Vermutlich haben die meisten von dieser Empfehlung schon gehört: Auf Langstreckenflügen oder bei längeren Auto- oder Busfahrten sollte man sich regelmäßig bewegen. Das verbessert den Blutfluss in den Beinvenen und verhindert, dass sich dort eine Thrombose, ein Gerinnsel, bildet. Doch im Ernst: Wer hält sich an die Ratschläge? Beinvenen- Thrombosen betreffen doch nur ältere, bettlägerige Menschen, denken viele. Ein Irrtum. Zwar nimmt die Thrombosen- Neigung mit dem Alter zu, doch auch Jüngere sind davor nicht gefeit.
"Beispielsweise besteht bei Flugreisen von mehr als fünf Stunden selbst für gesunde, junge Menschen ein erhöhtes Risiko", sagt der Allgemeinmediziner Dr. Christian Moerchel, der Gründer der Thrombose-Initiative e.V. (siehe Kasten oder www.thrombose-initiative.de ). Denn bei längerem Sitzen gerät der Blutfluss in den Beinvenen ins Stocken.
Zum einen ist die Beinmuskulatur nicht im Einsatz, die sonst das Blut aktiv zum Herzen zurückpumpt, zum anderen sind die Venen in Kniekehle und Leiste abgeknickt. Darüber hinaus verliert der Körper durch die trockene Kabinenluft Flüssigkeit, sodass das Blut eindickt, und der niedrigere Luftdruck in der Kabine weitet die Venen. All diese Faktoren führen zu einem erhöhten Thrombose-Risiko.
Bei manchen Menschen ist das Risiko zusätzlich erhöht
Bei manchen Menschen spielen zudem weitere Risikofaktoren eine Rolle: So ist beispielsweise für Schwangere oder Frauen, die die Anti-Baby-Pille oder Hormone gegen Wechseljahresbeschwerden einnehmen, das Risiko zusätzlich erhöht. Und auch die Erbanlagen sind von Bedeutung, weshalb Ärzte zur Gefahrenabschätzung immer auch nachfragen, ob in der Familie bereits Beinvenen- Thrombosen aufgetreten sind.
"Ein ganz entscheidender Faktor ist das Alter, denn ab dem 60. Lebensjahr treten Thrombosen sehr viel häufiger auf", erklärt Moerchel. Denn bei älteren Menschen weisen die Gefäßwände oft bereits kleine Schäden auf, an denen sich leichter Gerinnsel bilden. Zudem nimmt im Alter die Elastizität der Venen ab und auch die Zusammensetzung des Blutes ändert sich: Ältere Menschen verfügen über mehr gerinnungsfördernde Eiweiße, weshalb sie auf Reisen, bei Flüssigkeitsmangel oder Bettlägerigkeit einer besonderen Thrombosegefahr ausgesetzt sind.
Häufiger als Schmerzen sind andere Symptome
Schmerzen sind kein verlässliches Frühwarnzeichen. "In rund 50 Prozent der Fälle tut es nicht weh, wenn sich in einer Vene ein Gerinnsel bildet", sagt Moerchel. Häufiger sind andere Symptome: Oft empfinden Betroffene ein Spannungsgefühl in den Beinen, Knöchel und Unterschenkel schwellen an, auf der Haut zeichnen sich die oberflächlichen Venen deutlich ab. Als untrüglicher Hinweis gilt zudem, wenn Druck auf die Innenseite des Fußes Schmerzen auslöst und die Beschwerden verschwinden, sobald das Bein hochgelegt wird.
Auch wenn Schmerzen fehlen: Tiefe Beinvenen-Thrombosen gelten als Notfall. Es gilt auf alle Fälle zu verhindern, dass das Gerinnsel weiter wächst und es vom Blutstrom fortgerissen wird. Denn wenn es in die Lunge gelangt und dort ein Blutgefäß blockiert, kommt es zu einer Lungenembolie. Um das zu verhindern, muss sofort eine Behandlung einsetzen. Ärzte greifen dabei auf Medikamente zurück, die die Blutgerinnung verlängern.
Heparin-Spritzen senken die Gerinnungsneigung sofort
In erster Linie kommen - wie in der Thrombose- Vorbeugung nach Operationen - Heparin-Spritzen zum Einsatz. Sie senken die Gerinnungsneigung sofort. Nach einigen Tagen wird auf Mittel zum Einnehmen umgestellt - allerdings wirken solche Vitamin-K-Antagonisten wie Phenprocoumon erst mit Verzögerung. "In einer Übergangsphase müssen daher beide Maßnahmen parallel erfolgen", sagt Moerchel.
Ergänzend soll das Bein hochgelagert und von außen mit Verbänden komprimiert werden. Größere Gerinnsel, die die Durchblutung des Beins erheblich beeinträchtigen, erfordern zusätzliche Maßnahmen: Entweder werden die Thromben mithilfe von Medikamenten aufgelöst oder operativ entfernt.
Die Zeit drängt, denn innerhalb weniger Tage verwächst das Gerinnsel mit der Gefäßwand und die Gefahr langfristiger Folgen steigt. Vor allem bei älteren Menschen kann diese Art von Durchblutungsstörungen später zu schwer heilenden Hautgeschwüren führen - Ärzte sprechen von einem postthrombotischen Syndrom.
Spezielle Venenstrümpfe können auf Flügen helfen
Vielleicht sprechen Sie vor der nächsten Fernreise mit Ihrem Arzt nicht nur über Impfungen, sondern auch über die persönliche Thrombose- Gefahr. Unter Umständen rät er Ihnen zu etwas mehr Vorbeugung, als nur ausreichend zu trinken und sich regelmäßig zu bewegen: Mitunter kann es sinnvoll sein, während des Fluges spezielle Venenstrümpfe anzulegen. Diese drücken Bein und Venen zusammen, vermindern den Gefäßdurchmesser und lassen das Blut so schneller fließen. Für Reisende mit stark erhöhtem Risiko kann es sogar nötig sein, sich vor dem Abflug Heparin zu spritzen.
Text: Dr. Ralph Müller-Gesser