Geboren wurde Dean Potter am 14. April 1972 in Kansas (USA). Sein Vater war Oberst der Armee, seine Mutter Yoga-Lehrerin. Potter liebte Klettern, Basejumping und Slacklinen gleichermaßen. Von 2002 bis 2010 war er mit der Kletterin Steph Davis verheiratet. Zuletzt war er mit der Basejumperin Jennifer Rapp liiert, die drei Kinder hat. Dean Potter selbst hatte keine Kinder. Zur Familie zählte Deans Hündin Whisper, die auch durch Aktionen mit ihrem Herrchen berühmt wurde.
Dean Potters Leistungen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)
1997: In vier Stunden und 17 Minuten klettert er allein über die "Regular Route" die Nordwestwand des Half Dome.
1999: In 23 Stunden, 40 Minuten besteigt Potter solo Half Dome und "Nose"/El Capitan. Er ist damit der Erste, dem das innerhalb von 24 Stunden gelingt.
2000: Zweite Free-Solo-Begehung der Route "Astroman" an der Washington Column, die erste war Peter Croft 1987 gelungen. 2002 Erstes Free-Solo auf Fitz Roy (Patagonien) über die "Supercanaleta- Route", danach solo über die "Kompressor-Route" auf den Cerro Torre.
2003: "Regular Route"/Half Dome (VIII ) und "Freerider"/El Capitan (IX), beide komplett frei innerhalb 24 Std. (zwei versch. Seilpartner).
2005: Sechste Besteigung des Torre Egger mit seiner damaligen Frau Steph Davis, mit 23 Stunden die erste Besteigung an einem Tag.
2006: Free-Solos von Delicate Arch in Utah sowie "Separate Reality" und "Heaven" in Yosemite Valley.
2008: "Deep Blue Sea", Eiger-Nordwand. Erste Solo-Begehung im Free-Base-Stil, d.h. gesichert lediglich durch einen Fallschirm auf seinem Rücken. Diese Art des "Sicherns" war Dean Potters Erfindung.
2009: Base-Jump vom Eiger
2010: Speedrekord an der Nose, El Capitan, Yosemite. 2h 36min 45sek (inzwischen überholt)
Wenn du ein Solo planst: Bist du dann von dieser Idee wie besessen?
Ja, da bin ich wie ein Süchtiger. Ich fürchte, ich habe einige schlechte Eigenschaften. Wenn mein Leben anders verlaufen wäre, hätte aus mir nicht gerade der beste Mensch werden können.
Wärst du in der Bronx geboren – wie hättest du dich dann vielleicht entwickelt?
Hätte ich früh gelernt, dass Gewalt okay ist und dass es in Ordnung ist, alle Drogen zu nehmen, die du in die Fingerkriegst – meine Persönlichkeit würde so wahrscheinlich auch gut funktionieren. Aber zum Glück habe ich das Klettern entdeckt und kann diesen Wunsch nach Intensität kanalisieren.
Du bist bekannt für deine spektakulären Solos. Im Januar 2002 hast du in Patagonien als Erster die "Supercanaleta-Route" free solo gemacht: 1200 Meter steiles Eis, gefolgt von 600 Meter Fels und dann noch einmal 200 Meter Eis-Fels-Mix. Wie hast du dich gefühlt, als du oben warst?
Ich hatte vorher ziemlich viel Angst und bin daher so schnell ich konnte geklettert. Ich war davon ausgegangen, dass ich 24 oder 36 Stunden brauchen würde – aber ich war nach sechseinhalb Stunden auf dem Gipfel. Ich war fassungslos, konnte es selbst nicht glauben!
Machst du solche Solos, um deine Sponsoren und das Publikum zu begeistern?
Nein, ich mag Solos einfach am liebsten. Geld ist mir nicht sonderlich wichtig. Die ersten zehn Jahre habe ich von 5000 Dollar im Jahr gelebt, habe mal zwischendurch ein Haus gestrichen oder als Kellner gejobbt. Das reicht, wenn du im Zelt lebst, keine Miete zahlst und keinen Wert legst auf schicke Kleidung.
Wann hast du mit den Solos angefangen?
Letztlich war ich immer ein Solist, schon als Jugendlicher. Ich hatte keinen Partner, der direkt bei mir wohnte, also bin ich mit meinen Converse-Turnschuhen allein los – ohne Seil und ohne moderne Klettertechniken zu kennen. Die Felsen waren einfach ein cooler Ort, schon allein, weil sie auf einem Militärstützpunkt lagen. Also eigentlich tabu – und daher für einen Jugendlichen der beste Ort überhaupt.
Heute hast du genügend Partner, mit denen du klettern kannst.
Solos werden immer ganz besondere und rare Momente sein. Das verstehen viele Leute nicht, die sehen mich nur als den Typen, der immer alles free solo macht. Den weitaus größten Teil mache ich mit Partnern. Und nach einem Solo kann ich oft selber kaum begreifen, dass ich das getan habe. Ich habe ja auch nicht rund um die Uhr das Selbstvertrauen, diese Touren zu machen. Vielleicht werde ich nie wieder die Kraft spüren, den Fitz Roy solo zu besteigen.
1997 bist du in vier Stunden und 17 Minuten die Nordwestwand des Half Dome rauf. Vorher lag der Rekord bei 16 Stunden. Machst du solche Speed-Solos, um Rekorde aufzustellen?
Das schreiben mitunter die Medien. Für mich ist ein Speed-Solo aber der effizienteste Weg, nach oben zu kommen. Es ist ja nicht das angenehmste Gefühl, ganz allein in einer steilen, schwierigen Wand zu sein: Wenn ich ohne Seil klettere, will ich da so schnell wie möglich wieder weg.
"Angst? Natürlich!"@(zwischenHeadlineTag)>
Du genießt diese Solotouren gar nicht?
Doch, ich liebe diese Momente sogar, weil sie so rein sind und meine Sinne so geschärft. Mein Kopf ist frei von diesen typischen Gedanken-Bündeln, die einen oft besetzen: Dass ich vielleicht mit meiner Frau gestritten habe oder dass irgendwas bei der Arbeit schief gelaufen ist. Ich bin konzentriert und ruhig. Eine der Grundregeln beim Solo lautet: niemals ausflippen. Du musst ruhig bleiben, sonst wird es gefährlich. Und ich bin mir ja der Gefahren bewusst: Ich weiß, dass jeder Moment mein letzter sein kann. Ich will nicht abrutschen und sterben.
Hattest du Unfälle?
Ich habe mir nie etwas gebrochen, aber ich hatte Unfälle. Beim Abstieg vom Fitz Roy wurde ich rund 200 Meter unterhalb des Gipfels von einem Stein am Bein getroffen. Der Brocken war etwa so groß wie ein Toaster. Zum Glück war ich gesichert. Beim Aufstieg von solch einem Stein getroffen, wäre ich gestorben, aber so hing ich nur einige Momente im Seil. Das Bein blutete anfangs ziemlich stark und schwoll an. Ich war erst einmal geschockt, aber ich konnte weiter abseilen.
Bist du seitdem vorsichtiger?
Es kann dir jeden Moment etwas zustoßen – das ist für mich die wichtigste Lektion. Und oft passiert gerade in den einfachsten Passagen etwas.
Wenn du free solo kletterst, denkst du dann an den Unfall?
Diese Bilder versuchen zuweilen zu mir durchzudringen. Aber ich halte sie von mir weg, sonst laufe ich womöglich Gefahr, in der Tour auszuflippen.
Kennst du das Gefühl Angst?
Natürlich! Wenn ich oben am Rand einer Klippe stehe, fühle ich mich manchmal komisch und ein wenig schwindelig. Es gibt im Yosemite Valley diesen Aussichtspunkt Glacier Point, und wenn ich da am Geländer stehe, habe ich Angst – wie jeder andere auch. Aber ich weiche dieser Angst eben nicht aus, ich stelle mich ihr, weil ich glaube, dadurch sehr viel lernen zu können.
War es auch Glück, dass du überlebt hast?
Leider denke ich, dass es zum Teil Glück war. Der Brocken am Fitz Roy hätte mich ja auch im Gesicht treffen können.
Du magst Vögel, den Raben bezeichnest du als dein Totem, also eine Art persönlichen Schutzgeist.
Das sind faszinierende Vögel! Ich beobachte oft Raben, bei denen sieht es so aus, als ob sie im Flug spielten.
Du hast mal gesagt: "Ich glaube zutiefst daran, dass es möglich ist zu fliegen." Wie meinst du das?
Ich glaube wirklich, dass Menschen alles tun können, woran sie glauben. Ich bin überzeugt, dass der Geist all unsere physikalischen Begrenzungen überwinden kann. Vielleicht hat diese Überzeugung einen sehr frühen Ursprung: Meine allererste und zugleich sehr lebendige Erinnerung als Kleinkind ist ein Traum, in dem mich Freunde lehrten zu fliegen. Als ich mit dem Free-solo-Klettern anfing, fürchtete ich, dass es in diesem Traum um meinen Tod geht. Das änderte sich, als ich mit dem Basejumping tatsächlich frei fliegen konnte. Heute glaube ich eher, dass dieser Traum meinen Weg symbolisiert, meine Liebe zu Basejumping, Klettern und Slacklinen.
Interview: Dirk von Nayhauß (www.nayhauss.de)
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Kommentar schreibenEin letztes Mal ist er geflogen...frei wie ein Vogel...