richtet sich darum an beide Seiten: An die Agenturen, weil sie Vollservice am Berg anbieten, mit Lagererrichtung und gekochten Mahlzeiten auf 6400 Meter Höhe wie am Everest. So können ihre Klienten nicht überblicken, was dafür alles hinauf- und hinuntergetragen wird und was nach der Saison im Basecamp oder am Berg liegen bleibt.
Ich kritisiere aber auch die Kunden, die das buchen und naiv denken, sich so von der Verantwortung freikaufen zu können. Das geht nicht! Sie bestimmen durch ihre Nachfrage schließlich das Angebot. Wir müssen also bei uns selbst ansetzen. Indem wir uns wieder besinnen: auf weniger Luxus und mehr Eigenverantwortung am Berg. Das gilt im Himalaja wie in den Alpen! Und was meinst du, Erika?
Erika Dürr zum Thema Müll am Berg@(zwischenHeadlineTag)>
Ehrlich gesagt ... ist es mir nach einer provokanten These. Denn eigentlich deckt sich das, was du sagst, David, mit dem, was ich hier in den Bergen erlebe: Dort, wo jene Menschen unterwegs sind, die wegen der Schönheit der Gipfel oder für eine Verbindung zur Natur in die Berge gehen, also dort - so habe ich oft den Eindruck - findet sich kaum Müll.
Ein Taschentuch (oder gar ein Handy …) verliert jeder mal, aber dieser fahrlässig bis mutwillig hinterlassene Müll, der liegt doch eigentlich dort, wo Menschen die Berge als Vehikel nutzen. Für extrinsisch motivierte Unternehmungen, allermeist fürs eigene Prestige oder fürs Foto: Entlang des Fernwanderwegs E5, an Instagram-Hotspots und eben auch am Mount Everest.
Ich behaupte frech, dass ein erheblicher Anteil der heutigen Bergbesucher nicht in die Berge gingen, wenn sie danach niemandem davon erzählen könnten. Nur selten begegnet man an den vielbesuchten Orten Menschen, die dort sitzen und wirklich einfach nur schauen. Klar - eine steile, einseitige These! Und doch bleibt dieses Gefühl...
Und andererseits bin ich mir sicher, dass es schon immer Menschen gab, die nicht aus romantischen Gründen in die Berge gehen. Denn wer hat im alpinen Gelände noch nie eine uralte Blechdose zwischen irgendwelchen Steinen hervorgefischt? Wenn ich die ältere Generation an Höhenbergsteigern im Gespräch richtig verstehe, herrschte damals - gerade auch an den ganz hohen Bergen - wie noch früher eine ganz andere, gar nicht so romantische Mentalität, was den Müll betrifft.
Ich kann es weder den Bergsteigenden von damals noch von heute groß verdenken. Denn wenn ich mir die Mammutaufgabe vorstelle, auf einen Achttausender hinauf- und vor allem gesund wieder hinabzusteigen, verstehe ich, dass dort keinerlei Kapazität mehr für etwas anderes als das reine Überleben bleibt. Wenn ich mich noch dazu in die Situation der Kunden von kommerziellen Expedition versetze, die erst vor wenigen Tagen gelernt haben, Steigeisen anzuziehen und sich jetzt ohne echte Ahnung mitten im extremen, hochalpinen Gelände ernsthaft vorwärts bewegen sollen, verstehe ich durchaus, dass diese Menschen keinen Gedanken an den Müll am Berg verschwenden (können).
Ich teile also deine Meinung, David, dass es wahrscheinlich wenig bringt, zu versuchen, jene Leute zu bekehren. Der Hebel muss woanders ansetzen - und ja, nicht wirklich nur beim Herunter- und Wegschaffen, sondern tatsächlich am allerbesten schon viel früher: beim Vermeiden. Ob das wirklich geht? Wie könnte so eine Lösung aussehen? Und könnte sie auch an den niedrigen Bergen, den E5s und den Insta-Hotspots funktionieren?
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