Lesen Sie den 7. Newsletter Int. K2 North Pillar Expedition von Ralf Dujmovits vom 20. August:
Liebe Freunde,
um 12:00 Uhr unserer Zeit konnte ich über Funk mit Gerlinde sprechen: Bei immer noch sehr starkem Wind sind sie, Vassiliy, Maxut und Darek im Aufstieg nach Lager III. Bei sehr viel Neu- und windverfrachtetem Schnee waren sie auf ca. 2/3 der sehr steilen Strecke direkt auf der Pfeilerkante nach Lager III. Allen ginge es gut nur würde ihnen der Wind ordentlich zusetzen. Nach der anstrengenden Biwaknacht vorgestern zu viert im Mini-Zelt auf der Felsschulter zwischen Lager I und Lager II konnten alle vier gestern nach der relativ frühen Ankunft in Lager II außer den Innenschuhen alle weiteren Dinge wie Handschuhe und Daunenbekleidung trocken bekommen. Nun hoffen Sie heute im Laufe des Nachmittags frühzeitig den Platz von Lager III zu erreichen, um sich ausreichend auf die lange und anstrengende Etappe nach Lager IV vorbereiten zu können." Um 18:00 Uhr unserer Zeit hoffe ich wieder über Funk Neuigkeiten zu erfahren (s.u.).
Zusammen mit Tommy waren wir gestern von Lager I ins Basislager abgestiegen. Die Einschätzung einer bestehenden Lawinen- bzw. Schneebrettgefahr ist eine sehr subjektive Angelegenheit. Neuschneemengen sind nur ein Teil der Wahrheit. Windverfrachtung, Neigung und Form des Geländes, Untergrund und Schneemengen der Tage zuvor und noch einige andere sind weitere Faktoren, die bei der Beurteilung eine bedeutende Rolle spielen. Wo es kein Lawinenbulletin gibt ist man einzig alleine auf seine eigene Einschätzung und sein über Jahrzehnte gewachsenes Bauchgefühl angewiesen. Und beides fällt bei jedem anders aus; je nach Erfahrung. Für mich hat es nicht mehr gepasst und mein Bauch sagte "Nein" - und damit war für mich die Entscheidung klar: Absteigen.
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Für Gerlinde, Vassiliy, Maxut und Darek fiel die Entscheidung anders aus - und offensichtlich scheint deren Einschätzung erfolgreich zu sein. Ich wünsche es Ihnen auf jeden Fall von Herzen und freue mich über jeden Meter, den sie bei diesen extremen Bedingungen vorankommen. In großer Sorge bin ich trotzdem.
Tommy und ich erreichten gestern erst am Abend nach mehreren Spalteneinbrüchen und -stürzen (durch den vielen Neuschnee und bei sehr mangelhafter Sicht waren die Spalten so gut wie nicht zu erkennen) unser Basislager. Und dort war die Überraschung dann riesengroß: in unserer Abwesenheit waren fünf große Felsblöcke (1,2 - 2 Meter Durchmesser) in unserem Basislager eingeschlagen. Offensichtlich hatten sie sich durch die starken Niederschläge weit oberhalb des Basislagers in den dortigen Felswänden gelöst und waren wahrscheinlich in gewaltigen Sätzen in unser Basislager ge-"sprungen". Unsere Küche hat Totalschaden - der größte der Blöcke hat die Steinküche durch die Rückseite kommend einfach flach gemacht. Wie gut, dass wir unseren uigurischen Koch Abdhul gebeten hatten in den Tagen unserer Abwesenheit 700 m tiefer ins Grüne abzusteigen. Weiter möchte ich gar nicht denken. Die Zelte von Maxut und Vassiliy sind ebenfalls völlig zerstört und das Zelt von Gerlinde und mir blieb wahrscheinlich nur unversehrt, weil wir am Rande einer kleinen Mulde stehen: Ein ca. 1,5 Meter Durchmesser messender Block war einen Meter neben unserem Zelt eingeschlagen und war dann, weil er auf den oberen Muldenrand gefallen war, wieder in die Ausgangsrichtung zurückgesprungen. Wir hatten unendlich Glück nicht anwesend gewesen zu sein.
Während Tommy ins Chinese Basecamp abgestiegen ist, um Abdhul und die schon anwesenden Kameltreiber nach oben zu holen, bin ich hier geblieben um über Funk den Kontakt mit Gerlinde, Darek, Maxut und Vassiliy zu halten. Die nächsten beiden Tage werde ich versuchen - so es der Batteriestand von Gerlinde's Funkgerät zulässt - wieder in Etappen vom weiteren Aufstieg zu berichten. Drücken wir den vieren alle unsere Daumen - nach wochenlanger, wirklich harter Arbeit hätten sie es so sehr verdient, dass es dieses Mal klappt!
Mit besten Grüßen aus unserem etwas angeknabberten Basislager,
Ralf Dujmovits
P.S. Letzte Nachricht von 18:00 Uhr Ortszeit:
Gerlinde, Maxut, Vassiliy und Darek sind gut im Lager III angekommen. Im Aufstieg machte Ihnen heute zusätzlich noch starker Wind zu Schaffen, der jedoch um 17:30 Uhr deutlich nachgelassen hat. Allen geht es gut und am Nachmittag konnte die Ausrüstung komplett getrocknet werden. Als Gipfeltag kommt nun frühestens Montag in Frage.
Am 21. August kamen nachmittags zwei weitere kurze Meldungen aus dem Basecamp des K2:
Gerlinde, Maxut, Vassiliy und Darek konnten heute um 15:30 Uhr Lager IV auf ca. 8000 m erreichen. Den ganzen Tag über war perfektes Wetter, jedoch musste auch heute anstrengend gespurt werden. Die Ausrüstung ist soweit trocken und auch die Wettervorhersage passt für Morgen - das Team ist sehr zuversichtlich.
Update 19:30 Uhr Ortszeit Die Vier haben am frühen Abend entschieden, Morgen zunächst die Traverse vom Lagerplatz zum Japaner-Couloir zu versichern und die Schneeverhältnisse im Couloir bei Tageslicht zu begutachten, da zu erwarten ist, dass relativ viel Triebschnee ins Couloir geblasen wurde. Somit ist Morgen (Montag, die Redaktion) ein "Ruhetag" vorgesehen und der Gipfelversuch auf Dienstag verschoben. Das Wetter ist der Vorhersage nach auch für Dienstag weiterhin gut.
Kurzmeldung 22.08.2011 - Ruhe- und Akklimatisierung
Gestern Abend haben unsere vier Freunde eine schwierige Entscheidung getroffen: sie wollen den heutigen Tag als Fixier- und Ruhetag nutzen. Sie haben danach eine kalte Nacht auf knapp über 8000 m verbracht und sind heute morgen um 6:30 Uhr gestartet. Um die Route zu erkunden und um Fixseile in der Traverse ins Japaner-Couloir und dieses weiter hinauf anzubringen. Gerlinde's Funkspruch zufolge haben die Vier tiefen Pulverschnee angetroffen, teilweise mit einem Deckel (d.h. einer dicken Kruste, die beim Drauf-Steigen einbricht). Das Vorankommen war entsprechend langsam. Während ich diese Zeilen schreibe haben sie ca. 150 - 180 Höhenmeter geschafft.
Das Wetter ist heute - wie auch gestern - perfekt. Es könnte besser kaum sein: keine Wolke am Himmel und kaum Wind.
Im Bild erkennt man im eingeklingten Auschnitt Maxut, Vassiliy und Gerlinde im Aufstieg zwischen den Seraks im rechten Teil des Couloirs. Darek ist verdeckt - er ist etwa 50 m zurück.
Wenn alles nach Plan läuft und die Vier würden morgen sehr früh erneut starten können, würden sie natürlich eine schon getretene Spur und einige heute angebrachte Fixseile antreffen. Damit könnte Ihr Aufstieg bis zum heute höchsten erreichten Punkt deutlich schneller sein. Hoffentlich sind auf der linken Seite der breiten Steilrinne die Schnee-Verhältnisse etwas besser: die Sonne scheint dort länger hin und es müsste auch weniger windverfrachteter Schnee dort liegen.
Drücken wir Ihnen weiterhin fleißig die Daumen- es wäre so schön wenn sie es wohlbehalten schaffen könnten.
Ralf Dujmovits
UPDATE 20:30 Uhr Ortszeit
Gerlinde, Maxut, Vassiliy und Darek haben nach einem langen und anstrengendem Aufstieg und zum Teil tiefer Spurarbeit, am späten Nachmittag, bei besser werdenden Schneeverhältnissen entschieden, am höchsten erreichten Punkt (ca. 8300 m) diese Nacht zu biwakieren. Sie haben einen idealen Biwakplatz beim letzten Serac im Japaner-Couloir im Aufstieg Richtung Gipfel gefunden. Dort haben sie sich eine Plattform für ihr kleines Biwakzelt gegraben und sitzen jetzt bei den letzten Sonnenstrahlen im Zelt. Zum Abendessen gibt es Tomatensuppe und Tee. Heute Nacht möchten sie um 12:00 Uhr Ortszeit starten und hoffen die letzten 300 Höhenmeter, trotz sicher nochmals zu erwartender anstrengender Spurarbeit, schaffen zu können.
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Meldungen zu Gerlindes und Ralfs tragischer K2-Expedition 2010:
- Gerlinde Kaltenbrunner auf dem Gipfel des Mount Everest
- Gerlinde und Ralf: Nein zur Nordwand-Durchsteigung
- Kaltenbrunner und Dujmovits: Schrecksekunde auf 7100m
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- Kaltenbrunner und Dujmovits im Basislager des Everest
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