Eisklettern lebt im Moment. Dies hat sich in den letzten Jahren immer wieder aufs Neue bestätigt. Für neue Möglichkeiten im Eis kann man nicht warten, man kann sie auch nicht planen und schon gar nicht ergeben sie sich von selbst. Ist man auf der Suche nach neuen Herausforderungen, dann muss man danach suchen und sie zulassen.
Alles beginnt mit einer Idee. Diese Idee entspringt aus einer Vorstellung. Und die Vorstellung kommt wiederum aus einem Bild. Der Ursprung einer neuen Idee ist also ein Bild. Ein Bild von etwas, von dem man der Meinung ist, es würde sich lohnen, einen Versuch zu wagen. Einige solche Bilder kommen einem im Verlauf eines Winters unter, aber nur die wenigsten davon werden auch wirklich zu einer Idee. Der Grund dafür liegt immer wieder an der Beurteilung des Bildes. Werden wir bei der Umsetzung unseren Spaß haben oder ist es den Aufwand nicht wert?
Dieses Mal hatten Benny und ich dasselbe Bild gesehen und es brauchte nur einen kurzen Blick um die Idee gegenseitig zu bestätigen. Bei einer Begehung der Traumroute "Zauberflöte" M9/WI6 im Langental Anfang Jänner war uns eine Linie rechts davon aufgefallen, die auf alle Fälle einen Versuch wert war.
Nach einer intensiven Woche mit den angehenden Bergführern waren wir etwas gezeichnet, aber unsere Motivation umso größer. Am 28. Jänner marschierten wir mit Elias Holzknecht, der uns heuer mit der Kamera begleitet, ins Langental. Beim Vorbeigehen werden Erinnerungen an all die Abenteuer der letzten Jahre wach und die Motivation wächst noch mehr.
Wir klettern zuerst die Zauberflöte um für Elias ein Fixseil zu installieren, wir möchten Bilder direkt aus der Erstbegehung entstehen lassen. Kurze Zeit später steigt Benny in die erste Seillänge ein, eine abdrängende Rissverschneidung mit bescheidener Felsqualität. Nach 20 Meter und einigen gelegten Cams macht er Stand an einem in der Wand hängenden Zapfen und ich darf die Länge im Nachstieg genießen.
Die nächste Runde verläuft umgekehrt - ich habe alle Hände voll zu tun in den frei hängenden Eisformationen. Zum einen ist das Klettern auf dem sehr luftigen und röhrigen Eis technisch schwierig. Zum anderen sollte jede Bewegung gut überlegt sein, an den fragilen und instabilen Eisformationen. Als Benny mit einem Grinsen im Gesicht zum Stand nachkommt, meinte er nur: "Ein Siebener im Eis ist im Nachstieg doch deutlich angenehmer zu klettern."
Doch schon in der nächsten Länge muss auch er alles geben. Eine dünne und schlecht abzusichernde Glasur fordert ihn aufs Neue. Als Abschluss wartet noch die freistehende Säule von der Zauberflöte und machen die "Zweite Geige" zu einer ernsten, aber doch sehr interessanten Linie mit sehr hohem Eisanteil - ohne Bolts und ohne Haken - also clean.
In letzter Zeit ist bemerkbar, dass sich die Kletterer mehr Gedanken über den Stil einer Begehung machen. Wir versuchen schon seit einigen Jahren möglichst ohne die Verwendung von Bohrhaken zu klettern, sofern dies Fels und Absicherbarkeit erlauben. Das Eingehen von sinnlosem Risiko versuchen wir dabei zu vermeiden. Wenn es die Struktur nicht zulässt, ist das Anbringen von Bolts aber auch kein Stilbruch. Werden Begehungen miteinander verglichen, sollte jedoch vom Gleichen gesprochen werden. Clean bedeutet, dass sich die Route sowohl vor als auch nach der Rotpunktbegehung in einem cleanen Zustand befindet, also absolut keine Sicherungsmittel in der Route zu finden sind oder vorbereitet wurden. Trad bedeutet, dass in der Route auch Normalhaken anzutreffen sind. Ich denke, jeder sollte seinen Stil wählen den er möchte und dabei nicht den Spaß an der Sache vergessen.
Text: Albert Leichtfried Bilder: Elias Holzknecht/woodslave productions Mehr Informationen zu Albert Leichtfried: www.albertleichtfried.at Mehr Informationen zu Benedikt Purner: www.alpine-spirits.com