Erwähnt man bergwandernden Freunden und Bekannten gegenüber den Begriff "Speed Hiking", so erntet man häufig skeptische Blicke. Kommt nach Nordic Walking und Trail Running jetzt der nächste Hype? Tatsächlich ist das schnelle Wandern, wie die Übersetzung ins Deutsche schlicht lautet, nichts Neues.
Letztlich gibt es diese Bewegungsform schon, seit es Menschen gibt. Denn jeder, der schnell von A nach B will, dazu nur den eigenen Körper zur Verfügung hat und nicht läuft, ist sozusagen ein "Speed Hiker". Eine neue Form des "schnellen Gehens" propagieren seit vergangenem Jahr die deutschen Schuh-, Stock- und Rucksackhersteller Lowa, Meindl, Leki und Deuter. Mit einer eigens entwickelten Internet-Seite ( www.speedhiking.de ) wollen sie auf Speed Hiking und ihre entsprechenden Produkte aufmerksam machen.
Laut ihrer Definition ist Speed Hiking "das schnelle Gehen mit Stöcken und leichter Ausrüstung in anspruchsvollem Gelände - abwechslungsreiche körperliche Herausforderung, kombiniert mit intensivem Natur-Erleben". Dabei kann Speed Hiking als eigene Sportart oder auch als Training für größere Unternehmungen betrachtet werden.
Leicht bringt Speed
Eine spezielle Ausrüstung, um schnell auf einen Berg zu gehen, ist nicht unbedingt nötig. Bergschuhe, Rucksack mit der üblichen Bekleidung und Proviant reichen völlig aus. Deutlich mehr Spaß bringt allerdings eine besonders leichte Ausrüstung: gut profilierte, feste, aber sehr sportliche Schuhe, ein extrem leichter Rucksack mit Trinkbeutel zum regelmäßigen Flüssigkeitsnachschub und funktionelle Bekleidung. Inklusive einem Liter Getränk und ein paar Müsli- Riegeln reduziert man das zu tragende Gewicht auf zwei bis drei Kilogramm.
Sinnvoll und hilfreich sind Stöcke. Zum einen kann man damit bergauf die Beine unterstützen und die Armmuskulatur kräftigen, zum anderen stabilisieren sie den Körper. Besonders angenehm sind Nordic-Walking-Stöcke, die etwas kürzere Variante der Langlauf-Stöcke. Sie bringen weniger als 200 Gramm pro Paar auf die Waage und besitzen ein sehr komfortables, die Handgelenke stützendes Schlaufensystem.
"Jeder sollte seine eigenen Grenzen kennen"
Wie das normale Bergwandern ist das schnelle Bergauf- Gehen eine Ausdauerbelastung. Je zügiger man geht, desto höher ist die Belastung für das Herz-Kreislauf- System. Bei richtiger Belastungsintensität führt das Training zur Leistungsverbesserung. Jedoch kann ein zu intensives Training zur Überbelastung führen. "Jeder sollte seine eigenen Grenzen der Belastbarkeit kennen", rät Dr. Alessandra Boscheri, Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie am Zentrum für Prävention und Sportmedizin an der Technischen Universität München.
Wichtig beim Ausdauertraining sei es, sich im sogenannten aeroben Bereich zu bewegen. Das bedeutet, dass die Intensität der Belastung so gewählt ist, dass die Muskulatur noch ausreichend Sauerstoff zur Verfügung hat und dadurch nicht übermäßig Milchsäure produziert. Jede Belastung, die über einen längeren Zeitraum zu hoch ist, führt nicht zu einer Verbesserung der Fitness und schadet sogar der Gesundheit. Es drohen Blutdruckspitzen mit der Gefahr von Herzinfarkt und Schlaganfall.
Wie man die richtige Belastungsintensität berechnet
Die richtige Belastungsintensität kann mithilfe der maximalen Herzfrequenz berechnet werden. Dabei sollte der Puls 60 bis höchstens 85 Prozent der maximalen Herzfrequenz betragen. Diese kann man folgendermaßen individuell ermitteln: Den Maximalpuls erreicht man idealerweise nach einer etwa zehnminütigen Belastung (joggen oder bergauf radfahren) mit steigendem Tempo. Er wird mit einer Pulsuhr gemessen, wobei die letzte Minute der maximal möglichen Belastung entsprechen sollten. Ist der so ermittelte Pulswert beispielsweise 177, so liegt der empfohlene Belastungspuls zwischen 106 (60 %) und 150 (85 %) Schlägen pro Minute.
Zudem sollte jeder, der seit längerer Zeit keinen Sport betrieben hat, vor intensiveren Belastungen bei einem Internisten oder einem Kardiologen vorstellig werden. Mit dem Versuch, bei begrenzten zeitlichen Ressourcen das Maximale an Ergebnis herauszuholen, trifft "Speed Hiking" einen Nerv unserer Zeit. Vor lauter "leicht" und "schnell" sollte man allerdings nicht auf das Erste-Hilfe-Set und wetterangepasste Bekleidung verzichten. Es wäre doch schade, wenn man am Gipfel auf den wohlverdienten Rundblick verzichten muss, weil eine warme Jacke aus Gewichtsgründen zu Hause geblieben ist.
Text: Johannes Wessel